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"Oh, wie schön dich hier zu sehen, Lucille", meinte Aurora lächelnd.
In ihren Augen schwammen Tränen und in Kombination mit dem breiten Grinsen auf ihren Lippen wirkte das fast schon irre.
Außerdem hielt sie einen Kanister in der Hand, der zur Hälfte mit Benzin gefüllt war. Neben ihr lagen zwei weitere, die allerdings schon komplett leer waren.

Vor gerade einmal zehn Minuten hatte ich noch mit Lucien auf der Couch gelegten und jetzt stand ich mit ihm gemeinsam vor Aurora und hoffe, dass sie nicht bereits wieder einen Plan im Sinn hatte, der mich töten würde.

Klaus war praktisch in dem Moment verschwunden, in dem ich hier her gekommen war. Allerdings konnte ich jetzt verstehen weswegen; er trat aus einem der Zimmer im zweiten Stockwerk mit Hope  im Arm heras und sah mich besorgt an.
Energisch nickte ich zum Ausgang.
Es war mir egal, was Aurora vorhatte, Hope war ein Baby und Klaus musste seine Tochter retten.

"Oh, natürlich, Lucille, du opferst dich heldenhaft für Niks Familie", meinte Aurora und lachte dann.

Auf einmal tauchte Lucien neben mir auf.
Ich fragte mich immer noch, weswegen ich ihn überhaupt geweckt hatte; es mochte dumm sein, aber trotzdem vertraute ich ihm seit gestern um einiges mehr als all die Zeit davor.
Sorge stieg in mir hoch wie eiskaltes Wasser.
Das hier konnte nicht gut ausgehen.
Dass ich mich in Gefahr befand reichte, wieso also er auch noch?

"Oh, du bist also hier, um Lucille zu retten?", fragte Aurora mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen.
Ihr rann eine Träne über die Wange.
"Wie romantisch. Schade nur, dass du das für mich nicht mehr tun würdest."
Sie zog ein Feuerzeug aus ihrer Jackentasche und schüttete den Rest des Spiritus über ihren Körper.
Oh nein.

"Aurora, hör mir zu", begann Lucien, doch bevor er seinen Satz vollenden konnte warf Aurora den Kanister mit einem Knall zu Boden.
Sie sah Lucien direkt in die Augen und zog eine Spritze aus ihrer Jackentasche, die mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt war.
Vermutlich das Serum.

"Das will ich gar nicht mehr, mein Lieber", erwiderte sie und warf ihm die Spritze zu.
Sie entzündete eine Flamme und sah dann mich an.
Oh nein, das konnte doch nicht wahr sein!
Nicht Feuer. Nicht der Tod, den ich immer am meisten gefürchtet hatte.
Wenn Lucien und ich aus dem Anwesen gerannt wären, hätte sie das Feuerzeug vermutlich fallen gefallen, bevor wir es nach draußen geschafft hätten.
Also blieben wir beide wie versteinert stehen.

"Aurora, du-"
"Bitte, Lucille", unterbrach sie mich. "Sei still. Deine Stimme soll nicht das letzte sein, was ich in diesem Leben gehört habe."
Dann blickte sie zu Lucien und lächelte.
"Ihr könnte euch um das Serum streiten. Einer von euch kann leben, der andere wird in diesen Flammen seinen ewigen Tod finden."

Keine Sekunde später ließ sie das Feuerzeug fallen.
Es dauerte nicht lange, bis das gesamte Anwesen der Mikaelsons in Flammen stand.
Lucien und ich befanden uns in einem Bereich, der von den Flammen noch nicht ergriffen worden war, allerdings war er nur eine Frage der Zeit, bis auch hier alles brennen würde.

Ich wollte nicht sterben, wirklich nicht.
Auch wenn ich dann vielleicht eine Chance hatte, meinen Bruder wieder zu sehen.
Trotz der Sehnsucht nach meinem Bruder wollte ich um einiges lieber hier beiden, bei Lucien und den Mikaelsons.

Lucien sah mich an. In seinen Augen spiegelte sich Schmerz wieder und es war nicht schwer zu erkennen, dass er ebenso wenig gehen wollte wie ich.
Wenn nicht noch weniger.

"Cece, bitte nimm du das Serum", flehte er schon fast und hielt mir die Spritze hin.
Ich schüttelte den Kopf und hielt seine Hand fest.

Lucien und ich hatten ein kompliziertes Verhältnis zueinander.
Mei Verstand hatte mir so lange vermittelt, dass ich ihm nicht trauen konnte, doch mein Herz hatte genau das immer schon getan.
Und jetzt stand ich hier und musste drüber entscheiden, wer von uns beiden leben durfte.
Denn eines stand fest; durch das Feuer, das um uns herum loderte, würde es garantiert keiner von uns beiden schaffen.

"Nein", erwiderte ich fast schon verzweifelt. "Lucien ich werde dich nicht einfach sterben lassen!"

Lucien sah mich eindringlich an und legte mir das Serum in die Hand.
"Ich hatte über eintausend Jahre auf dieser Erde. Du hattest etwas mehr als einhundert", erwiderte er.
Ich schüttelte den Kopf.
Erst jetzt bemerkte ich, wie stark meine Gefühle für ihn tatsächlich waren; ich konnte ihn nicht einfach sterben lassen.
Lieber würde ich hier an Ort und Stelle selbst den Tod finden.

Mir kam eine Idee, die mir ganz und gar nicht gefiel, doch im Moment konnte ich keine andere Option mit meinem Gewissen vereinbaren.
Ich nahm die Spritze mit dem Serum von Lucien entgegen und sah ihn an.

"Lucien, ich...", begann ich, doch er unterbrach mich.
"Es ist okay, Cece, wirklich."
Er legte seine Hände an meine Taille und zog mich ein Stück näher zu sich.
"Es ist wirklich okay."

Ohne ein weiteres Wort legte ich mein Hände in seinen Nacken und küsste ihn.
Wenigstens ein einziges mal noch.
Dann brach ich ihm das Genick.
Luciens lebloser Körper sackte vor mir zu Boden und ich kniete mich neben ihn.
Ich wusste, dass Lucien es zu mehr bringen könnte als ich und meinen Verlust vermutlich auch besser vertragen würde als ich seinen.

Also spritze ich ihm das Serum.
So würde wenigstens einer von uns beiden lebend hier herauskommen.

Ich konnte die Hitze bereits auf meiner Haut spüren und allmählich kroch Angst in mir hoch; nicht die Angst vor dem Tod, sondern die Angst davor zu verbrennen.
Auch wenn er bewusstlos war, griff ich nach Luciens Hand und hielt sie fest.
Immerhin würde er nicht leiden müssen, wenn die Flammen ihren Weg zu uns fanden.

Tränen schwammen in meinen Augen.
Es hatte so gewirkt, als würde sich langsam alles zum Guten wenden.
Doch dem war scheinbar nicht so.

Lucille St. John - Little VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt