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"Hab ihn!"
Schwungvoll landete der Ball in meinen Händen.
"Nicht schlecht, Sam!", Zack flog auf der anderen Seite des Spielfeldes her. Lässig kreiste er dabei um einen der Torringe herum, die Hände frei, als hätte er noch nie davon gehört, seine Hände am Besen zu halten.
Die Winterluft war kalt und kroch mir eisig unter die Kleidung, doch das Wetter war klar und ideal zum spielen. Ich flog eine elegante Kurve, bevor ich auf Zack zuhielt und mein Tempo verschnellerte, den Quaffel unter den Arm geklemmt.
Es war ungewöhnlich, dass niemand auf dem Quidditch-Feld trainierte, doch gerade hatten wir es komplett für uns alleine. Heute war Hogsmeade-Wochenende und dazu noch Valentinstag.
Sonst hatten wir uns die Chance, das Dorf zu besuchen, nicht entgehen lassen wollen, doch heute hatte keiner von uns beiden Lust auf die Massen an Pärchen und den ganzen Kitsch gehabt. Ich hatte nicht gewusst, dass es Zack so frustrierte, andere bei ihren Dates zuzusehen, aber sobald ich genauer darüber nachgedacht hatte, war mir aufgefallen, dass es mir ähnlich ging.
Also hatte Zack kurzerhand vorgeschlagen, ein bisschen Quidditch zu trainieren, wo ich gerne zugestimmt hatte. Es schadete nicht, den Kopf etwas frei zu bekommen.
Ich steckte all meine Kraft in den Wurf, als ich den Ball auf einen der drei Torringe vor mir schleuderte und fing meinen Schwung mit einer halben Schleife ab.
Zack schoss auf den Ball zu und fing ihn ab, wobei er leicht ins Schlingern geriet.
"Hui, der war gut!", kommentierte er, "aber ich bin auch ein schlechter Hüter."
Mit diesen Worten raste er auch schon mit dem Ball davon, in Richtung meines Tors.
So schnell wie möglich folgte ich seinem Beispiel und bemühte mich aufzuholen.
Doch Zack hatte schon geworfen, geradewegs durch einen der Torringe.
Mit zusammengebissenen Zähnen flog ich hinterher, ging in den Sturzflug und fing den Quaffel kurz über dem Boden auf.
Zack schwebte über mir.
"Den Ball hast du durchgelassen- aber deine Flugmanöver sind trotzdem erstklassig. Du solltest dich echt für unser Team einschreiben!"
Ich verdrehte die Augen und schleuderte ihm den Ball entgegen. "Euer Team ist schon voll! Und für Mannschaftssport hab ich nicht viel übrig!"
Demonstrativ riss ich meinen Besen in die Höhe und flog einen Salto.
"Freestyle macht mehr Spaß. Wieso gibt es nicht so etwas?"
Zack grinste und ließ sich neben mir schweben. "Gibt es, Quidditch ist aber nunmal beliebter. Wer zuletzt unten ist, ist ein lahmer Flubberwurm!"
Mit diesen Worten drückte er seinen Besenstiel nach unten und schoss hinab.
"Hey!", rief ich empört und tat es ihm nach, "dein Besen ist schneller! Das ist unfair!"
Zacks Lachen schallte zu mir hinauf, als ich den Boden ansteuerte.

Lustlos zog Marge mit ihrer Schreibfeder Linien über den Schreibtisch, während ich etwas von der Murtlap-Essenz auf meinen Handrücken auftrug, die sie mir geschenkt hatte.
Ich kam gerade vom Nachsitzen bei Umbridge, die früher Schluss gemacht hatte, da sie die Schulkorridore beaufsichtigen musste.
So hatte sie mir das natürlich nicht gesagt, doch seit heute morgen war sie in heller Aufregung wegen eines Artikels im Klitterer, in dem Harry über die Auferstehung des dunklen Lords redete.

Harry Potter packt endlich aus:
Die Wahrheit über ihn, dessen Name nicht genannt werden darf,
und die Nacht, in der ich ihn zurückkommen sah

Nur wenige Stunden nachdem die Morgenpost angekommen war, hatte Umbridge bereits einen neuen Ausbildungserlass erteilt, der den Besitz einer Ausgabe des Klitterers bei Schulverweis verbot.
Trotzdem gab es kein anderes Gesprächsthema auf den Gängen als das Interview mit Harry. Und jede Menge Seitenblicke für mich.
Bis jetzt war ich Gesprächen ausgewichen, doch ich wusste dass ich früher oder später ein Statement dazu ablegen müssen würde.
Vielleicht sollte ich mich auch einfach in meinem Schlafsaal verschanzen, bis das Interesse etwas abgeebbt war.
Hier, im hinteren Teil der Bibliothek, wurde ich zum Glück in Ruhe gelassen.
Marge hatte mich nach meiner Stunde in Nachsitzen rechtzeitig aus der Menge gezogen, bevor mich irgendjemand zu dem Artikel ausfragen konnte.
Dieses Mal spielte Umbridge mir tatsächlich in die Karten, indem sie den offenen Austausch darüber erschwerte.
Aber ich war nicht die einzige, die sich versteckte.
Seit letzter Woche zog Marge es ebenfalls vor, sich zurückzuziehen und die Aufmerksamkeit eines gewissen Gryffindors zu vermeiden.
Sie hatte nichts von ihrem Hogsmeade-Ausflug erzählt, doch selbst ein Blinder sah, dass ihr Date mit Lee Jordan katastrophal verlaufen sein musste.
Der Gryffindor vermied strikt, nur in ihre Richtung zu sehen und beim letzten DA-Treffen hatte Marge sich sogar geweigert, mitzukommen.
"Hausaufgaben", hatte sie gemurmelt, bevor sie den Weg zu Hagrid einschlug.
Mit einem zufriedenen Seufzer schrieb ich den letzten Satz zu Ende und rollte meinen Aufsatz für Zaubertränke auf.
Wenn ich schon in der Bibliothek war, konnte ich die Lernatmosphäre ja auch nutzen, um meine Hausaufgaben zu erledigen.
Die Zeit war schneller verflogen, als ich gemerkt hatte und als auch Marge, die tatsächlich ein Schulbuch vor sich aufgeschlagen hatte, von ihren Hausaufgaben aufsah, dämmerte es draußen bereits.
Gemeinsam sortierten wir die Sachbücher, die wir für unsere Studien gebraucht hatten, wieder in die Bücherregale ein, bevor ich mit einem übrig gebliebenen Exemplar zu Madam Pinces Pult herüberspazierte.
Vorsichtig legte ich das Buch vor ihr ab.
"Ich möchte gerne diesen Band ausleihen", erklärte ich, woraufhin die Bibliothekarin aufsah und prüfend den Einband betrachtete.
Seltene magische Erkrankungen und warum sie so schwer heilbar sind.
Madam Pince musterte mich kritisch. "Dieses Thema befindet sich außerhalb des Lehrplans", bemerkte sie.
Ich schenkte ihr ein charmantes Lächeln. "Ich interessiere mich sehr für dieses Thema", erwiederte ich, "und nur weil es nicht auf dem Lehrplan steht ist ein Buch doch lange nicht unlesenswert, nicht wahr?"
Das entlockte Madam Pince ein kleines Lächeln, woraufhin sie eine Liste aus ihrem Schreibtisch zog.
"Name?", fragte sie nach.
"Sam Pears. Jahrgangsstufe Fünf."
In geschwungenen Lettern trug die Bibliothekarin meinen Namen zusammen mit den Titel des Buches ein.
"Nun", schloss sie und hielt mir den Band hin, "ihre Ausleihfrist gilt bis nächsten Montag. Viel Spaß damit, junge Dame."
Dankend nahm ich das Buch an und verstaute es in meiner Tasche.
Marge hatte sich an eines der Bücherregale in der Nähe gelehnt und stieß sich davon ab, als ich ihr entgegen ging. Im Laufen stopfte ich das Buch in die Tasche.
"Wofür brauchst du das?", wollte sie wissen.
Ich zögerte kurz. In dem Buch gab es ein ganzes Kapitel über Obscuriale.
"Nur so", erwiederte ich schulterzuckend, "das Thema ist ganz spannend."
Marge verzog skeptisch den Mund, bevor sie Anstalten machte, mich zur Tür zu ziehen. "Komm, das Abendessen fängt gleich an. Lass uns lieber gehen, bevor die Halle voll ist, dann interessieren sich nicht so viele für dich..."
Auf einmal fiel mir ein vertrauter Blondschopf in den Blick und ich konnte nicht anders, als im Weitergehen den Hals nach ihm zu recken.
Im Schatten zweier Regale hatte sich Malfoy an einem runden Tisch mit seinen beiden Schlägern Crabbe und Goyle niedergelassen und beriet sich mit ihnen aufgeregt. Die drei hatten die Köpfe so dicht zusammengesteckt, dass man sie wahrscheinlich nicht einmal verstand, wenn man direkt daneben saß.
Worüber sie sich unterhielten war jedoch nicht schwer zu erahnen. Jeder von ihnen hatte einen besorgten Gesichtsausdruck aufgesetzt (Merlin, ich wusste nicht einmal, dass Crabbe und Goyle dazu in der Lage waren!), der höchstwahrscheinlich daher zeugte, dass Harry in dem Interview im Klitterer ihre Eltern als Todesser benannt hatte.
Welche Namen im einzelnen Harry benannt hatte, hatte ich gar nicht so genau gelesen- eigentlich hatte ich den Artikel heute morgen nur grob überflogen- aber ich war in jener Nacht ja selber anwesend gewesen. Und wie Mr Malfoy mich vom Friedhof hinunter begleitet hatte, würde ich gewiss nicht vergessen.
Marge folgte meinem Blick und blieb abprubt stehen, als auch sie die drei Slytherins entdeckte.
In dem Moment sah Malfoy hoch.
Unsere Blicke trafen sich, bevor seine Miene sich verfinsterte. Ich unterdrückte ein Zusammenzucken, da ich ihn offensichtlich angestarrt hatte, doch im nächsten Moment realisierte ich, dass sein Blick gar nicht mir galt.
Marge zog mich bestimmt auf den Tisch zu, an dem die drei sich niedergelassen hatten und ich stöhnte entnervt auf, als ich ihre schadenfrohe Miene sah.
Beinahe hätte ich ihren Hass auf Slytherins vergessen und ihre Vorliebe, diese zu schikanieren. Drei davon, die auch noch damit zu kämpfen hatten, dass ihre Eltern als Todesser beschuldigt wurden, konnte sie sich da nicht entgehen lassen.
Nervös zupfte ich am Ärmel der Hufflepuff. "Marge, lass uns gehen", zischte ich. Ich hatte keine Lust auf eine Konfrontation, weder mit Malfoy noch über dieses Thema.
Doch Marge ging einfach weiter und verfestigte ihren Griff um meinen Arm, dass ich ja nicht abhaute.
"Und, wie ist es so, wenn jeder weiß, dass Daddy ein Todesser ist?", eröffnete Marge, kaum dass wir vor den Slytherins standen und löste sich von mir, sodass sie sich lässig gegen eines der Regale lehnen konnte.
"Muss ja wirklich schwer sein, wenn ihr euch hier versteckt."
Wütend funkelte Malfoy sie an. "Mein Vater ist kein Todesser. Sag das noch einmal und ich schwöre dir Daugherty-"
"Was?", unterbrach ihn die Hufflepuff, "dass du mich bei ihm anschwärzt? Ich glaube, er hat im Moment größere Probleme-"
Auf ihren Lippen bildete sich ein böses Grinsen. "Hat er schon gepackt?"
"Was meinst du?", knurrte Malfoy durch zusammengebissene Zähne.
"Naja", Marge legte sich gespielt nachdenklich einen Finger an die Lippen, "für seinen Umzug. Nach Askaban."
Sie musterte ihn lauernd, wie ein Tier das auf den richtigen Moment wartet, sich auf seine Beute zu stürzen.
"Sag das nochmal", zischte Malfoy so leise, dass man ihn kaum verstand. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und starrte meine Freundin hasserfüllt an.
Crabbe und Goyle hatten sich von ihren Stühlen erhoben und kampfbereit die Fäuste geballt.
Marge erwiederte Malfoys Blick mit demselben bösen Funkeln.
"Ich habe gesagt", erwiederte sie in einem gefährlichen Flüsterton, "dass dein Vater schonmal für Askaban packen sollte."
Kaum hatte sie geendet, stürzten Crabbe und Goyle schon vor, in Malfoys Hand erschien ein Zauberstab.
"Impedimenta!"
Ich reagierte blitzschnell.
Kurz bevor sie Marge erreichen konnten, erfroren Crabbe und Goyle auf der Stelle, die Gesichter zu wütenden Fratzen verzerrt.
"Keine Gewalt", sagte ich bestimmt, "ihr wollt doch kein Aufsehen erregen, nicht wahr?"
Ich richtete meine Worte an Malfoy, der seinen Blick von Marge löste und ihn nun langsam zu mir wandern ließ.
Seine Lippen waren zusammengepresst, die Augenbrauen wütend zusammengezogen, doch wenn man genauer hinsah, konnte man die gerötete Haut unter seinen Augen erkennen. Ob er wohl gewusst hatte, dass sein Vater ein Todesser war?
"Ich entschuldige mich wegen Marge", ich warf jener einen scharfen Blick zu, "sie hat manchmal ihre Zunge nicht im Zaum."
Sie verengte die Augen. "Sam-"
"Wir gehen", sagte ich bestimmt und griff nach ihrem Ärmel.
Marge schüttelte mich wütend ab, doch ich legte meine Hand auf ihre Schulter und zischte: "Lass den Mist, Marge. Ich habe keine Lust auf Stress."
Langsam lösten Crabbe und Goyle sich wieder aus der Starre und kämpften um ihr Gleichgewicht, machten glücklicherweise jedoch keine Anstalten, sich wieder auf Marge zu stürzen.
Die grummelte unzufrieden in sich hinein, ließ sich allerdings dann doch von dem Tisch fortbugsieren.
Kurz bevor wir das Ende der Regalreihe erreichten, rief Malfoy mich jedoch noch einmal zurück.
"Hey! Pears!"
Langsam blieb ich stehen und sah über meine Schulter.
"Das Interview- wieso hast du dich bis jetzt nicht dazu geäußert?"
Augenblicklich versteifte ich mich. Im Bruchteil einer Sekunde wichen aus meiner Miene die Emotionen und in meiner Brust machte sich eine eisige Ruhe breit.
"Frag deinen Vater, Malfoy."
Dann wandte ich mich ab und zog Marge mit mir davon.

***

Guten Mittag allerseits!- oder Nachmittag? Naja, irgendwas dazwischen XD
Tut mir Leid, dass wieder mal nichts kam, im Moment schreibe ich etwas langsamer... Was sich in der nächsten Zeit auch nicht ändern dürfte, weil bei mir jetzt so langsam der Abi-Stress beginnt...

Wie auch immer, es passt ja zeitlich ein bisschen, immerhin ist morgen auch Valentinstag^^

Nun denne, wir sehen uns dann nächste Woche (oder übernächste, je nachdem^^) wieder, bis dahin ciao!
-Absolina

The dark LadyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt