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Ich biss die Zähne zusammen und schnitt mir mit einem Küchenmesser ins eigene Fleisch.
Die Wunde war verheilt, bis ich nach Hause kommen war, allerdings bevor ich eine Gelegenheit gehabt hatte, das Holz aus meiner Schulter zu entfernen.
Ich atmete scharf durch die Zähne ein, als ich das Messer wieder aus meiner Haut zog und versuchte, mit meinen Fingern die Kugel zu entfernen.
Die meisten übernatürlichen Wesen sahen von Schusswaffen ab, weswegen ich in dieser Situation noch nie gewesen war und meine mangelnde Erfahrung auf diesem Gebiet bekam ich gerade im wahrsten Sinne des Wortes zu spüren.

Freya ging es inzwischen wieder gut und sie versuchte mit Davina gemeinsam einen Zauber zu finden, mit dem sie das Serum aus Auroras Körper extrahieren konnte.
So könnten wir dieses Miststück endlich ein für alle mal töten.

Ich fragte mich immer noch, ob ich Lucien trauen konnte oder nicht; ich glaubte ihm zwar, was er mir gestern Nacht erzählt hatte und vermutlich hätte er mich auch nicht geheilt, wenn er die Mikaelsons immer noch vernichten wollte.
Allerdings ließ mich die Sache mit dem Serum, das er mit Aurora gemeinsam entwickelt hatte, zweifeln.

Als es an meiner Tür klingelte ließ ich zischend von der Wunde ab und legte das Messer auf dem Rand meines Waschbeckens ab.
Ich bekam selten Besuch, oder um genauer zu sein, so gut wie nie.

Genervt öffnete ich die Tür, war allerdings überrascht, als ich Lucien vor mir stehen sah.
Was wollte er jetzt hier?

"Hallo Liebes", begrüßte er mich mit einem   schwachen Lächeln auf den Lippen. "Darf ich reinkommen?"
Ich hob die Brauen.
"Wie ich dich kenne hast du meine Nachbarin sowieso schon dazu manipuliert, dich herein zu bitten", erwiderte ich zynisch und ging wieder zurück ins Badezimmer.
Ich musste diese verdammte Kugel aus meinem Körper holen.

"Du kennst mich besser als es mir recht wäre", meinte er und schloss die Tür hinter sich. Natürlich hatte er herausgefunden, welchem meiner Nachbarn meine Wohnung gehörte. So etwas war typisch für Lucien.

"Was willst du?", fragte ich und schnitt mir erneut mit dem Messer in die Haut, diesmal tiefer als zuvor.
"Ich will erklären, was damals passiert ist", meinte er, während ich das Messer wieder ablegte und versuchte mir den Fingern die Kugel aus meinem Fleisch zu ziehen.
Gott, tat das weh!
Als ich wieder erfolglos war zog ich frustriert die Finger aus der Wunde und sah ihn an.

"Ich warte", sagte ich und sah ihn an.
Zwar glaubte ich nicht, dass Lucien Klaus und seine Geschwister tot sehen wollte, doch die jüngsten Ereignisse machten es mir schwer zu glauben, dass seine Absichten ausschließlich gut waren.

"In den Vierzigern hatten Aurora und ich den Plan die Mikaelsons zu töten, deswegen haben wir ein Serum entwickelt, durch das wir stärker werden konnten als sie. Es hat mit dem Zauber zu tun, mit dem Esther die Urvampire geschaffen hat", erzählte er.
"Wir haben es nicht genommen, da wir zuerst die Erschaffungsbindung brechen mussten. Aber bevor wir das tun konnten habe ich dich kennen gelernt und meine Meinung geändert. Ich habe das Serum in einen Fluss geschüttet, aber scheinbar konnte Aurora es mit der Hilfe einer Hexe wieder bekommen."

Wieso musste er immer so plausible und glaubwürdige Erklärungen haben?
Ich konnte nicht leugnen, dass ich ihm mehr vertraute als ich es es vermutlich laut Klaus sollte. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass er letzte Nacht und gerade eben alles nur gespielt hatte.
Wieso würde er das überhaupt wollen, wenn ich ihm nichts bedeutete?

Ich seufzte.
"Okay", meinte ich mit müder Stimme. Ich hatte nach wie vor Schmerzen und dazu kam meine Angst, Lucien doch nicht trauen zu können.
"Ich vertraue dir irgendwie, Lucien, aber ich weiß, dass Klaus das nicht tut. Und um ehrlich zu sein bin ich mir immer noch unsicher, ob dir zu trauen eine gute Idee ist."
"Und das heißt?", fragte er, die Stirn in Falten gelegt. Er wirkte irgendwie angespannt oder besorgt, als hätte er Angst vor meiner Antwort.

"Das heißt, ich hoffe einfach dass mein Vertrauen in dich nicht falsch investiert ist", antwortete ich und wandte mich wieder dem Spiegel zu.
Dann griff ich erneut nach dem Messer und schnitt mir in die Haut.
Bevor ich allerdings erneut versuchen konnte, die Kugel herauszuziehen, hielt Lucien meine Hand fest.

"Wie oft hast du das schon versucht?", fragte Lucien zynisch und sah mir in die Augen.
Meine Haut kribbelte dort, wo seine Finger meine Hand berührten und das machte es nicht wirklich einfacher mich auf etwas zu konzentrieren.
Ich sah ihn nur kalt an und erwiderte nichts.
"Lass mich das machen", murmelte er und fasste in meine Wunde.

Ich zuckte kurz zusammen, als der Schmerz stärker aufflammte, woraufhin Lucien mir kurz in die Augen schaute.
"Tut mir leid, Cece."
Nur einen kurzen Augenblick später gelang es ihm, die Kugel aus meinem Fleisch zu ziehen. Erleichterung durchströmte meinen Körper, als die Wunde endlich verheilte, ohne dabei größere Schmerzen zu hinterlassen als davor.

"Danke", sagte ich, während er sich kurz das Blut von den Händen wusch.
"Ich bitte dich, du hättest es vermutlich geschafft dich noch zusätzlich zu verletzen", erwiderte er und schmunzelte.
Ich verdrehte die Augen und wusch mir ebenfalls meine Hände, die voller Blut gewesen waren.

Als ich mich zu ihm umdrehte, stand Lucien unmittelbar vor mir und sah mich an.
"Ich wollte mich auch noch bedanken", meinte er und stützte sich mit den Händen rechts und links von mir am Waschbecken ab, sodass er mir ungewöhnlich nahe kam.

"Wofür?", fragte ich und gab mir Mühe mich zu konzentrieren, auch wenn alles woran ich denken konnte die Tatsache war, dass sein Gesicht nicht gerade weit von meinem entfernt war.
Er schmunzelte.
"Dafür, dass du Klaus davon abgehalten hast mir mein Herz auszureißen."
Ach ja, das.
"Das war aus reiner Eigennützigkeit", erwiderte ich sarkastisch und verließ dann das Badezimmer, um in die Küche zu gehen.
"Ohne dich wäre diese Stadt bei Weitem nicht so unterhaltsam", meinte ich und blickte dann zu Lucien, der sich ab den Türrahmen gelehnt hatte und mich ansah.

"Rotwein oder Weißwein?", fragte ich ihn dann und holte zwei Gläser aus dem Schrank.
Er grinste.
"Kein Bourbon?"
"Ich weiß, dass du Wein lieber magst als Bourbon", erwiderte ich, was sein Grinsen nur breiter werden ließ.
"Rotwein."
Ich lächelte, nahm eine Flasche aus dem Regal und füllte die beiden Gläser.

"Eigentlich wollte ich mich heute Abend nur alleine betrinken und einen Film schauen", meinte ich und reichte ihm eines der gefüllten Gläser.
Lucien lächelte.
"Lucille St. John, es wäre mir eine Ehre mich mit dir gemeinsam zu betrinken und mit dir einen Film zu schauen."
Ich lachte und trank einen Schluck Wein.
"Wie wäre es mit Dracula?"
Er konnte ein Lachen nicht unterdrücken und trank ebenfalls.
"Das klingt gut."

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich immer noch auf dem Sofa.
Mein Kopf lag auf Luciens Schoß und die Finger meiner rechten Hand waren mit seinen verflochten.

Gestern Abend war wirklich schön gewesen, und vor allem weil es sich so normal angefühlt hatte.
Niemand, der einen von uns beiden beinahe getötet hatte.
Keiner, der einem der Mikaelsons beinahe das Leben genommen hatte.
Einfach nur wir beide, eine Flasche Wein und ein alter Vampirfilm, über den man sich lustig machen konnte.

Allerdings schien dieser Morgen eine ganz andere Wendung zu nehmen als der vergangene Abend.
Denn vom Anwesen der Mikaelsons konnte ich aufgebrachte Stimmen hören.
Eine davon gehörte Klaus, die andere Aurora.
Allerdings konnte ich durch die Vielzahl an Wänden nicht genau verstehen, was sie sagten.

Ich setzte mich sofort auf. Wenn Aurora wach war und das Serum sich in ihrem Organismus befand... Das konnte nicht gut ausgehen.
Sollte sie nicht eigentlich bewusstlos sein?
Irgendetwas musste schief gelaufen sein.

"Lucien", sagte ich und legte eine Hand auf seine Schulter.
Er blinzelte, zunächst etwas verwirrt, und sah mich an.
"Wir haben ein Problem."

Lucille St. John - Little VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt