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Ich hatte mir mein Wiedersehen mit meinem Bruder wirklich komplett anders vorgestellt.
Ich hatte gedacht, er würde sagen, dass er mich vermisst hatte und ebenfalls auf der Suche nach mir gewesen war.
Oder dass er wenigstens gehofft hatte, mich zu finden.
Wegen mir auch, dass er mich für tot gehalten und deswegen hatte liegen lassen (obwohl er derjenige gewesen war, der mir das Vampirblut verabreicht hatte).
Beim Gedanken an ihn stiegen mir erneut Tränen in die Augen, doch ich blinzelte sie energisch weg. Ich hatte es schon immer gehasst zu weinen und daran hatte sich in den letzten einhundert Jahren nichts geändert.

In ein paar Stunden würde ich Klaus, Rebekah und Elijah wieder sehen und das war verdammt nochmal wichtiger als Lorenzo.
Gerade eben saß ich in meinem Zug, der mich nach New Orleans bringen würde, denn dort war meine eigentliche Familie.
Obwohl ich vor drei Jahren von Kols Tod erfahren hatte, der mich für eine Zeit komplett aus der Bahn geworfen hatte, wollte ich zu ihnen.
Diejenigen, die seit über einem Jahrhundert stets zu mir gehalten hatten, diejenigen, denen ich stets loyal war.
Die Mikaelsons.

In New Orleans angekommen fühlte ich mich zu Hause.
Trotz meiner Enttäuschung über meinen Bruder musste ich lächeln. Ich liebte diese Stadt, denn es war der Ort, an dem ich sie kennen gelernt und endlich wieder einen Anker gefunden hatte.

Es war spät am Abend, doch das French Quater war deswegen nicht unbelebt. Im Gegenteil. Einige Straßenkünstler versuchten die nächtliche Atmosphäre der Stadt in einem Ölgemälde oder einer Skizze festzuhalten und um einige davon hatten sich kleine Gruppen von Menschen angesammelt, die ihnen gespannt dabei zusahen.
Auch ein paar kleine Läden hatten noch geöffnet und die Schaufenster wurden von bunten Lichtern zum Leben erweckt.
Ein Paar, das einige Meter händchenhaltend vor mir lief unterhielt sich und ich konnte das Mädchen lachen hören. Sie schienen glücklich zu sein.
Wehmütig seufzte ich.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der ich mich nahezu genau so gefühlt hatte.

1903

"Meine liebste Lucille", hörte ich eine mir sehr wohl bekannte Stimme sagen und drehte mich um.
Automatisch formte sich ein Lächeln, auch wenn ich es zu gerne unterdrückt hätte; ich wollte diesem Jungen nicht sofort zeigen, wie angetan ich tatsächlich von ihm war.

"Hallo Roy", sagte ich kühl und machte einen kleinen Knicks, woraufhin er lachte.
Sein dunkelbraunes Haar glänze in der Sonne in einem goldenen Ton und seine Augen schienen förmlich zu funkeln.
"Du siehst wie immer ganz bezaubernd aus, meine Liebe", meinte er und nahm meine Hand, um einen Kuss auf meinen Handrücken zu hauchen.
Ein Kribbeln breitete sich in meiner Magengegend aus.
"Du siehst auch nicht gerade schlecht aus", erwiderte ich und entlockte ihm so ein Schmunzeln.

"Darf ich dich auf einen Spaziergang am See einladen? Oder erwartet dich zu Hause dein Bruder", fragte er.
Ich seufzte. Natürlich wurde ich zu Hause von Lorenzo erwartet.
Mein älterer Bruder hatte schon immer besonders viel Acht auf mich gegeben, doch seit ich nach dem Tod unserer Eltern zu ihm gezogen war, hatte sich sein Bedürfnis mich zu beschützen mindestens verdoppelt.
Wenn er wüsste, dass ich mit Roy ausging, würde er vermutlich rasen vor Wut.
Aber im Moment dachte er, ich sei einfach mur auf dem Markt um Lebensmittel zu kaufen.

"Natürlich, Roy", antwortete ich und hakte mich bei ihm unter.
"Mit Vergnügen."

"Lucille?"
Ich drehte mich überrascht um und musste sofort Lächeln, als ich in das bekannte Gesicht blickte.
"Hallo Marcel", begrüßte ich ihn lächelnd.
Er kam grinsend auf mich zu und umarmte mich kurz.
"Du bist wieder in New Orleans", stellte er überrascht fest und ich nickte.
"Du dachtest doch nicht etwa du wirst mich so leicht auf ewig los?"
Er lachte und wir gingen gemeinsam die Straßen entlang.

"Was bringt dich wieder hier her? Hast du deinen Bruder gefunden?", fragte er.
Ich seufzte. Der Gedanke an Lorenzo schmerzte, vor allem da unser Wiedersehen erst wenige Stunden her war.
"Ja", antwortete ich. "Aber ich habe dann festgestellt, dass die Familie, der ich loyal bin, eine andere ist."
Schnell suchte ich nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln, da mein Bruder im Moment wirklich einer der letzten Personen war, an die ich denken wollte.
"Sind die anderen zu Hause?", fragte ich dann.
Marcel lächelte.
"Rebekah schon. Und ich bin mir sicher sie wird sich ziemlich freuen, dich wieder zu sehen."

Tut mir leid, dass der Teil relativ kurz ist... Eigentlich möchte ich nur Kapitel mit etwa 1000 Wörtern posten, aber manchmal holt mich dann doch ein kleiner writers block ein

Lucille St. John - Little VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt