36 || Geschwisterliebe

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"Mir geht's wirklich gut, Anges" wiederholte ich nun schon zum hundertsten Mal.

Sie legte prüfend den Kopf schief: "Du bist unter Wasser ohnmächtig geworden. Ich glaube nicht, dass es dir gut geht."

"Das ist schon vier Stunden her!" protestierte ich, doch sie blieb hartnäckig.

"Du bleibst heute definitiv Zuhause. Dein Kreislauf braucht mehr als vier Stunden um sich davon zu erholen" beschwichtigte sie.

Ich seufzte: "Jay geht doch mit mir, er kann auf mich aufpassen. Mir passiert nichts, versprochen."

"Das liegt nicht in deiner Hand, Süße. Und Jay geht nicht mit, er hat einen Schulverweis bekommen, weil er wieder mit Drogen erwischt wurde" Anges schien verärgert und musste sich auf die Lippe beißen, um nicht komplett die Fassung zu verlieren.

Meine Augen wurden groß: "Echt jetzt?"

Sie drehte sich von mir weg: "Ja. Sie haben ihn heute auf dem Schulgelände erwischt. Er wollte jemandem etwas verkaufen."

Das kann doch nicht sein.

"Das muss ein Missverständnis sein" ich wollte nicht glauben, dass Jay mich wieder angelogen hatte. Aber als Anges den Kopf schüttelte, kam Wut in mir auf.

"Wo ist er?"

"In seinem Zimmer. Und da bleibt er auch erstmal" sagte Anges streng.

Ich dachte nicht lange nach und ging die Treppe nach oben, um in Jay's Zimmer zu stürmen, aber die Tür war verriegelt.

Ich klopfte laut: "Jay, mach die Tür auf!"

Erst antwortete niemand. Gerade als ich es nochmal versuchen wollte, brummte er: "Lieber nicht."

"Mach sofort die verdammte Tür auf!"

"Ich glaube es ist besser wenn ich es nicht tue. Du wirst mich sonst nur anschreien" entgegnete er trotzig.

Ich schlug erneut gegen das Holz: "Aufmachen!"

Kurze Zeit später hörte ich ein Schlurfen und der Schlüssel wurde gedreht. Kaum dass die Türe offen stand, ging ich auf Jay zu, der überrumpelt nach hinten stolperte, bis er gegen die Wand stieß.

Ich stellte mich so nah vor ihn, dass er mir nur noch in die Augen sehen konnte: "Du hast mich wieder angelogen. Zum dritten Mal! Ich gebe jedem Menschen eine zweite Chance, zumindest fast jedem, aber eine dritte gebe ich Niemandem, nicht Mal dir!"

Mit einem Mal war all die Wut und Anspannung aus mir gewichen. Ich fühlte mich einfach nur noch leer, als hätte ich als große Schwester versagt.

Seufzend ging ich zurück und wollte mich umdrehen, da hielt Jay mich am Handgelenk zurück: "Ich hab dich nicht angelogen, Schwesterherz."

Ist klar.

"Genau und ich bin schwanger" sagte ich voller Sarkasmus. "Lass es gut sein, Jay, und geh mir aus dem Weg."

Erneut riss er mich bei meinem Versuch zu gehen herum: "Nein, bitte hör mir zu. Du bist die Einzige, der ich das erzählen kann. Ich brauch deine Hilfe!"

Hastig riss ich mich von ihm los als hätte ich mich verbrannt: "Vergiss es. Diesmal bist du echt zu weit gegangen."

"Faye, bitte" flehte er.

Scheiße, was sollte ich denn tun?

Ihn hängen lassen? Er war quasi mein Bruder, mehr oder weniger.

Dear heart, why him? ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt