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2014

Nachdem ich Klaus kennen gelernt hatte, hatte er mir seine Geschwister vorgestellt, die mir gegenüber anfangs ziemlich skeptisch gewesen waren.
Er hatte mir davon erzählt, dass sie Urvampire waren, die Vampire, mit denen alles begonnen hatte. Er war wohl das, was für mich einem Bruder am nächsten kam.
Die Vampire, die älter waren als wahrscheinlich sonst jemand auf diesem Planeten waren Finn, Elijah, Niklaus, Kol und Rebekah.
Finn mochte ich nicht sonderlich, da er ehemals zusammen mit seiner Mutter daran gearbeitet hatte, den Rest seiner Familie endgültig aus der Welt zu schaffen.
Rebekah war in den letzten einhundertundzehn Jahren zu so etwas wie meiner Schwester geworden und mit Kol verstand ich mich mindestens genauso gut.
Elijah gehörte für mich zu den interessantesten Personen, die ich in meinem Leben bisher antreffen durfte. Zwar war er am ehesten der "Moralapostel" der Familie, dennoch wusste ich, dass er für seine Geschwister ebenso extrem verwerfliche Dinge tun würde.
Die Mikaelsons hatten mir eine Art zu Hause geboten, wenn ich im Gegenzug einiges ihrer... Drecksarbeit erledigte. Es gab hin und wieder kleine, bedeutungslose Vampire, die meinten dieser Familie etwas antun zu müssen und genau um diese Sorte kümmerte ich mich.
Das hatte ich jedenfalls bis vor ein paar Jahren noch getan, bevor ich losgegangen war, um erneut nach meinem leiblichen Bruder Lorenzo zu suchen.
Ich wusste, dass sie inzwischen niemals mehr von mir verlangen würden, weiterhin Leute für sie zu töten, dennoch war ich jeden Augenblick bereit, das erneut zu tun.

Momentan befand ich mich in Mystic Falls, dem Ort, an dem alles begonnen hatte, da mich eine Spur von der Augustine-Organisation praktisch direkt hier her geleitet hatte.

Und jetzt saß ich im sogenannten Mystic Grill, weil ich durch eine Reihe komplizierter Gespräche und Gedankenmanipulationen herausgefunden hatte, dass mein Bruder hier jeden Moment auftauchen würde. Ungeduldig schnipste ich mit einem Finger gegen das Glas voll Scotch, das vor mir auf der Bar stand.
Wegen meines Aussehen bekam ich von allen Seiten abwertende und skeptische Blicke zugeworfen, weil ich Alkohol trank.
Am liebsten hätte ich jeder Person, die das tat direkt das Blut direkt aus der Hauptschlagader gesaugt.

Wann würde er endlich kommen? Und vor allem, was würde er nach über einhundert Jahren, die wir einander nicht getroffen hatten sagen, wenn er mich sah?
Auf einmal öffnete sich die Tür zur Bar und ich konnte Schritte hören, die in Richtung Bar gingen. Allerdings konnte ich trotz meines Vampirgehörs nicht ausmachen, ob diese Schritte meinem Bruder zuzuordnen waren oder nicht.
Also drehte ich mich um und schaute die Person an, die soeben den Mystic Grill betreten hatte.

Oh Gott. Ich hätte nicht gedacht, dass mich sein Anblick so dermaßen umhauen würde. Aber meinem Bruder schien es auch nicht gerade anders zu gehen. Seine Augen weiteten sich, als er mich sah und er öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
"L... Lucille?", fragte er, als könnte er nicht glauben, wen er da vor sich hatte. Nun ja, das konnte er auch ganz offensichtlich nicht.
"Hallo Lorenzo", sagte ich und stand auf, um ihn zu umarmen.
"Oh Gott... Du hast dich kein bisschen verändert", stellte er fest und legte seine Arme fest um mich. "Ich bin ein Vampir, das habe ich so an mir", meinte ich lächelnd und schaute ihn an.
"Du bist wirklich keine Tag älter geworden", sagte er halb verwundert halb schockiert. Es war in diesem Moment ganz wie in alten Zeiten.
Als wir für einander immer noch die einzige Familie gewesen waren, da unsere Eltern früh ums Leben gekommen waren.

"Setz dich zu mir", lud ich ihn ein und rutschte zurück auf meinen Barhocker.
"Ich hoffe dir ist bewusst, dass du noch-"
"Halt die Klappe", zischte ich und funkelte ihn bedrohlich an, woraufhin er lachte und sich ebenfalls etwas zu trinken bestellte.
"Na schön..."
"Wo bist du dieses Jahrhundert gewesen?", fragte ich.
"Ich war mit Lily unterwegs...", begann er, doch bei dem Namen Lily kochte endlos viel Wut in mir hoch. Ich hasse diese Frau mehr als alles andere auf dieser Welt dafür, was sie mir angetan hatte.
"...und habe einige Zeit im zweiten Weltkrieg gedient. Doch dann hat mich eine  gestörte Familie gefunden und in ihrem kleinen Labor eingesperrt, um dort irgendwelche Experimente an mir durchzuführen..."
Bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht. Auch wenn ich aus diversen Gründen wütend auf ihn war, war die Vorstellung, dass er Qualen hatte erdulden müssen mehr als grausam.
"Wie lange?", fragte ich leise.
Als Antwort erhielt ich unter Anderem ein freudloses Lachen.
"Zu lange..."
Ich schluckte.
"Das tut mir so leid, Lorenzo", sagte ich und legte meine Hand auf seine, um sie kurz zu drücken. "Immerhin bin ich jetzt wieder da raus. Und seitdem bin ich hier. Und was ist mit dir?"
Ich atmete tief durch, während er den ersten Schluck seines Drinks nahm.
"Ich habe ein Jahr lang nach dir gesucht, bevor ich die Mikaelsons getroffen habe. Seitdem bin ich bei ihnen geblieben, aber die vierziger und die achtziger habe ich damit verbracht, nach dir zu suchen", erzählte ich und umklammerte mein Glas so fest, dass ich wirklich Acht geben musste, dass es nicht auf der Stelle zerbrach.
Ich hatte nach ihm gesucht. Insgesamt beinahe drei Jahrzehnte lang. Dass er während seiner Gefangenschaft nicht auf der Suche nach mir gewesen war, war selbstverständlich, doch dass er ansonsten keinen einzigen Gedanken an mich verschwendet hatte?

"Was ist eigentlich passiert, nachdem Lily mir das Genick gebrochen hat?", fragte ich und bemerkte, dass der Name seiner Freundin in meinem Mund eher wie ein Schimpfwort klang.
Er biss sich auf die Unterlippe.
"Sie hat mich verwandelt und wir sind nach New York gegangen."
"Und mich hast du einfach im Regen liegen lassen? In dem Wissen, dass ich nicht einmal tot war?", fauchte ich und wurde gegen Ende unbeabsichtigt lauter.
Trauer, Wut und Enttäuschung bauten sich in mir auf. Während ich ewig nach meinem Bruder gesucht hatte, hatte er mich einfach auf der Straße liegen lassen?
"Lucille, ja ich wusste, dass du dich verwandeln würdest, aber ich wusste auch, dass du stark bist und das allein durchstehen kannst", argumentierte er.

Oh, natürlich. Lucille war stark, also konnte man Lucille einfach auf der Straße liegen lassen? Meine Wut steigerte sich durch seine Worte nur noch und ich stand auf.
"Oh, natürlich, das erklärt natürlich alles", zischte ich und machte Anstalten den Mystic Grill zu verlassen. ich musste hier weg, meine Suche all die Jahre war umsonst gewesen.
Alles was ich erfahren hatte war, dass mein leiblicher Bruder sich über ein Jahrhundert einen Dreck um mich geschert hatte.
Dass ich jetzt wieder gut genug war, um Familie zu sein, es ihm jedoch egal gewesen wäre, wenn ich nicht hier aufgetaucht wäre, um ihn zu besuchen. Ich wollte einfach nur weg, zu den Menschen, denen ich vielleicht etwas bedeutete. Doch Lorenzo hielt mich am Ellbogen fest.
"Lucille, ich habe dich nicht im Stich gelassen, ich musste lediglich mit Lily gehen", versuchte er zu erklären. "Du warst meine Familie-"
"Oh, und seine Familie lässt man einfach im Regen tot auf der Straße liegen? Tut mir leid, Lorenzo, aber wenn du das so siehst, dann werde ich zu den Leuten gehen, die unter Familie etwas anderes verstehen."

Hey, ich hoffe euch gefällt die Story bisher:) Schreibt gerne Kritik in die Kommentare^^

Lucille St. John - Little VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt