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Als ich aus dem sorgsam geputzten Kamin heraustrat, fand ich mich in einem ausladenden Saal wieder.
Die steinernen Wände waren mit grün-silbernen Wandteppichen behangen, die Bodenfliesen bildeten ein aufwändiges Mosaikmuster.
In der Mitte des Raumes hing ein schwerer Kronleuchter.
Zu meiner Rechten befanden sich zwei steinerne Treppen, die auf eine Galerie in der oberen Etage führten, ihnen gegenüber stand eine große Tür aus dunklem Eichenholz.
Durch die hohen Fenster schien das rote Licht der untergehenden Sonne.
Ich befand mich in der Eingangshalle des Malfoy Manors.
Erleichtert stellte ich fest, dass der Schmerz in meinem Unterarm nachließ, wenn er auch anhielt.
Hier lebte Malfoy also.
Erneut ließ ich meinen Blick durch den ausladenden Raum schweifen. Ob wohl der Rest des Hauses auch so penibel und ... kalt war?
Das Klacken von Absätzen ertönte neben mir, hallte von den hohen Wänden wider.
Ich sammelte mich kurz, bevor ich bemüht neutral in die Richtung sah, aus der die Schritte kamen.
Nervisität kroch in mir hoch, angesichts dessen, was nun kommen mochte. Würde ich den dunklen Lord erneut sehen?
Eine Frau mittleren Alters näherte sich mir, die ich als Malfoys Mutter erkannte.
Ihre blonden Haare waren zu einer Hochsteckfrisur frisiert und ihr schwarzer Umhang bauschte sich um sie herum auf.
Ihr Blick war gehetzt und sie musterte mich nervös.
"Miss Pears", sagte sie streng, als sie bei mir angekommen war. "Du bist zu spät."
Erleichterung durchströmte mich, angesichts der Art und Weise wie sie mich ansprach. Offenbar wusste sie nicht, in welcher Beziehung ich zum dunklen Lord stand, was bedeutete, dass sie mich wie eine normale Person behandeln würde.
"Entschuldigen sie", gab ich zurück, "ich wurde aufgehalten, unter anderem von ihrem Sohn."
Bei der Erwähnung Dracos schluckte sie merklich.
"Ich schätze die Beteiligten müssen nicht namentlich genannt werden", erwiederte sie tonlos, bevor sie mir ein Stück Stoff zusammen mit einer Maske reichte.
"Zieh das an. Du sollst nicht erkannt werden."
Zögerlich faltete ich den schwarzen Stoff auseinander, bei dem es sich um eine schlichte Robe handelte, die meinen Körper vollkommen verhüllen würde.
Sie hatte eine spitz zulaufende Kapuze, unter der ich meine Haare verbergen konnte.
Ich reichte der Malfoy meinen Hogwarts-Umhang, bevor ich die Todesser-Uniform überzog. Der Stoff reichte mir bis zu den Füßen und Misfallen breitete sich in mir aus, darüber, dass ich nun wirklich wie eine Todesserin aussah.
Ich erkannte die silberne Maske von letztem Sommer wieder.
Nun, diese Aufmachung würde meine Identität verhüllen.
Mrs Malfoy musterte mich kurz, bevor sie mir die Arme auf die Schultern legte.
"Ich bringe dich jetzt zum dunklen Lord.
Ich weiß nicht, wie du da reingeraten bist, Mädchen. Aber-", sie zog mich näher an sich heran, um mir ins Ohr flüstern zu können, "pass auf dich auf."
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und durchquerte die Halle.
Für einen Moment blickte ich ihr nur nach. Das war eine Warnung gewesen. Eine Warnung vor dem, was passierte, wenn ich weiterhin den Weg beschritt, den ich eingeschlagen hatte.
Das Problem war nur, dass ich keine Wahl hatte.
Seufzend setzte ich mich in Bewegung und folgte ihr.
Die Porträts der Vorfahren der Malfoys starrten mir nach, während ich an ihren Bilderrahmen vorbei- und ihrer Erbin nachlief. Sie alle hatten die gleichen platinblonden Haare und bleichen Gesichter.
Am Ende des Saals, zwischen den beiden Treppen, befand sich eine dunkle Flügeltür, die Mrs Malfoy nun durchschritt.
"Sam Pears, Mylord", ertönte ihre Stimme aus dem Inneren des Raumes, während ich mich sammelte.
Bei dem Gedanken an die Person, die mich im Inneren erwartete, überlief mich ein Schaudern.
Wie sollte ich mich verhalten? Was konnte er von mir wollen?
Ich merkte, dass ich schon zu lange zögerte, also riss ich mich zusammen und überschritt mit pochendem Herzen die Türschwelle.
Der dahinterliegende Raum war noch größer als die Eingangshalle. Er war ähnlich eingerichtet, mit grün-silberner Dekoration, dunklem Holz und prunkvollen Kronleuchtern. Die Wände waren zum Teil Holzvertäfelt und an zwei Enden des Raumes prasselten Feuer im Kamin, sodass eine etwas gemütlichere Atmosphäre entstand.
Um einen der Kamine war eine Sitzgruppe aus geschmackvollen Möbeln aufgereiht.
In einen der Sessel thronte eine schmale Gestalt.
"Narzissa", sprach der dunkle Lord mit seiner kalten Stimme, "Lass uns alleine."
Mir lief ein Schauder über den Rücken, als ich seine Stimme hörte. Das letzte Mal, dass ich dies getan hatte, war vor einem Jahr gewesen... auf dem Friedhof von Little Hangleton.
Ich hatte gewusst, dass ich nicht darum herumkam, ihm wiederzubegegnen, doch nichts hätte mich hierauf vorbereiten können.
Ich dachte, ich wäre für ein Wiedersehen mit dem dunklen Lord gewappnet- stattdessen war ich wie gelähmt.
Die Angst kroch durch meinen Körper, steckte in meinen Knochen.
Ich konnte ihn nur anstarren- wie die Beute im Angesicht des Räubers.
Als Mrs Malfoy den Raum verließ, wollte ich sie festhalten, wollte ihr hinterherschreien, sie solle mich nicht alleine lassen.
Doch ich tat nichts dergleichen.
Sobald die Frau uns verlassen hatte, erhob sich der dunkle Lord aus seinen Sessel, breitete seine Arme aus.
"Samantha. Ich hatte dich früher erwartet."
Ich öffnete meinen Mund, suchte nach Worten- schloss ihn wieder.
"Ich- entschuldigt ... Mylord. Ich bin so schnell hergekommen wie möglich."
Ich bemühte mich darum, Haltung zu bewahren, das Zittern zu verbergen, das durch meine Fingerspitzen fuhr.
Lange war ich nicht mehr um Worte verlegen gewesen. Doch diese Präsenz fegte all mein Selbstbewusstsein beiseite als wäre es nie dagewesen.
Um seine Füße schlängelte sich eine Schlange, die so dick war wie mein Oberschenkel.
"Ich erwarte, dass du in Zukunft zuverlässiger bist, Tochter."
Ich zuckte zusammen bei der Anrede, mit der er mich bedachte.
Bemüht respektvoll beugte ich den Kopf.
"Es wird nicht wieder vorkommen. Die Umstände in Hogwarts sind ... kompliziert."
Erleichtert stellte ich fest, dass meine Stimme wieder gefestigter war.
"Sind sie das?", erwiederte der dunkle Lord und näherte sich mir.
Ich hielt die Luft an.
"Sag Samantha- wie alt bist du?"
Überrascht blickte ich dem dunklen Lord ins Gesicht. Seine roten Augen bohrten sich in meine.
"Ihr wollt wissen, wie alt ich bin!?"
Fast hätte ich gefragt, wieso er das nicht wusste. Immerhin war ich seine Tochter.
Ein Gefühl von Enttäuschung durchströmte mich, angesichts dessen.
Doch die offene Zurschaustellen dieser Gefühle würden mich nur schwach dastehen lassen."
"Sechzehn, Mylord", erwiederte ich.
"Sechzehn", wiederholte mein Gegenüber.
"Nun ... dann dürftest du nächstes Jahr Apparieren lernen. Ich erwarte, dass du dann auf der Stelle bei mir bist, wenn ich dich rufe."
"Natürlich, Mylord."
Der dunkle Lord faltete die Hände auf dem Rücken und durchschritt den Raum.
Es hätte beinahe menschlich gewirkt, wenn seine Bewegungen nicht so merkwürdig flüssig gewesen wären- zu flüssig, zu unnatürlich.
"Du fragst dich sicher, zu welchem Anlass du hier bist", erhob der dunkle Lord die Stimme.
"Nun. Ich werde dir eine Antwort darauf liefern.
In dem Moment, in den wir hier sprechen ist Harry Potter-", er sprach diesen Namen aus als wäre er ein Schimpfwort, "auf dem Weg in das Zaubereiministerium. Ich habe ihn durch einen Trick dorthin gelockt- er glaubt, dass sein Patenonkel Sirius Black dort gefangen gehalten wird."
Ich zog die Augenbrauen zusammen. Sirius Black? Wieso sollte Harry für Sirius Black halb Großbritannien durchqueren? Hatte er vor zwei Jahren nicht versucht, ihn umzubringen, nachdem er für den Tod seiner Eltern verantwortlich gewesen war?
Oder wollte Harry Rache? Irgendwie passte das nicht ins Bild-
Der dunkle Lord kicherte leise.
"Potter hegt keinen Groll gegen Black, Samantha. Er will Black retten. Tatsächlich ist Black unschuldig. Mein Diener Wurmschwanz, du hast bereits seine Bekanntschaft gemacht, hat damals ihm die Schuld am Tode der Potters in die Schuhe geschoben.
Ich habe Potter glauben gemacht, sein Patenonkel befände sich in Gefahr... aber es handelt sich um eine Falle.
Im Ministerium befindet sich etwas, das er für mich beschaffen muss. Und wir beide werden ihm gleich einen Besuch abstatten und sie ihm abnehmen."
Ich erschauderte. Die Vorstellung, Harry gegenüberzutreten. Auf der Seite seines Erzfeindes...
"Zieh deine Maske an", ordnete dieser schließlich an, "es ist Zeit."
Immer noch erschlagen von dem, was ich gerade erfahren hatte, leistete ich seiner Aufforderung Folge.
Zog mir die Kapuze über. Legte die Maske auf mein Gesicht. Das Metall lag eisig auf meiner Haut. Es würde mich verbergen, meine Identität schützen.
Der dunkle Lord streckte seinen Arm aus.
Wortlos lief ich zu ihm herüber und stellte mich neben ihn.
Es war merkwürdig, mich bei ihm unterzuhaken, als wären wir vertraut.
Ein unangenehmes Ziehen breitete sich in meinem Magen aus und die Farben um mich herum verliefen, während ich durch eine Art Schlauch gezogen wurde.

The dark LadyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt