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Ich saß neben Zack am Ravenclaw-Tisch und aß eine Portion Kürbissuppe, während er mir ausführlich von seinen Ferien erzählte.
"Dad hatte den ganzen Sommer zu tun, du weißt ja, er ist ja zum Leiter der magischen Strafverfolgungspatroullie ernannt worden", erzählte er gerade, "ich glaube, deshalb hat mich Slughorn auch zu seinem Slug-Club eingeladen. Naja, ich glaube, du wirst im Laufe des Schuljahres auch noch irgendwie reinkommen, dann können wir zusammen da hingehen. Übrigens, was hast du nochmal in Arithmatik?"
Ich grinste. "Ein Ohnegleichen. Und ich bin mir sicher, dass ich ne bessere Punktzahl hab als du."
Zack verschränkte die Arme. Das war jetzt bestimmt schon das hundertste Mal, dass er mich zu meinen ZAGs ausfragte. Außer in Kräuterkunde hatte er in jedem Fach mit einem Ohnegleichen bestanden und obwohl die meisten nur von dieser Bilanz träumen konnten, ärgerte er sich sichtlich über den einen Makel in Form eines Annehmbar.
Meiner Meinung nach und auch der der anderen Ravenclaws glich es einem Wunder, dass er es überhaupt geschafft hatte, in Kräuterkunde zu bestehen. Das Fach hatte er natürlich trotzdem sofort abgewählt. Zack hatte genau eine Schwachstelle und dabei handelte es sich um den Umgang mit Lebewesen.
Und Adrenalinkicks. Na gut, vielleicht hatte er doch ein paar mehr Schwachstellen.
Ich hörte aufmerksam zu, während er von seinem Urlaub in Singapur, den ZAG-Prüfungen und Slughorn, den er heute kennengelernt hatte, erzählte, lächelte, wenn er sich über etwas freute und stieß ihm in die Seite, wenn er einen Insider-Witz erzählte.
Es war einfach, wieder in die Rolle von Sam Pears zu schlüpfen, Zacks bester Freundin, deren einzige Sorge darin bestand, auch dieses Jahr die bestmöglichsten Noten zu erzielen. Kein dunkler Lord, kein dunkles Mal, keine dunklen Geheimnisse.
"Ich frage mich wie alt Slughorn ist", überlegte ich mit einem Blick auf den walrossartigen Mann, der am Lehrertisch saß. Ich ließ meinen Blick über seine Figur schweifen. "Und wann er sich zuletzt bewegt hat. Er sieht so aus, als würde er sich nur durch Apparieren fortbewegen."
Zack kicherte. Ich hob grinsend eine Augenbraue. "Pass auf Zacky, so etwas macht bequemlich. Ich wette, dass du nach unserer Apparierprüfung nie wieder zu Fuß laufen wirst."
Angesprochener verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und funkelte mich schelmisch an. "Das gleiche gilt für dich. Aber ich wette, bis du apparieren kannst, habe ich das schon lange gemeistert."
"Ich wette dagegen", verkündete ich und beugte mich mit verengten Augen vor, "der Gewinner kriegt zwei Galleonen."
Zack schüttelte meine Hand.
"Abgemacht!"
Im nächsten Moment erhob Dumbledore sich von seinem Sitzplatz und die Speisen auf unseren Tellern verschwanden.
Die Gespräche verstummten, als alle sich dem Schulleiter zuwandten, um seiner Jahresansprache zuzuhören.
Ich war nicht die einzige, der die schwarz verkohlten Finger seiner linken Hand auffielen.
Mit einem Mal war ich wieder in der Rolle der Todesserin, die ihre Gegner analysierte. Konnte es sein, dass Dumbledore schwächer wurde?
Wenn, dann war der Sieg des Dunklen Lords schon viel wahrscheinlicher.
Bei dem Gedanken daran zupfte ich an meinem linken Ärmel herum.
Mrs Malfoy hatte mir offenbar neue Schuluniformen angeeignet, anstatt meine alten Roben aus dem Waisenheim zu bergen. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass sie zu sehr beschädigt waren oder ob die Malfoy sich einfach nicht die Mühe gemacht hatte, ein Muggeldorf aufzusuchen.
Jedenfalls waren die Ärmel etwas kürzer als die meiner alten Roben, die bis zu meinen Fingerknöcheln gereicht hatten. So hatte ich ständig das Gefühl, meine Ärmel richten zu müssen.
Ansonsten war der schwarze Umhang wie immer gefertigt, höchstwahrscheinlich von Madam Malkins. Der Rest meiner Uniform dagegen war aus deutlich hochwertigerer Herstellung als meine vorherige Bekleidung.
Meine Bluse war, wie auch meine Krawatte, aus kühler Seide gefertigt, und war an den Ärmeln mit silbernen Manschettenknöpfen geschmückt, während mein fein verarbeiteter Rock in perfekten Falten über meine Knie fiel. Die schwarze Strumpfhose passte sich perfekt meinen Beinen an, während die neuen Lederschuhe auf Hochglanz poliert waren.
So fühlte es sich also an, wenn man in einer Reinblüterfamilie aufwuchs.
Ich schielte zu Malfoy herüber. Ob seine Kleidung aus den selben Materialien gefertigt waren?
Ich zwang meine Aufmerksamkeit auf Dumbledore zurück.
Wieso dachte ich ausgerechnet jetzt über so etwas dämliches wie Kleidung nach?
Der Schulleiter sprach gerade die Sicherheitsvirkehrungen gegen die Todesser an, als mein Blick erneut auf Malfoy fiel. Während alle anderen interessiert zuhörten, ließ er desinteressiert eine Gabel schweben. Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange. Natürlich. Er hatte den gesamten Sommer in einem Haus mit dem Dunklen Lord verbracht, da scherte er sich nicht um irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen. Weder er noch ich mussten sich irgendwie vor Todessern fürchten.
Er merkte nicht, dass ich ihn anstarrte; irgendwann wurde es mir langweilig und ich sah wieder weg.
Nach wenigen Minuten entließ Dumbledore uns und unter allgemeinem Lärm wurden Bänke zurückgeschrieben, Schüler sprangen auf und Erstklässler wuselten herum.
Anthony und Padma bemühten sich darum, die Neuzugänge aus Ravenclaw einzusammeln, während Zack und ich uns durch die Menge aus der Halle herausdrängten.
Draußen auf dem Gang liefen wir dicht hinter einer Gruppe an Slytherins, unter der sich auch Malfoy befand.
Er erzählte zum wiederholten Male davon, dass er Potter im Zug überwältigt habe und imitierte zur Unterhaltung der anderen, wie er seine Nase gebrochen hatte, als er bewegungslos am Boden saß.
Ich ignorierte Malfoy betont und hoffte, dass er mich nicht bemerken würde, doch Zack und Marge, die neben mir liefen, wurden zunehmend genervter.
Schließlich schoss die Hufflepuff vor.
"Kannst du endlich deine Klappe halten, Malfoy? Nicht alle haben den gleichen beschränkten Humor wie du und deine Freunde. Ihr nervt!"
Malfoy blieb abprubt stehen und bedeutete den anderen Slytherins mit einem Handzeichen, es ihm gleich zutun.
Er drehte sich zu Marge um.
"Daugherty", setzte er an, "ich hatte nicht erwartet, dich dieses Schuljahr zu sehen. Bist du dir wirklich sicher, dass du es mit den UTZ versuchen willst? Ich würde mir die Enttäuschung sparen."
Marge hob das Kinn, doch Zack schob sich vor und antwortete an ihrer Stelle.
"Sei leise Malfoy. Ich bin mir sicher, dass deine ZAGs schlechter sind als meine."
Malfoy hob eine Augenbraue.
"Ach ja? Nun, ich bin mir sicher, dass ich mindestens in Kräuterkunde besser abgeschnitten habe als du. Wie fühlt es sich an, in diesem Loserfach so zu schwächeln?"
Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen. Zack ballte augenblicklich die Fäuste. "Ich habe besser abgeschnitten als du denkst", knurrte er leise, "wie sieht es bei dir in Verteidigung gegen die dunklen Künste aus? Ich bin mir sicher, dass jemand wie du in so einem Fach nicht weit kommt."
Malfoys Miene verhärtete sich bei diesen Worten.
"Wenn ihr uns entschuldigt", rief ich dazwischen und schlang meine Arme um meine Freunde.
Das war das erste Mal an diesem Tag, dass ich mit Malfoy einen Blick tauschte.
Seine grauen Augen bohrten sich in meine.
"Guten Abend, Malfoy."
Mit diesen Worten zog ich Zack und Marge von den Slytherins fort und zwang sie dazu, mit mir den Gang entlangzulaufen.
"Was sollte das!?", empörte sich Zack, "du hast uns total blamiert!"
Marge wand sich in meinem Griff, um sich den Slytherins zuzuwenden und die Zähne in ihre Richtung zu fletschen.
Ich verschnellerte mein Tempo.
"Ihr seid absolut kindisch!", beschwerte ich mich genervt, "ich habe keine Lust mehr, mich mit Malfoy zu prügeln als wären wir Drittklässler!"
Das hatte ich wirklich nicht. Bei dem Gedanken daran, mich mit ihm zu streiten, durchflutete mich ein Gefühl der Genervtheit. Zumindest bei diesen Gruppenkonfrontationen. Was nicht hieß, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte... jetzt wo ich auf Seiten des Dunklen Lords agierte, machte er mich irgendwie neugierig. Schließlich war es sein Haus, in dem die Todesser residierten.
Ich wollte wissen, inwiefern er damit zu tun hatte... aber dafür musste ich mich nicht direkt am ersten Abend mit den Slytherins streiten.
Am Kellereingang verabschiedeten wir uns von Marge, um daraufhin zu zweit die Wendeltreppe hinaufzulaufen.
Zack rannte beinahe, um der erste zu sein, der den Gemeinschaftsraum zu erreichen.
Ich dagegen drosselte das Tempo ein wenig.
Wenn es nach mir ginge, sollte das nächste Schuljahr in Zeitlupe vergehen.
Ich wusste nicht, wie lange für uns noch Normalität herrschen würde.

The dark LadyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt