Kapitel 4

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Auf die Bank im Umkleideraum lässt Mai ihre Tasche fallen und fasst sich einmal an die Stirn. Kaum zu glauben, dass sie tatsächlich mit trainieren darf.

Schnell öffnet sie den Reisverschluss der Sporttasche und holt ihre Kleidung, die sie für das Training benötigt hervor. Etwas unbehaglich wird ihr, als sie ihre Schulkleidung ausziehen muss und sich nun voll und ganz im Spiegel, der an der gegenüberliegenden Wand befindet, sieht. Schwerschluckend wendet sie den Blick von ihrem eigenen Antlitz ab und schlüpft in einen großen, lockerliegenden Pullover. Ihre schwarze Hose geht dem Mädchen bis zu den Knien, über denen sie die schwarzen Schoner trägt.
Nachdem Mai nun komplett ausgestattet ist, um zurück in die Halle zu gehen, bleibt ihr Blick erneut an ihrem eigenen Spiegelbild hängen.

Noch nie hat das Mädchen gerne Haut gezeigt, seit geraumer Zeit hasst sie es sogar regelrecht. Lockere Klamotten, die so ziemlich den ganzen Körper bedecken, sind ihr am liebsten. Deswegen kann sie diese zu kurzgeratene Schuluniform nicht ausstehen, dort gibt sie viel zu viel ihres Körpers preis.

Seufzend öffnet Mai die weiße Türe und tritt aus der dunklen Kabine heraus, leise fällt die Türe hinter ihr ins Schloss und die grauhaarige ist im Inbegriff zu gehen, als eine Stimme hinter ihr sie aufhält.

„Gib's zu, du bist allein wegen mir hier."

Erschrocken fährt das Mädchen herum und schaut in die braunen Augen Oikawas. Verhindern kann sie ein verächtliches schnauben nicht, wenn sie sieht, wie selbstsicher dieser Trottel schon wieder ist. Langsam tritt sie an den braunhaarigen heran, sodass ihre Körper nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt sind. Die strahlende Wärme, welche von Tooru ausgeht, kann Mai durch ihre Anziehsachen spüren und fast hätte sie sich eingestanden, dass der Zuspieler einen unwiderstehlichen Duft mit sich trägt. Die dunklen Augen des Jungen sind voll und ganz auf das eisblau seiner gegenüber fokussiert, dass sie ihm so nahe ist, überrascht ihn einwenig. Vielleicht interessiert sie sich doch mehr für ihn, als sie sich eingestehen will.

Ganz langsam, fast in Zeitlupe legt Mai ihren Finger auf die durchtrainierte Brust von Oikawa und starrt hinauf in dessen Augen, die unter dieser einfachen Berührung aufblitzen. Genau da hat sie ihn, wo sie ihn haben möchte. Soll er ruhig glauben, dass sein Charme bei wirklich jeder weiblichen Person auf diesem Planeten funktioniert.

„Träum weiter."

Mit diesen Worten stößt sie sich von ihrem Gegenüber ab und lässt ihn wütend vor den Umkleideräumen zurück. Aufgebracht fährt Oikawa durch seine eigenen Haare und straft die davonlaufende Mai mit einem Todesblick.

„Gut, wenn du spielen willst, dann spielen wir."

Einmal atmet der Junge tief ein, um seine alte Fassung wieder zu erlangen, schon immer ist er gut darin gewesen, sich zu sammeln wenn man es von ihm verlangt. Vorerst muss er die Gedanken an die grauhaarige aus seinem Kopf verbannen, denn das Volleyball Training geht allem anderen vor.

Als der Zuspieler wieder zurück in die Halle tritt, sind seine Mitspieler bereits mitten in ein Trainingsspiel vertieft. Verhindern kann er einen Blick auf das Mädchen nicht, allein schon ihre Klamotten Wahl bringt Aufsehen mit sich. Während alle Jungen in kürzeren Shirts stecken, hat sie einen wirklich langen Pullover an. Ziemlich unvorteilhaft findet Oikawa, denn bei solch sportlichen Aktivitäten schwitzt jeder, doch sein Problem soll es nicht sein.

Schulterzuckend begibt er sich auf die rechte Spielhälfte, denn dort stehen weniger Mann als auf der anderen Seite. Wenigstens ist Iwaizumi mit ihm in einem Team, auch wenn dieser schon wieder wie ein Griesgram ausschaut.

Nach wenigen Spielzügen liegt die Mannschaft des Zuspielers vorne und zum entsetzten des anderen Teams, hat nun Tooru den Aufschlag.
Geschmeidig lässt er den Ball zwischen seinen Fingern kreisen und dehnt nebenbei seinen Nacken. Kurz schließt der braunhaarige seine Augen, um vollste Konzentration ausschöpfen zu können. In der anderen Spielhälfte stehen nicht sonderlich gute Spieler, die solch einen Ball aufnehmen könnten nur die grauhaarige scheint ihm ein Dorn im Auge zu sein.

Vorhin schon hat sie den Zuspieler mächtig mit ihrer nahezu perfekten Annahme überrascht, noch nie zuvor hat jemand diesen mörderischen Aufschlag beim allerersten Mal entgegennehmen können. Nur der Libero der Karasuno ist bis jetzt gut mit diesen heftigen Bällen klar gekommen, doch auch Nishinoya hat sich nicht unbedingt leicht damit getan. Oikawa führt diese Annahme auf pures Glück zurück, ein günstiger Zufall muss es gewesen sein, da ist sich der braunhaarige ziemlich sicher, nicht noch einmal wird Mai solch einen Kraftschlag entgegennehmen können.

Das Kribbeln welches sich bis in die Fingerspitzen des Jungens verteilt, beweist ihm das der folgende Aufschlag herausragend wird. Die Intuition und das Urteilsvermögen des Zuspielers scheint fast unmenschlich, doch für seinen messerscharfen Verstand wird Oikawa auch unter anderen Zusielern gefürchtet und von den Mädchen geliebt.

Einmal holt Tooru tief Luft, bevor er sich in Bewegung setzt um den Aufschlag durchzuführen. Seine Anlaufbahn, die Höhe in die er den Ball geworfen hat, einfach alles scheint geradezu perfekt für den zerschmetternden Aufschlag zu sein, er kann es regelrecht spüren. Wären dort bloß nicht die analysierenden eisblauen Augen, die voll und ganz jede noch so kleine Bewegung des Zuspielers verfolgen. Was Oikawa nämlich nicht weiß, ist das auch Mai einen scharfen Verstand besitzt, den sie nicht scheut einzusetzen.

Der blaue Ball wird von der Hand des braunhaarigen hinüber auf die andere Seite des Netztes katapultiert und schon jetzt ziert sich ein teuflisches Grinsen auf dem Gesicht Toorus, denn er kann die hilflosen Gesichter jedes einzelnen erkennen. Gerade als Oikawa sich sicher ist, dass keiner diese Wucht wagt aufzunehmen, kann er Bewegungen seitens der grauhaarigen ausmachen.

Alles geschieht nur noch in Zeitlupe, das eisblau in ihren Augen blitzt bei solch einem heftigen Ball auf und ehe irgendjemand realisieren kann, was so eben geschieht, hat Mai schon den Aufschlag entgegengenommen.

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Lots of love, bekki ☀️

stitches | oikawa ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt