Die Gespräche in der Großen Halle waren leiser als sonst.
Von Anfang an, seit ich das Schulgebäude betreten hatte, hatte eine bedrückte Stimmung über der Schule gehangen, die seit Snapes Ansprache das Abendessen dominierte.
Während die Schüler normalerweise zwar müde von der langen Fahrt waren, jedoch immer noch genug Gesprächsthemen hatten, über die sie noch den ganzen Abend über lauthals diskutieren konnten, hielten sich nun Viele bedeckter, als fürchteten sie, belauscht zu werden.
Ich sah herüber zum Lehrertisch.
Snape, der nach Dumbledores Tod zum Schulleiter ernannt worden war, hatte in der Mitte des Tisches Platz genommen, das Kollegium um sich geschart.
Der Großteil der Lehrerschaft hatte sich nicht verändert, abgesehen von dem alljährlich wechselndem Posten für Verteidigung gegen die dunklen Künste und dem für Muggelkunde, da Bagshot vor meinen Augen getötet worden war.
Beide Posten wurden von den Carrow-Geschwistern, Alecto und Amycus, besetzt, die offen Todesser waren.
Ich bezweifelte, dass die beiden als Lehrer wirklich Verantwortung tragen konnten, doch sie würden der Einschüchterung dienen und die Abläufe innerhalb der Schule unter Kontrolle halten.
Spätestens nachdem Snape die beiden vorgestellt hatte, war dies Allen bewusst, selbst den Erstklässlern, von denen auffällig viele nach Slytherin sortiert worden waren.
Auch Ravenclaw hatte viel Neuzugang, zumindest im Vergleich zu Gryffindor und Hufflepuff. Wahrscheinlich hatten einige Eltern ihren Kindern eingebläut, dass es besser wäre, nicht dem Haus beizutreten, das sich am meisten gegen die neue Regierung sträubte.
Von meinem Platz aus konnte ich nicht viel sehen, da die Siebtklässler normalerweise am anderen Ende der Halle saßen.
Einige Plätze weiter hatten meine Mitschüler Platz genommen, doch abgesehen von ein Paar vorwurfsvollen Blicken, die mir hie und da zugeworfen wurden, ignorierten sie mich so gut es ging.
Ich wusste, dass ich von keinem der Ravenclaws Entgegenkommen erwarten konnte, daher ignorierte ich sie ebenfalls. Immerhin hatte ich vor wenigen Wochen noch gegen sie gekämpft, an der Seite von Todessern, die ich höchstpersönlich in die Schule geschleust hatte.
Früher am Abend hatte ich kurz mit Zack Blickkontakt gehabt, der jedoch eisig weggeschaut und sich so weit weg wie möglich von mir fort gesetzt hatte.
Angespannt stocherte ich in meiner Suppe herum.
Ich hatte gewusst, dass dieses Schuljahr unangenehm für mich werden könnte, doch auf das Gefühl so offensichtlich ausgegrenzt zu werden, war ich nicht vorbereitet gewesen.
Noch vor wenigen Monaten hatte ich normal mit diesen Menschen geredet, gelacht, hatte gemeinsam mit ihnen gelernt und in einem Raum geschlafen.
Jetzt fühlte es sich an, als wäre diese Welt merkwürdig verdreht worden, auf den Kopf gestellt, als hätte man sie an den Beinen gepackt und so lange geschüttelt, bis alles durcheinander war und nicht mehr ganz recht zusammenpasste.
Ich wusste, dass ich selbst dafür verantwortlich war. Und auch, dass ich mich davon nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen durfte.
Ich konnte es mir nicht erlauben, Schwäche zu zeigen und meinen Mitschülern gegenüber einzuknicken.
Sich gegenseitig zu ignorieren war da noch die einfachste Hürde.
Als Snape das Abendessen für beendet erklärte, blieb ich noch eine Weile sitzen.
Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, ich hätte es eilig, Abstand zu gewinnen, so als hätte ich mir einen Fehler eingestanden, für den ich mich nun schämte.
Also betrachtete ich nun meine Fingenägel, während die ersten Erstklässler aufsprangen und sich um Padma und Zack scharten.
Mit den beiden brachen auch die restlichen Ravenclaws auf und ich erhob mich ebenfalls, um ihnen langsam hinterher zu schlendern.
Ich ging in meinem Kopf die Freunde durch, die ich gehabt hatte.
Zack, der seit Tag eins mein bester Freund gewesen war. Marge, die auf ihre mürrische Art trotzdem liebenswert war.
Meine Klassenkameraden aus Ravenclaw, mit denen ich häufig zusammengesessen hatte. Das Ravenclaw-Quidditch Team. Und die DA, mit der ich gegen die Todesser trainiert hatte.
Und jetzt hatte ich die Seiten gewechselt und all diese Kontakte waren von einem auf den anderen Tag weggebrochen. Da sah man, was Freundschaft bedeutete.
Man konnte die tiefsten Verbindungen knüpfen, aber mit genug Gewalt ließen auch diese sich wieder kappen.
Es war besser so. Ein Freund auf der falschen Seite des Schlachtfeldes würde mich nur meine Entschlossenheit kosten.
Der Einzige, der mir geblieben war, war Draco. Der einzige Freund auf Seiten der Todesser und der einzige jetzt in Hogwarts.
Ich sah mich in der Großen Halle um, doch die Slytherins waren bereits fort.
Zum ersten Mal wünschte ich mir, nicht die elendig vielen Treppen in das siebte Stockwerk laufen zu müssen, sondern vorher abbiegen zu können und hinabzusteigen, in die Kerker, wo die Slytherins sich verkriechen und vor dem Tag verstecken konnten.
Stattdessen lief ich weiter die Treppe hinauf und blickte hinab zur Großen Halle, in der ich heute zum letzten Mal die Ansprache zum neuen Schuljahr angehört hatte.
Es fühlte sich an, als wäre dieses letzte Mal schon viel länger her gewesen.
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The dark Lady
FanfictionSequel zu: She who can not be named ❥︎ Für Sam hat sich Alles geändert. Denn nicht nur scheinen die Beziehungen zu ihren Mitschülern völlig neue Wege einzuschlagen, sondern auch ihre eigenen moralischen Vorstellungen und Ziele erscheinen nun merkwür...