Ich lag auf dem flauschigen Teppich zwischen den edlen Sesseln, auf denen wir vorhin noch gesessen hatten.
Auf dem Couchtisch über mir standen leere Teller und Gläser herum, auf denen nur ein Paar Knochen einer Weihnachtsgans übrig waren.
Dazwischen stand eine leere Flasche Elfenwein.
Eine weitere halbvolle Flasche hatte Malfoy in der Hand, der sich neben mir ausgebreitet hatte. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit darin war weitaus schärfer gewesen, als der Wein davor, doch ich hatte das Brennen gemocht, das meine Brust von innen wärmte.
Es musste schon spät in der Nacht sein, doch mein Kopf war zu vernebelt, um genauer darüber nachzudenken.
Ich gähnte. Der Boden zog mich an wie ein Magnet, viel zu gemütlich, um wieder aufzustehen. Die Wärme, die vom Kamin hinter mir ausging, machte dies nicht leichter.
"Pears?", ertönte Malfoys Stimme auf einmal neben mir.
"Hmm?", erwiederte ich träge. Wir hatten nicht viel miteinander geredet, nur ein bisschen über Schule und Lehrer, doch die Stimmung war entspannt gewesen.
Dazu hatte wahrscheinlich auch der Alkohol beigetragen.
"Ich glaube ich bin froh, dass du hier bist."
Ich brauchte einen Moment, um die Worte zu verarbeiten, dann drehte ich ihm meinen Kopf zu.
Ich starrte in die grauen Augen Malfoys.
"Wirklich?"
"Mmhh."
Ich ließ meinen Blick über sein Gesicht wandern.
"Ich bin auch froh, dass du hier bist", erwiederte ich frei heraus, "Also du wärst glaub ich so oder so hier. Aber- du weißt schon."
Malfoy streckte sich. "Ich wünschte, du wärst wegen was anderem hier. Aber ich weiß nicht, weswegen."
Ich drehte mich auf die Seite und hob mühsam meinen Kopf, um ihn auf meine Hand zu stützen.
"Wirklich nicht?"
Ich musterte sein Gesicht, die halbgeöffneten Augen, die schmale Nase, die geschwungenen Lippen.
Unbewusst beugte ich mich weiter zu ihm vor. Malfoy hob den Blick und musterte mich seinerseits.
Ein Kribbeln stieg in mir auf.
Etwas in meinem Kopf schlug Alarm, dass ich dass hier zu weit ausschweifen ließ. Ich war ihm viel zu nah.
Das alles erschien mir völlig fern, doch mit einem Mal war der Moment vorbei.
Ich zwang mich dazu, mich aufzusetzen und mich zu strecken.
Auf dem Tisch stand eine Glaskaraffe mit Wasser, nach der ich nun griff.
"Es ist spät", sagte ich zwischen zwei Schlucken, "du solltest schlafen gehen, sonst kommt der Weihnachtsmann nicht."
Malfoy stöhnte genervt.
"Ich kann auch einfach hier schlafen, dann kommt er super in mein Zimmer rein."
"Ich glaube, er wäre aber nicht so begeistert, dich hier vorzufinden."
"Deine Mutter", fügte ich als Erklärung hinzu, da sein Gehirn anscheinend nicht so schnell arbeitete wie sonst.
Malfoy gab einen Laut des Protests von sich, gab schließlich jedoch nach und stand auf.
Ich rappelte mich ebenfalls hoch und geleitete ihn zur Tür.
"Gute Nacht", nuschelte er und wankte in den Gang hinaus.
"Nacht", flüsterte ich ihm hinterher und wartete, bis er sein Zimmer erreicht hatte.
Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog ich mich ebenfalls in mein Zimmer zurück.
Grinsend strich ich mir die Haare zurück und dachte an das Gespräch von vorhin.
Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt, ihn den Schulbüchern vorzuziehen.Zwei Wochen später fand ich mich auf dem noch leeren Bahnsteig 9¾ wieder.
Narcissa Malfoy hatte mich in aller Frühe mit all meinem Gepäck am Bahnhof Kings Cross abgeladen, damit uns ja keiner miteinander in Verbindung bringen würde.
Jetzt saß ich alleine im Dunkeln auf einer schmalen Bank und starrte auf die frei liegenden Schienen.
Ein Wunder dass der Eingang durch die Mauer schon auf gewesen war. Außer mir war nur kurz ein Mann da gewesen, der den Platz noch einmal durchgefegt hatte.
Jetzt erst, nach einer Stunde des Wartens trudelten die ersten Schüler ein.
Nach den Weihnachtsferien war die Plattform nur halb so voll wie zum Schuljahresbeginn. Nicht jeder brachte seine gesamte Familie mit, die noch dem Zug hinterherwinkte.
Der Hogwarts-Express war bereits vorgefahren, als ich Malfoy mit seiner Mutter in der Menge ausmachte.
Narzissa musterte die Platform mit schmalen Augen und mied bewusst meinen Blick. Die Blondine hatte die ganzen Weihnachtsferien lang dafür gesorgt, dass ich ihren Sohn möglichst nicht über den Weg lief. Sei es durch spontane Aufgaben, die ich erledigen musste, arrangierte Treffen und Bälle, an denen Malfoy teilnahm, oder Zimmerarrest für uns beide, wenn ihr nichts besseres einfiel.
Ich verstand ja wieso sie mich von ihrem Sohn fernhalten wollte, schließlich stand ich aus irgendeinem Grund in der Gunst des dunklen Lords und war eine vollwertige Todesserin. Trotzdem beschlich mich ein dunkler Groll, wenn ich ihr über den Weg lief und sie uns wieder einmal trennte.
Malfoy war das einzig spannende im Malfoy Manor gewesen, oder zumindest die einzige erträgliche Person. Beim Rest handelte es sich um Massenmörder und Fanatiker, also musste ich mich ohne den blonden Slytherin mit mir selbst beschäftigen.
Und der durfte noch regelmäßig zu Reinblüterveranstaltungen oder dem ein oder anderen Abendessen bei den Zabinis oder den Greengrasses.
"Wen schmachtest du denn da so an?"
Erschrocken drehte ich meinen Kopf herum und starrte mit aufgerissenen Augen Zack an. Vor lauter Todessern und Dunklen Lords hatte ich ihn ganz vergessen.
"Ich schmachte niemanden an!", verteidigte ich mich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Zack hob eine Augenbraue und grinste. "Sicher?"
Er ließ den Blick zu dem Punkt schweifen, an den ich vorhin geblickt hatte. Mit einem Mal verfinsterte sich seine Miene. "Verstehe", murmelte er und zog mich von der Bank herunter. "Wollen wir uns schon mal in den Zug setzen?"
Etwas verwirrt folgte ich ihm und betrat den bereits gefüllten Gang. Wir fanden ein leeres Abteil, in das wir uns gegenüber setzten.
"Alles in Ordnung?", fragte Zack besorgt. Da fiel mir ein, dass ich ihm ja erzählt hatte, dass ich über die Weihnachtsferien untertauchen würde. Dachte er, die Malfoys hätten mich verunsichert?
Ich sah ihm in die Augen. "Mir gehts gut, keine Sorge. Wir haben uns die meiste Zeit versteckt und wurden auch nicht gefunden. J- Jenny hat einen guten Ort gefunden. Aber lass uns nicht über so was Ernstes reden. Wie waren deine Weihnachtsferien so?"
Zack runzelte die Stirn, nickte dann aber. "Schön", sagte er tonlos, "Dad hatte viel zu tun, aber das hat er ja eigentlich immer- wir haben zusammen mit Philly und einer ihrer Freundinnen Weihnachten gefeiert, mit großem Baum, Geschenken und dem ganzen anderen Drum und dran. Ich hab mich mit Freunden getroffen, hab schonmal den Stoff für die nächsten Monate überflogen, hab meinen neuen Besen ausprobiert, und, und, und- aber das kommt mir alles so falsch vor, wenn ich daran denke, wie du die Ferien verbracht hast. Wieso bist du überhaupt zum Bahnhof gekommen, das war so schon viel zu gefährlich!"
Dieses Schuljahr bot Hogwarts die Möglichkeit für Schüler, per Flohnetzwerk zurück nach Hogwarts zu kehren, um einen sicheren Heimweg zu ermöglichen.
Mein Problem war nur, dass es schwer verdächtig gewesen wäre, wenn ich aus dem Kamin der Malfoys käme, also war ich wohl oder übel zum Bahnhof gekommen. Offiziell war das für mich natürlich ziemlich riskant.
Ich verdrängte das Schuldgefühl, das in meiner Brust bei Zacks besorgtem Blick hochstieg und lehnte mich zu ihm vor. "Ist schon okay, Zack. Es ist ja alles gut gelaufen. Ich habe mich dafür entschieden, nicht in Hogwarts oder bei dir zu feiern, also brauchst du dich nicht schlecht zu fühlen. Außerdem hatte ich auch ein schönes Weihnachtsfest- und ich habe gesagt, keine ernsten Themen."
Zack schien sich nun besser zu fühlen, während ich mich nun noch schlechter dafür fühlte, ihn so dreist anzulügen.
Der Ravenclaw griff nach seiner Tasche und kramte etwas daraus hervor. Ich warf einen Blick aus dem Fenster und beobachtete, wie die lezten Schüler zum Zug hetzten.
"Hier", Zack hielt mir ein kleines, in goldgelb gewickeltes Papier hin. "Das ist noch für dich. Ich hab mich nicht getraut, es dir zu schicken wegen- naja."
Langsam drehte ich mich ihm zu und griff zögerlich nach dem Packet.
"Zack", sagte ich leise, "das war echt nicht nötig."
Durch die Tatsache dass weder er noch Marge mir ein Geschenk geschickt hatten, war ich beruhigt gewesen, dass ich ihm ebenfalls nichts besorgt hatte, doch nun schlug mein Kopf Alarm.
Ich verdiente dieses Geschenk nicht und noch weniger verdiente ich es, dass er hier mit mir saß und sich Sorgen machte.
Der Hogwarts-Express stieß ein lautes Schrillen aus und fuhr mit einem Ruck los.
Das Geschenk fiel in meine Hand und blieb schwer dort liegen.
Zack grinste mich an. "Los, machs auf."
Schweren Herzens gab ich nach und riss das Papier auf. Darin lag ein schlichtes, dünnes Tuch, das sich weich auf meiner Haut anfühlte.
"Weißt du, was das ist?", fragte Zack nach, während ich mit gerunzelter Stirn über den Stoff strich.
Ich sah ihn fragend an.
Zack erwiederte meinen Blick mit einem wissenden Grinsen. "Das ist ein Tarnumhang. Verzauberbar, damit du ihn schrumpfen und immer mit dir herumtragen kannst.
Ich weiß, dass du immer noch nicht meinen Unsichtbarkeitszauber gemeistert hast, deshalb dachten wir, könntest du den gut gebrauchen. Damit du in Sicherheit bist. Marge hat auch was ausgelegt, du weißt ja, sie hatte auch nicht die Möglichkeit selber etwas zu besorgen."
Noch ein Schlag ins Gesicht.
Irgendetwas, ob Gott oder das Schicksal oder einfach nur purer Zufall wollte mir wohl ordentlich Gewissensbisse verpassen.
Ich wich Zacks Blick aus und verstaute den Umhang in meiner Tasche.
"Danke. Das ist echt lieb von euch."
Ich lehnte mich zurück und betrachtete die vorbeifahrenden Autos, während der Zug London verließ. Der Gedanke an den neuen Umgang in meiner Tasche fühlte sich falsch an.
Allmählich wichen die Wohngebiete Industriegebäuden, bis wir irgendwann nur noch an Feldern vorbeifuhren.
Leichter Nieselregen prasselte gegen das Fenster und ich schloss für einen Moment die Augen, die kalte Scheibe an der Stirn.
"Hast du schon das Kapitel zu Gegengiften durchgearbeitet?", riss Zack mich in die Gegenwart zurück.
"Klar", erwiederte ich. Eingesperrt in meinen Raum hatte ich nicht viel mehr machen können, als zu lernen.
Da waren zwar auch ein paar Lektüren aus der Bibliothek der Malfoys dabei gewesen, die nicht unbedingt zum Lehrplan passten, aber ich hatte genug Zeit für all meine Hausaufgaben gehabt.
Ich zog eine Grimasse bei dem Gedanken an die Silvesternacht, die ich über dem Zaubertrankbuch verbracht hatte, mit den Gedanken bei vorigem Neujahr.
Zack seufzte. "Im Gegensatz zu dem was Snape uns immer aufgehalst hat, ist Slughorn so viel entspannter. Ich frage mich wie Zaubertränke wohl wäre, wenn wir ihn von Anfang an gehabt hätten."
Ich hob eine Augenbraue. "Ich dachte, die Schulleistungen sind nicht vom Lehrer abhängig?"
Zack spitzte die Lippen. "Es gibt Ausnahmen."
Wir sahen uns einen Moment an, dann versackte das Gespräch wieder.
Gedankenversunken starrte ich aus dem Fenster, während Zack ein Quidditch-Magazin aus seiner Tasche hervorzog und darin herumblätterte.
Irgendwann schaltete ich meinen Discman ein und ließ mich von der Musik mittragen.
Meine Gedanken schweiften zu dem Todesser-Treffen an dem ich teilgenommen hatte und der Mission, die ich nun zusammen mit Malfoy erfüllen musste.
Die Angst zu Scheitern wurde von einem aufgeregten Flattern in meiner Brust übertönt, bei dem Gedanken daran, wie viel Zeit ich alleine mit dem Slytherin verbringen würde.
Bei dem Gedanken an den Weihnachtsabend schlich sich ein dämliches Grinsen auf meine Lippen.
Partners in Crime.
Noch während ich das dachte, kam ich mir dämlich vor und erinnerte mich daran, dass ich mit Zack in einem Abteil saß.
Rasch glättete ich meine Miene wieder und stellte meine Musik etwas leiser.
Ich hatte vor allem eine Aufgabe auf die ich mich konzentrieren musste, koste es was es wolle.
Alles andere war nebensächlich.***
Ja, ich lebe noch. Ich hätte selber nicht gedacht, dass ich dieses Kapitel heute noch hochlade, aber ich dachte das bin ich euch schuldig, nachdem ich wieder gefragt wurde, wann denn das nächste Kapitel käme.
Tatsächlich bin ich inzwischen wieder etwas motivierter als vorher.
Es ist erstaunlich, wie sehr man in fünf Monaten Ferien die Lust am Schreiben verliert- nur um nach zwei Wochen Uni wieder durchstarten zu wollen. Jetzt hab ich zwar wieder Motivation aber keine Zeit mehr✌
Ich werde wohl weiterhin unregelmäßig updaten, aber ich freue mich weiterhin über jeden Leser, der sich dazu entschließt, dran zu bleiben. Danke für euren Support!Bis zum nächsten Kapitel,
-Absolina <3
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The dark Lady
FanfictionSequel zu: She who can not be named ❥︎ Für Sam hat sich Alles geändert. Denn nicht nur scheinen die Beziehungen zu ihren Mitschülern völlig neue Wege einzuschlagen, sondern auch ihre eigenen moralischen Vorstellungen und Ziele erscheinen nun merkwür...