Amycus Carrow stand mit geradem Rücken, die Arme hinter den Rücken gelegt, vor seinem Pult und musterte die Schüler, die nacheinander in den Raum strömten, mit düsterem Blick.
Ich war eine der ersten gewesen und hatte mich wortlos in die letzte Reihe gesetzt, ohne den Todesser eines Blickes zu würdigen.
Ja, wir arbeiteten für denselben Mann, aber das hieß noch lange nicht, dass ich etwas für ihn übrig hatte. Die Carrows waren beide Fanatiker, die ein wenig zu viel Gefallen daran zeigten, ihre Opfer zu quälen. Dabei trugen sie eine Arroganz mit sich, über die nur die konservativen Reinblutfamilien verfügten.
Ich stützte das Kinn in meiner Handfläche ab und blickte zur Seite. Ich hatte mich an einen Fensterplatz gesetzt, doch Carrow hatte dicke Vorhänge davor gezogen, sodass ich nur den dunklen Stoff betrachten konnte. Der Raum war nur durch schwummriges Kerzenlicht erhellt, das einen unheimlichen Schatten über Carrows eingefallene Augen warf.
Sobald die Uhr Punkt Acht geschlagen hatte, ließ der neue Lehrer die Tür mit einem Schwenk seines Zauberstabes mit einem Krachen zuschlagen, das die Anwesenden verstummen ließ.
Carrow ließ seinen Blick mit unbewegter Miene über die Menge schweifen.
"Ihr seid also die Abschlussklasse."
Seine Stimme war rau und etwas leise, doch in der Stille deutlich zu hören.
Carrow griff desinteressiert nach einem Zettel auf dem Pult.
"Mal sehen, wer hier so drin sitzt. Bones- ah ja, Boot, Corner-" Mein Blick huschte zu den beiden genannten Ravenclaws herüber, die jedoch keine Anstalten machten, sich zu melden. Carrow schien sich auch gar nicht dafür zu interessieren, wer wer war, er schien einfach nur nach Namen zu suchen die er kannte.
"Oh-", Carrows Gesicht hellte sich auf, jedoch zu einem fiesen Grinsen, "Longbottom!", er reckte seinen Kopf und suchte die Schüler ab. "Wer ist Longbottom?"
Ich sah herüber zu Neville, der den Lehrer finster anstarrte, jedoch keine Anstalten machte, sich zu melden.
Carrow stieß sich vom Pult ab und lief einen Schritt in die Klasse hinein.
"Na na, Longbottom, wenn der Lehrer eine Frage stellt, hast du zu antworten!"
Er bahnte sich einen Weg durch die Tische und blieb vor Neville stehen, der, flankiert von ehemaligen Mitgliedern der DA, eine Reihe vor mir saß.
Carrow beugte sich hinab und schwebte mit seinem Gesicht direkt vor dem von Neville.
"Ich habe dich ohnehin schon erkannt. Du siehst deinen Eltern sehr ähnlich!"
Carrow wirbelte herum und schritt wieder auf das Pult zu.
"Wir werden mit einer einfachen Lektion beginnen, die Mr. Longbottom sicherlich gefallen wird! Quasi die Grundlage der Dunklen Künste!"
Er drehte sich der Klasse zu und breitete die Arme aus.
"Wer hat schon einmal eine Person so sehr gehasst, dass er ihr unendliche Qualen zufügen wollte?"
Die Schüler starrten Carrow unschlüssig an und tauschten unsichere Blicke untereinander. Niemand meldete sich.
"Na kommt schon! Nicht so schüchtern! Ihr müsst ja nicht sagen, wen! Na los, zeigt mir eure Hände!"
Zögerlich reckte Parkinson ihre Hand in die Luft, gefolgt von Crabbe und Goyle und auch Draco.
Der Großteil der Klasse starrte immer noch betreten auf den Boden oder starr auf die Tafel, doch Carrow strafte die Menge mit Warten und so hoben sich weitete Hände in die Luft.
"Na seht ihr! Ist doch gar nicht so schwer! Es ist vollkommen normal, wenn man mal jemanden nicht ausstehen kann und nicht allen das Beste wünscht! Das zu leugnen wäre feige! Der erste Schritt bei den dunklen Künsten ist es, sich auch seine negativen Gedanken zuzugestehen! Das Ministerium hat jahrelang versucht, diese Seite in den Zauberern zu unterdrücken, sie zu zwingen, ihre Emotionen zu verleugnen! Doch ich werde euch zeigen, wie man stattdessen diese Emotionen nutzt, um sie in etwas Nützliches umzuwandeln!"
Carrows Blick schweifte erwartungsvoll über die erhobenen Hände, deren Zahl weiter angestiegen war.
"Longbottom!" Er wandte sich wieder Neville zu, wobei seine Stimme in einen enttäuschteren Ton umschwang, "Na komm schon. Ich bin mir sicher, dass du schon einmal jemandem Schaden zufügen wolltest!"
Der Gryffindor erwiederte den Blick des Todessers düster. Seine Hände waren auf dem Pult zu Fäusten geballt.
"Selbst wenn, würde ich dem niemals nachgeben. Es ist nicht richtig, Anderen zu schaden."
Carrow beugte sich belustigt vor. "Oh, wie nobel! Nun, Longbottom- Ich bin mir sicher, wir kriegen dich noch dazu, deine Meinung zu ändern. Komm vor!"
Er machte eine ausschweifende Geste Richtung Pult.
Neville hielt dem Blick des Lehrers unbeugsam stand und erhob sich langsam von seinem Platz. Carrow quittierte dies mit gehobener Augenbraue, bevor er sich wieder der Klasse zuwandte.
Neville stellte sich mit erhobenem Kinn neben ihn.
"Wir werden heute einen der einfachsten, aber auch der essentiellsten dunklen Flüche lernen. Alles was ihr braucht-", er wandte sich Neville zu, "ist Hass- Crucio!"
Bevor Neville reagieren konnte, hatte der Todesser seinen Zauberstab auf ihn gerichtet und den Folterfluch angewendet.
Neville schrie überrascht auf und stolpere nach hinten, während der Schmerz Überhand über seinen Körper nahm.
Einige der Schüler atmeten entsetzt auf.
Die unverzeihlichen Flüche waren uns bereits im vierten Jahrgang demonstriert worden, allerdings an einer Spinne und nicht an einem Menschen.
Ich war bereits Zeugin des Folterfluches auch an Personen geworden, doch das Entsetzen meiner Mitschüler färbte auch auf mich ab.
Innerhalb von Hogwarts als Teil des Lehrprogramms hatte der Fluch eine noch erschreckendere Wirkung als im Malfoy Manor oder auf einer Todessermission.
Mein Blick huschte zu Draco herüber, der mit eisigem Blick auf Neville starrte.
Auch er schien von sich abspielenden Szene getroffen zu sein.
So abprubt Carrow den Fluch begonnen hatte, so schnell brach er ihn auch wieder ab, doch hatte es sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt, in der Neville sich vor Qualen wand.
Der Gryffindor sackte erschöpft in sich zusammen.
Der Raum war in entsetztes Schweigen gehüllt, in dem Neville sich unbeholfen wieder aufrappelte und seine Schuluniform glattstrich.
Sue Li, die in der vordersten Reihe saß, umklammerte Lisas Hand, während viele andere betreten zu Boden sahen. Ich fing Zacks Blick auf, der verächtlich die Augenbraue hob und ich konnte nicht anders als seinem Blick auszuweichen. Die Verachtung in seinem Blick hatte sich wie ein Speer in meine Brust gebohrt und hinterließ dort einen bitteren Schmerz.
Um den Cruciatus richtig ausführen zu können, musste man seinem Opfer ehrlich Schaden zufügen wollen und plötzlich hatte ich die Gewissheit, dass Zack ihn sicherlich erfolgreich auf mich anwenden würde.
Ich wusste, dass er mich endgültig für einen schlechten Menschen hielt und dass ich den Verrat, den ich an ihm ausgeübt hatte, niemals wieder gut machen könnte. Ich hatte seinen Hass verdient.
Meine Hände hatten sich zu festen Fäusten geballt, sodass sich meine Fingernägel schmerzhaft in meine Handflächen bohrten.
Amycus Carrow begann, von der Natur des Cruciatus zu erzählen und wie die korrekte Anwendung funktionierte. Seine Augen glänzten fanatisch, während er von den Qualen erzählte, die die Opfer des Fluches erlitten und welche Folgen die Anwendung des Fluches hatte, wenn man sein Opfer nur lange genug folterte.
Ich musste Neville hoch anrechnen, dass er seine Fassung behielt und kein einziges Mal den Blickkontakt zu Carrow brach, während dieser von den posttraumatischen Störungen der Opfer anhand des Beispiels der Longbottoms erzählte, die im ersten Zaubererkrieg durch die Todesser in den Wahnsinn gefoltert worden waren.
Neville hatte vorhin seine Überzeugung kundgetan, es wäre nicht richtig, anderen Schaden zuzfügen, doch er sah aus, als würde er Carrow am liebsten an die Gurgel springen.
In der gesamten Unterrichtstunde hob keiner der Schüler die Hand. Selbst die Ravenclaws, denen die Fragen unter den Fingernägeln brennen mussten, wagten es nicht, die Aufmerksamkeit des Todessers auf sich zu ziehen. Keiner wollte so wie Neville auf dem Boden zu Carrows Füßen enden und sich vor Schmerzen winden.
Dies schien klug zu sein, denn Carrow hatte sichtlich Freude an der Folter gehabt und seine Augen schienen nur nach dem nächsten Opfer zu suchen.
Trotzdem konnte ich mir so sicher vorstellen, welche Fragen sich die Ravenclaws stellten, als würden sie diese in den Raum hineinschreien. War die Anwendung des Cruciatus-Fluches nicht illegal? Wie lange würden wir den Fluch im Unterricht behandeln? Würde Carrow weitere Schüler foltern? Würden wir auch die anderen unverzeihlichen Flüche behandeln? Und am wichtigsten- wenn der Folterfluch im Unterricht behandelt wurde- sollten wir ihn auch in der Praxis üben?
Carrow ließ all diese Fragen unbeantwortet, bis er uns nach dem Unterricht entließ.
Er hatte uns die Hausaufgabe aufgegeben, einen Aufsatz darüber zu schreiben, welches Verhalten anderer uns mit Hass versetzte und wie sich dieses Gefühl und die Aussicht, dieses Verhalten zu bestrafen, anfühlte. Er wollte wohl eine sadistische Ader in uns an die Oberfläche bringen, damit wir dazu fähig waren, den Cruciatus auszuführen.
Ich hatte es bis jetzt geschafft, die Anwendung der unverzeihlichen Flüche zu vermeiden. Dass ich dies nun ausgerechnet in den Mauern von Hogwarts geschehen würde, war absurd und beunruhigend.
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The dark Lady
FanfictionSequel zu: She who can not be named ❥︎ Für Sam hat sich Alles geändert. Denn nicht nur scheinen die Beziehungen zu ihren Mitschülern völlig neue Wege einzuschlagen, sondern auch ihre eigenen moralischen Vorstellungen und Ziele erscheinen nun merkwür...