Hogwarts war an sich ein riesiges Gebäude in dem es nicht schwer war, in den ein oder anderen Gang abzutauchen, um seine Ruhe zu haben.
Während die großen Korridore meistens mit Schülern und Lehrern gefüllt waren, die in ihre Klassenzimmer oder Gemeinschaftsräume eilten, gab es unzählige kleinere Flure, in denen keine Menschenseele zu finden war.
Doch nun, in der Nacht, machte es keinen Unterschied, wo man sich befand. Ich war weit und breit die einzige Person, abgesehen von dem ein oder anderen Geist, der vorbeischwebte.
Die Gänge waren in dunkle Schatten getaucht und verliehen der Umgebung eine etwas unheimliche Atmosphäre.
Ab und zu sah ich mich um, in der Angst es könnte sich jederzeit eine eisige Hand auf meine Schulter legen. Und zwar nicht die eines Lehrers.
Wer wusste, was sich Nachts so im Schulgebäude herumtrieb? Immerhin hatten wir vor drei Jahren einen Basilisken hier gehabt.
Ich umklammerte meinen Zauberstab fester und schüttelte den Kopf. Was für ein Schwachsinn.
Ich war hier, um mich abzuregen, nicht um meinen Adrenalinpegel weiter zu steigern.
Hier auf den Gängen trieb sich schon nichts herum. Außerdem hatte ich letztes Jahr beim Trimagischen Turnier teilgenommen, wodurch ich einiges an praktischer Erfahrung erlangt hatte.
Stolz dachte ich an den Peruanischen Viperzahn oder die Grindelohs zurück, die ich letztes Jahr erfolgreich bekämpft hatte.
Zudem hatte Moody, oder eher gesagt Crouch, mich ein wenig im Kämpfen unterrichtet.
Schon etwas beruhigter schlenderte ich weiter. Die einzige Lichtquelle bestand aus meiner Zauberstabspitze, welche meine Umgebung in bläuliches Licht tauchte. Nur der Mond warf noch ein paar Strahlen auf meinen Weg.
Ein Blick nach draußen zeigte mir die weitläufigen Ländereien von Hogwarts, die in dunkles Blau getaucht waren. In der Ferne hörte ich ein Aufjaulen, woraufhin in erschrocken zurückzuckte. Gut, dass ich nicht ganz raus gegangen war.
Gedankenverloren trat ich wieder an das Fenster heran und lehnte mich an die Fensterbank.
Von hier aus hatte man einen fantastischen Blick. Die Dunkelheit der Nacht warf zudem einen Schleier von Ruhe über die Gegend.
Seufzend betrachtete ich die Sterne und Wolken am Himmel und dachte über die vergangenen Wochen, die vergangenen Monate nach.
Warum konnte ich nicht einfach ein gewöhnliches Schulmädchen sein mit normalen Problemen und normalen Sorgen? Beinahe verstand ich sogar Jenny, die sich jahrelang als Muggel ausgegeben hatte.
Eine Welt ohne Magie war langweilig, frustrierend- aber auch sicher. Wie gerne würde ich jetzt mit Lea tauschen, ein wenig im Meer schwimmen, auf Partys gehen, eine Ausbildung machen... aber nein, ich musste ja plötzlich von meinen Familienproblemen eingeholt werden und eine Tätowierung verstecken, die einem Freiticket nach Askaban glich.
Ich seufzte.
Immerhin ließ Malfoy mich jetzt in Frieden. Das war wohl der einzige Vorteil an meinem neuen Status. Samantha Merope Riddle.
Diese Frau war eine andere als Sam Pears, eine andere als das Mädchen, das ich immer gewesen war.
Sie war kalt, geheimnisvoll, mächtig.
Ich zeichnete Linien in den kühlen Stein vor mir.
Und gefährlich. Für die Zaubererwelt, sollte ich ihre Natur freilassen und in erster Linie für mich. Ich wusste, dass dieser Wesenszug in mir war, spürte die Ähnlichkeiten zu ihm.
Doch im Moment schlief Samantha noch, im Moment war sie schwach und verängstigt.
Doch eines Tages, das wusste ich, würde sie an Kraft gewinnen und erwachen, würde Sam Pears verdrängen.
Ich wusste, dass dieser Prozess schon begonnen hatte. Letztes Jahr im Turnier hatte ich angefangen, meine starken Seiten an mir zu entdecken, meine Geschicktheit, meine Gerissenheit. Die Art und Weise wie ich den Drachen ausgetrickst hatte- das war auch eine Waffe, eine Waffe, die tief in mir verankert war.
Ich war schon nicht mehr die Sam, die ich noch vor einem Jahr gewesen war.
Es war nicht so, dass plötzlich etwas Neues hinzugekommen war, es schien eher so zu sein, dass etwas dunkles, mächtiges von unten immer mehr an die Oberfläche sickerte.
Etwas, dass in der Nacht seiner Erweckung förmlich hochgerissen worden war und nun nach einem Platz in meiner Persönlichkeit suchte.
Ich starrte den hellen Mond an. Ich war nicht das pure Böse, war nicht Samantha Riddle, von der die Grausamkeit und Kaltherzigkeit ihres Vaters erwartet wurde.
Aber ich war eben auch nicht mehr Sam Pears, das unsichere und naive Waisenmädchen, das nichts über seine Identität wusste. Ich war irgendetwas- dazwischen.
Beinahe wünschte ich mir, gar nichts mehr zu wissen. Nie überhaupt etwas über meine Identität herausgefunden zu haben. Ich wollte nichts von Jenny wissen, nichts von Matthew und nichts von Victoria Pears. Ich wollte nicht wissen, was sie für eine Frau gewesen war und erst recht nicht, was sie mit dem dunklen Lord zu tun gehabt hatte, dass sie-
Ich schüttelte energisch den Kopf. Ich wollte nichts davon wissen.
Ich wollte mich wieder mit Malfoy streiten, wollte wieder diese Ebenbürtigkeit zwischen uns, diese Rivalität zwischen uns haben. Doch jetzt ignorierte er mich, ging mir aus dem Weg.
Weil ich anders war. Gefährlich.
Ich dachte an diese grauen Augen, stechend und undurchdringlich. Was würde ich dafür tun, dass er mich wieder so ansah, anstatt schnell wegzusehen und so zu tun als wäre ich Luft.
Was er wohl dachte? Was glaubte er, hatte seinen Vater dazu bewegt, das Kriegsbeil aus seinen Händen zu reißen und es zu begraben, in der Hoffnung, nicht meinen Zorn auf sich zu lenken? Wollte er sich wirklich an das Verbot seines Vaters halten?
"Chrm. Chrm."
Ich fuhr zusammen. Ich hatte mich so sehr in Gedanken verloren, dass ich komplett vergessen hatte, wo ich mich eigentlich befand.
Langsam löste ich meine Augen vom Sternenhimmel und drehte mich von der steinernen Fensterbank weg.
"Miss Pears", sagte Umbridge spitz, "in mein Büro."
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The dark Lady
FanfictionSequel zu: She who can not be named ❥︎ Für Sam hat sich Alles geändert. Denn nicht nur scheinen die Beziehungen zu ihren Mitschülern völlig neue Wege einzuschlagen, sondern auch ihre eigenen moralischen Vorstellungen und Ziele erscheinen nun merkwür...