Kapitel 12

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Panisch wischt Mai sich die Tränen aus dem Gesicht und blickt hinauf in das müde Gesicht des Jungens, welcher einige Schritte auf sie zukommt.

„Das gleiche könnte ich dich fragen Oikawa."

Die Stirn des genannten kraust sich und argwöhnisch mustert er die grauhaarige. Mai glaubt, dass er gleich einen blöden Kommentar abgeben wird, doch die zuerst ernste Miene des braunhaarigen ändert sich schlagartig, als er das Mädchen einwenig näher betrachtet und er sieht besorgt aus.

Vorsichtig kniet er sich vor ihr nieder und Mai kann erkennen, das Oikawa stark geweint haben muss, denn die Augen dessen sind geschwollen. Übervorsichtig lehnt Tooru sich nach vorne und platziert seine Hand auf der Wange der grauhaarigen.

„Du blutest.."

Geschockt fasst Mai sich an den Kopf und stellt fest, dass tatsächlich Blut ihren Kopf hinunterläuft, in dem Schock hat sie dies gar nicht bemerkt. Oikawa holt aus seiner Hosentasche ein Tuch hervor und drückt es ganz vorsichtig auf die Wunde des Mädchens, um die Blutung zu stoppen.

Schmerzerfüllt zischt die grauhaarige einmal auf und blickt dankbar hinauf in das Gesicht des braunhaarigen, welches ihr nun sehr nahe gekommen ist. Den Atem des Jungens kann sie auf ihrer Haut spüren und ein Prickeln macht sich auf ihren Lippen breit. Auch Tooru bemerkt, dass er seiner Gegenüber ziemliche nahe gekommen ist und muss bei dieser Vertrautheit mit ihr schlucken.

„Was hast du gemacht, dass du so so stark blutest?"

„I-ich weiß nicht."

Angst hat Mai davor, sich gegenüber dem älteren zu öffnen und bleibt deshalb verschlossen.

„Du weißt es nicht?"

„Warum hast du geweint?"

Die Frage entgleitet Mai fast schon panisch und sie weicht der Fragerei des braunhaarigen aus.

Oikawas Augen weiten sich und nervös beginnt er auf seiner Lippe zu kauen. Seufzend lässt er sich neben Mai fallen und beide sitzen eine Weile stumm, mit dem Kopf an die Hallenwand gelehnt, nebeneinander.

„I-ich.."

Nicht wissend, wie er anfangen soll, fährt Tooru sich durch die Haare und blickt hinab auf seine Füße.

„Ich..naja ich habe trainiert, um besser zu werden."

„Besser werden? Oikawa du bist der beste Spieler des Teams."

Mit großen Augen schaut Mai verstohlen zu Tooru, welcher stumm mit den Schultern zuckt.

„Aber nicht gut genug..wir haben trotzdem verloren."

Nur noch ein gebrechliches Flüstern ist seine eigene Stimme und erneut steigen ihm ungewollt Tränen in die Augen.

„...Hätte ich mehr trainiert, dann hätten wir vielleicht nicht verloren."

Wütend schlägt Oikawa mit seiner Hand auf den Hallenboden und ein leises schluchzten entweicht ihm. Die Hände und Beine des Jungen schmerzen sehr, denn schon seit einigen Stunden ist er ununterbrochen am trainieren, nicht eine Pause hat er gemacht.

Nicht wissend, was in sie gefahren ist, legt Mai vorsichtig ihre zierlichen Arme um den größeren und zieht ihn in eine feste Umarmung. Eine ganze Weile ist es still, nur das leichte Schluchzen von Oikawa erfüllt ab und zu die Halle und in den Armen des Mädchens zuckt er hin und wieder auf.

„Du hast hervorragend gespielt Oikawa, ich habe das Spiel doch gesehen. Sei nicht zu hart zu dir selbst und sei stolz auf dich. Du kannst nun mal nicht jedes Spiel gewinnen und aus den Niederlagen lernst du, glaub mir, die prägen uns am meisten."

Ganz leise flüstert sie ihm diese Worte zu und drückt den braunhaarigen noch einmal fester an sich, um ihm zu zeigen, dass sie für ihn da ist und er nicht alleine ist.

Der ganze Körper des Jungens spannt sich durch diese plötzliche Nähe an und sein Herz beginnt, auf unerklärliche Weise, zu pochen. Noch nie zuvor hat Oikawa solch eine liebevolle Umarmung und Zuwendung bekommen, keiner außer Iwaizumi erkennt sein fälschliches Lächeln, welches er jeden Tag mit sich rumträgt.

Schlussendlich gibt Tooru nach und erwidert die Umarmung des Mädchens zaghaft. Ihr Duft, welcher aus Vanille und einem Hauch von Blumen besteht, umhüllt ihn sofort und wohlig seufzt er. Tatsächlich hat Oikawa nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Mai solche netten Worte für ihn findet, denn bis jetzt haben die beiden sich nicht wirklich prächtig verstanden.

„Danke.."

Langsam lösen beide sich aus der Umarmung, sodass ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt sind. Mai schenkt Oikawa ein vorsichtiges Lächeln, welches er erwidert und dabei den Blick nicht von ihren Lippen abwenden kann. Wie gebannt starrt er auf diese und fragt sich, wie sie sich auf seinen eigenen anfühlen würden, bestimmt sehr zart.

Auch Mai starrt nun auf die Lippen ihres Gegenübers, welche sehr anziehend auf sie selbst wirken. Merken kann sie, dass ihr bei solchen Gedanken die Röte ins Gesicht schießt und das Herz ihrer selbst schnell zu schlagen beginnt. Bis jetzt hat sie den Zuspieler nicht wirklich leiden können, was vermutlich auf gegenseitig beruht hat, doch in dieser jetzigen Situation kommt es ihr fast so vor, als würde sie sich nach dessen Lippen verzehren. Vielleicht ist diese eigentliche Verachtung reine Einbildung gewesen, eine Art Schutzmechanismus vor ihren eigenen Gefühlen.

Vorsichtig fährt Oikawa über die zarte Wange der grauhaarigen und streicht eine gelockerte Haarsträhne hinter ihr Ohr. Dabei verlassen seine Augen keine Sekunde die Lippen von Mai und wie gebannt, kommt er ihr immer näher. Den Atem des Jungens kann die kleinere auf ihren Lippen spüren und das verlangen die Lücke zwischen den beiden zu schließen wächst. Doch kurz bevor seine Lippen auf den ihren liegen, werde beide durch ein lautstarkes Geräusch zurück in die Realität geholt.

Ein Telefonklingeln.

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Uiiiii

Lots of love, bekki☀️

stitches | oikawa ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt