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Das Schuljahr hatte gerade einmal vor zwei Wochen begonnen und wir steckten jetzt schon in Bergen an Arbeit. Die Hausaufgaben, die wir täglich aufbekamen, glichen in der Menge der, die wir sonst immer erst vor anstehenden Prüfungen zu erwarten hatten, doch jetzt wo wir unsere ZAGs hatten, wurden die Zügel straffer gezogen. Die nächsten zwei Jahre bis zu den UTZ' würden Jahre harter Arbeit sein.
Allerdings bedeutete das nicht, dass ich weniger Freizeit als vorher hatte.
Tatsächlich hatten wir Sechstklässler nun regelmäßig Freistunden zwischen den Fächern, in denen ich meistens einen Großteil der Arbeit erledigen konnte.
Ein bisschen beneidete ich Marge, die mit den nur drei Fächern, die sie belegt hatte, jede Menge Zeit hatte. Trotzdem ergab sie sich ihrem Schicksal und verbrachte die meiste Zeit mit Lernen.
Abermals suchte ich die Ländereien in meiner Umgebung nach ihr ab. Vergeblich.
Marge hatte sowohl Kräuterkunde als auch Pflege magischer Geschöpfe weitergewählt, die beide draußen stattfanden, doch ich musste mich wohl damit zufriedengeben, dass sie mich nicht in den Kräuterkunde-Unterricht begleiten konnte.
Da Zack das Fach als allererste Maßnahme abgewählt hatte, musste ich mich wohl ohne ihn herumschlagen.
Zumindest waren aus meinem Haus noch Mandy und Lisa dabei, auch wenn die beiden nicht gerade zu meinen Lieblingsmenschen zählten.
Als ich vor den Gewächshäusern wartete, stellten sich die beiden nacheinander zu mir und ich hörte ihren Gesprächen zu, während wir auf Professor Sprout warteten.
Mit der Zeit trafen auch die anderen Schüler ein, die wie nicht anders erwartet überwiegend aus Gryffindors und Hufflepuffs bestanden. Unter ihnen entdeckte ich auch Harry, Ron und Hermine.
Zu den wenigen Slytherins gehörten Crabbe und Goyle, die ich in letzter Zeit nur sehr selten zu Gesicht bekam und zu meinem Erstaunen auch Malfoy, der sich desinteressiert mit Parkinson unterhielt.
Schließlich öffnete sich die Tür von einem der Gewächshäuser und Sprout steckte ihren Kopf heraus.
"Kommt rüber, wir sind heute in Gewächshaus drei, ihr seid ja UTZ-Schüler."
Sie winkte uns strahlend heran, während wir uns teils murrend teils gespannt näherten.
Man merkte auf Anhieb, wer hier aus Leidenschaft war und wer für seinen späteren Beruf oder Ähnliches.
Ich warf einen Blick auf Crabbe und Goyle und hoffte für Marge, dass die beiden nicht mehr UTZe belegten als sie.
Die Klasse schlüpfte in das feuchtwarme Innere des Gewächshauses und stellte sich um Professor Sprouts Pult herum auf.
Diese schob den Topf mit einer Pflanze darin heran, die aussah wie ein knorriger Baumstumpf. An sich sah er friedlich aus, doch die aus Schutzbrillen, -handschuhen und Mundschutzen bestehende Ausstattung daneben deutete an, dass der Schein wohl trügte.
"Guten Morgen, Schüler. Wie ihr hier seht, beginnen wir heute mit dem neuen Projekt dieses Trimesters. Dieses wird sich mit der Pflege und Ernte des Snargaluff-Baumes befassen."
Sie deutete auf die Pflanze hinter sich.
"Kann mir jemand etwas genaueres darüber sagen?"
Zwei Hände schossen hoch. Die eine gehörte wie gewohnt zu Hermine, die andere zu Neville.
Professor Sprout lächelte letzteren ermutigend an. "Mr Longbottom."
"Der Snargaluff-Baum sieht unscheinbar und harmlos aus, aber wenn er berührt wird, kommen aus seiner Spitze stachelige Ranken, die um sich schlagen und zu starken Verletzungen führen können. Seine Früchte sind im Stamm gelagert, an die man nur durch die obere Öffnung kommt. Deshalb ist die Ernte sehr gefährlich."
"Sehr gut, fünf Punkte für Gryffindor", Professor Sprout klatsche in die Hände und nahm sich etwas von der Schutzausrüstung.
"Ich werde euch jetzt zeigen, wie ihr die Ranken des Snargaluff-Baumes fixiert und abwehrt, damit wir bald mit der Ernte beginnen können.
Danach möchte ich, dass ihr in Pärchen zusammenkommt und gemeinsam übt."
Sie klatschte in die Hände.
"Nun gut, dann lasst uns starten!"
Professor Sprout stupste die Pflanze an, woraufhin wie von Neville beschrieben stachelige Ranken aus ihr herausschossen.
Die Kräuterhexe demonstrierte uns daraufhin verschiedene Techniken, um die Ranken miteinander zu verknoten, abzulenken oder festzuhalten.
Als sie schließlich fertig war, hielten die Schüler großen Abstand zu dem Baum, während sie sich ihre Schutzausrüstung holten.
Ich streifte mir die dicken Handschuhe über und sah mich um. Die meisten hatten schon Pärchen gebildet, darunter auch Mandy und Lisa.
Ich seufzte. Natürlich arbeiteten die beiden ohne mich.
Ich ließ meinen Blick weiterschweifen. Malfoy war in einer Dreiergruppe mit Crabbe und Goyle, vielleicht konnte ich dann auch einfach-
"Hey"
Ich zuckte zusammen.
Vor mir stand eine blonde Hufflepuff, die mich freundlich anlächelte. Hannah Abbott, wenn ich mich nicht irrte.
Sie deutete auf einen leeren Tisch mit einem Snargaluff-Baum darauf. "Ich hab noch keinen Partner. Machst du mit mir?"
Ich ließ meinen Blick zwischen ihr und dem Baum hin und her wandern, bevor ich ihr Grinsen erwiederte.
"Klar."
Gemeinsam liefen wir zu unserer Arbeitsstelle herüber und begannen damit, den Baum zu untersuchen.
Ich schlug zunächst unser Buch für Kräuterkunde auf, um zu überprüfen, ob die Pflanze im Richtigen Zustand war.
Als wir damit schließlich fertig waren, holte such Hannah noch schnell eine Schutzbrille, damit wir mit den Techniken beginnen konnten.
Sie war gerade dabei, zu unserem Tisch zurückzukehren, als auf einmal die Tür aufflog und McGonagall hereingestürmt kam.
Alle Köpfe drehten sich der Hauslehrerin Gryffindors zu.
Deren Blick durchstreifte suchend die Menge, bis er an Hannah hängen blieb.
Ihre Miene wurde weich.
"Miss Abbott", sagte sie sanft, "kommen sie bitte mit in Professor Dumbledores Büro."
Für einen Moment regte Hannah sich nicht- dann legte sie langsam ihre Schutzbrille neben mir ab uns lief zu Professor McGonagall herüber.
Die hielt ihr die Tür auf, bevor beide das Gewächshaus verließen.
Die Klasse war still.
Bevor irgendwer in Geplapper ausbrechen konnte, klatsche Sprout in die Hände.
"Alle Mann wieder an die Arbeit, das was gerade passiert ist, geht nur Miss Abbott etwas an", ihr Blick blieb an mir hängen, bevor sie zu einem anderen Tisch herüber sah.
"Mr Malfoy! Sie arbeiten mit Miss Pears weiter!"
Die Klasse ging wieder im Gemurmel der Schüler unter, während mir das Herz bis zum Hals schlug.
Jemand stellte sich neben mich und ich hielt meinen Blick starr auf den Baum vor mir gerichtet.
Warum ausgerechnet Malfoy!?
Seit unserem Streitgespräch vor einer Woche hatte ich nicht mehr mit ihm geredet und ich hatte das Gefühl, dass er immer noch sauer auf mich war. Was immer ich unterbrochen hatte, es hatte ihn stark aus der Bahn geworfen.
Er war der Erste, der sprach.
"Willst du da Wurzeln schlagen, Pears? Wir sollen den Baum fixieren."
Ich wagte einen Blick zur Seite, von wo Malfoy auf mich herabblickte.
Nun, wir waren eigentlich fast gleich groß, doch unter seinem bohrenden Blick fühlte ich mich viel kleiner.
In seiner Schutzbrille klemmte eine Haarsträhne, die aus seinem Pony gefallen war.
"Ok", sagte ich, "ähm- willst du-"
"Du fängst an", bestimmte Malfoy und beugte sich vor, um den Baum zu berühren.
Während er schnell nach hinten sprang, schossen schon die gefährlichen Ranken aus dem Baumstumpf und ich riss im letzten Moment die Arme hoch, um mein Gesicht zu schützen.
Die Dornen peitschten über die Schutzhandschuhe und ich war froh, dass ich sie trug.
"Spinnst du!?", schrie ich Malfoy an, "ich war nicht vorbereitet!"
Der Slytherin grinste jedoch nur hämisch und lehnte sich an einen gegenüberliegenden Tisch.
Panisch versuchte ich die Ranken zusammenzuknoten, doch es waren einfach zu viele.
Jedes Mal wenn ich ein Paar fixierte, griff mich ein Anderes an und ich musste wieder von vorne beginnen.
Ich machte mich gerade darauf gefasst, wieder eine Ranke loszulassen, um eine andere abzuwehren, als diese von einer behandschuhten Hand abgefangen wurde.
Überrascht ließ ich meine Ranken los.
Malfoy sah mich belustigt an.
"Du sahst aus, als könntest du Hilfe gebrauchen."
Ich kniff meine Augen zusammen.
"Oh, das hast du gut erkannt, Malfoy."
Ich hob demonstrativ meinen Arm an und zeigte ihm einen Riss in meinem Ärmel.
"Wenn mein Umhang gleich ruiniert ist, ist das deine Schuld."
Der Slytherin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und machte sich daran, zwei Ranken zu fixieren.
Seufzend beugte ich mich zu ihm herüber, um die anderen davon abzuhalten ihn anzugreifen.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du Kräuterkunde weitergewählt hast", sprach ich meine Überraschung von vorhin aus.
Malfoy wich einer Ranke aus, wobei er gefährlich nah an mich heranrückte.
"Ich hätte das gleiche auch nicht von dir erwartet", gab er herausfordernd zurück.
Als er sich mir zuwandte, war sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt.
Er hatte gerade zu einer Erläuterung angesetzt, doch dann verstummte er.
Auf einmal vergaß ich alles um mich herum.
Da waren nur noch seine Augen, sturmgrau, auf meinen, sein Blick, der zu meinen Lippen wanderte-
Auf einmal fuhr etwas Dunkles über seine Wange, hinterließ einen roten Strich.
"Au, verdammt!", rief er aus und schlug mit einer Schaufel gegen die Ranke.
Ich wandte mich ebenfalls wieder dem Snargaluff-Baum zu und half Malfoy dabei, die Ranken wieder ins Innere des Baumstumpfes zu treiben.
Wir arbeiteten gut zusammen- ich knotete die Ranken zusammen, während er die anderen abwehrte und umgekehrt.
Ab und zu streiften sich unsere Finger oder unsere Schultern stießen aneinander, wenn einer sich über den anderen lehnte, doch den Rest der Zeit verbrachten wir schweigend.
Als die Stunde zuende ging und wir aufgeräumt hatten, lehnte Malfoy sich noch einmal zu mir herüber.
"Ich bin froh, dass du Kräuterkunde weitergewählt hast."
Ich wollte etwas erwiedern, doch er hatte das Gewächshaus bereits verlassen.

Eine Woche später fand unser erstes Hogsmeade-Wochenende statt.
Mit Malfoy hatte ich seit der Stunde in Kräuterkunde nicht mehr geredet, hauptsächlich weil einfach immer jemand von unseren Freunden dabei war, wenn wir uns über den Weg liefen, die sich allesamt nicht miteinander verstanden.
Es wäre extrem merkwürdig, wenn wir in der Situation plötzlich aufeinander zukommen und small-talk halten würden.
Außerdem schenkte mir Malfoy gar keine Beachtung.
Wann immer ich zu ihm sah, starrte er in die Ferne, in irgendwelche Gedanken vertieft, oder blödelte mit den anderen Slytherins herum.
Seine Spielereien waren dick aufgetragen wie immer, doch allmählich fragte ich mich, ob da noch mehr hinter steckte.
Wenn Zabini, der gerade über seinen Witz gelacht hatte, sich kurz zu Parkinson umwandte oder wenn die Aufmerksamkeit auf dem Unterricht lag, verlor Malfoys Miene den schelmischen, fröhlichen Glanz. Er wirkte grüblerisch, besorgt, als würde ihn irgendetwas beschäftigen.
Und im nächsten Moment ahmte er schon wieder einen Erstklässler nach, der sich in einer der Treppen festgeklemmt hatte.
"Was meinst du, Sam?"
Marges Stimme riss mich aus meinen Grübeleien und ich bemühte mich, Malfoy aus meinen Gedanken zu vertreiben.
Ich wandte mich zu ihr und erwiederte ihren fragenden Blick.
Was wollte sie von mir? Bis gerade eben hatte sie mit Zack noch diskutiert, wo wir hingehen sollten.
Doch der Anblick von Hogsmeade, der sich uns nun bot, war mehr als enttäuschend. Außer den Drei Besen waren fast alle Geschäfte geschlossen, die triste Stimmung wurde von der kühlen Herbstluft nur unterstrichen.
Ich deutete auf den Pub. "Ich würd sagen, lasst uns ein Butterbier trinken."
"Sag ich doch. Wenn du nicht zum Eberkopf willst..."
"Dann schnell", knurrte Marge und zog uns in das Geschäft. Am Eingang schubste sie zwei Drittklässler beiseite, "halb Hogwarts ist hier drinnen."
Mit viel Glück und Marges Ellenbogen schafften wir es tatsächlich einen Tisch in der Nähe der Toilette zu ergattern.
Marge rümpfte die Nase. "Wir sitzen mitten im Gang."
Zack zuckte die Schultern. "Immerhin sitzen wir."
Er stand auf. "Ich gehe uns Getränke holen."
Mit diesen Worten lief er zur Theke herüber, um uns Butterbier zu bestellen.
Ich verschränkte die Finger unterm Kinn und musterte Marge.
Diese schoss gerade Katie Bell böse Blicke zu, welche aus der Toilette kam.
"Das ist wirklich der beschissenste Platz, den man haben kann. Jetzt muss ich die ganze Zeit lang die Gesichter von irgendwelchen Idioten ertragen, die ihre Blase nicht unter Kontrolle haben."
Ich unterdrückte ein Kichern, doch konnte den amüsierten Ton in meiner Stimme nicht ganz verbergen.
"Du beschwerst dich gerade echt über Leute, die mal aufs Klo müssen?"
Marge schnaubte. "Da gibt's nichts zu Lachen. Ich muss auch mal ein bisschen Luft ablassen, wenn ich schon den ganzen Tag in der Bibliothek hocken muss."
In diesem Moment kehrte Zack mit den Getränken zu unserem Platz zurück und ließ sich auf seinem Stuhl nieder.
Ich nahm einen Schluck von meinem Butterbier, das sogleich meine Brust wärmte.
"Sind Kräuterkunde und Pflege nicht eher praktisch?", erkundigte sich Zack.
Marge starrte missmutig ihr Butterbier an.
"Das habe ich am Anfang auch gedacht..."
Sie führte den Gedanken nicht weiter aus und ich tauschte einen Blick mit Zack.
"Naja, zumindest bist du nächstes Jahr fertig, dann musst du gar nicht mehr lernen."
Doch Marge seufzte nur. "Das ist das Promblem. Ich weiß nicht, wohin danach. Ich will nicht zu meiner Familie und-"
Sie trank einen Schluck ihres Butterbiers.
Zack runzelte besorgt die Stirn. "Denkst du nächstes Jahr wird es - ihr wisst schon - schlimmer?"
"Es kann nur schlimmer werden", gab Marge zurück, "Das Ministerium hat viel zu spät auf die Umstände reagiert, wir hätten uns schon letztes Jahr vorbereiten müssen. Hoffen wir, dass es nicht zu spät wird."
Marge umklammerte ihr Glas wie einen Rettungsring, während Zack die Linien des Holztisches nachzeichnete. Ein beklemmtes Schweigen hatte sich zwischen uns ausgebreitet, während ich meine beiden Freunde eingehend musterte.
Ich würde dafür sorgen, dass sie in Sicherheit waren. Sie wussten es nur noch nicht.

***

Guten  Morgen allerseits!
Wie angekündigt kommt heute pünktlich das neue Kapitel! Yay!
Und je nachdem wo mein Geschreibsel hinführt, dürfte es im Nächsten spannend werden, also könnt ihr euch schonmal freuen.
Wann das rauskommt, kann ich allerdings noch nicht sagen, da ich im Moment im Urlaub bin und nicht viele Gelegenheiten zum Schreiben habe. Daher gehe ich eher davon aus, dass nächste Woche nichts kommt.

Wie auch immer,
Euch eine schöne Woche, wir lesen uns im nächsten Kapitel!
-Absolina^^

The dark LadyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt