Kapitel 32

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Gebannt starren die braunen Augen des Jungen auf das Telefon in seinen Händen und gedankenverloren seufzt er auf. Schon drei mal hat er sich fast dazu gebracht, eine Nachricht einzutippen und an Mai zu senden, doch schlussendlich ist er einfach zu feige dafür. Er ist ein Arschloch, dass ist ihm schon lange bewusst, sein Verstand trichtert es ihm nur zu gut ein und doch sagt ihm sein Herz immer aufs neue, dass er sich bei ihr melden soll.

Schwerschluckend wendet er seinen Blick von dem Handy ab und schaut aus dem Fenster hinaus, wo die Landschaft nur so unbeachtet vorbeizieht. Mit leeren Augen und einem Stechen in seiner linken Brust, beobachtet er die vereinzelnden Häuser und Sträucher, an denen der Mannschaftsbus vorfährt. Seine Gedanken schweifen zu dem grauen, fast silbernen Haar und ein trauriges Lächeln ziert sein Gesicht, welches auch seinem Nebenmann nicht entgeht.

„Alles okay Oikawa?" Iwaizumi lehnt sich vorsichtig hinüber zu seinem Freund und beäugt ihn besorgt.

„Alles prima", fast schon gleichgültig klingen seine Worte und selbst kommt Tooru sich so unglaublich fremd vor, als wäre er seit dem Verlust des Mädchens nicht mehr er selbst. Zuerst hat er es für absurd gehalten, aber der anhaltende Herzschmerz und Verlangen nach ihr beweisen ihm, dass ein Teil seiner selbst durch den Abschied verloren gegangen ist.

Seit ihrer heftigen Auseinandersetzung ist nicht ein einziger Tag vergangen, an dem er nicht an sie gedacht hat. Er vermisst sie. Ihren unglaublich anziehenden Duft, ihre aufmunternden Worte und ihr freches Lächeln, wenn sie ihn mal wieder mit einem Spruch aufgezogen hat. Alleine der Gedanke daran, dass sie neue Freunde gefunden- und ihn vielleicht schon längst wieder vergessen hat, lassen Oikawa erschaudern. Ergeht es ihr vielleicht genauso wie ihm? Denkt sie überhaupt noch an ihn?

Vor seinem geistigen Auge erscheint die zierliche Gestalt Mai's und wie sie ihm über die Brust streicht. Ja, zu gut kann er sich noch daran erinnern, wie sie ihm versprochen hat das Loch in seiner Brust zu schließen. Nur ist es seit ihrer Abwesenheit größer geworden und bereitet Tooru unglaubliche Schmerzen, welche er täglich zu spüren bekommt. Er hat es verdient, dass redet er sich zumindest ein, denn alleine er ist zu feige gewesen um zu ihr zu stehen.

Erst ein Rütteln holt den Zuspieler zurück in die Realität und blinzelnd wendet er sich Iwaizumi zu, der ihn feste an den Schultern gepackt hat.

„Komm, wir sind da." Mechanisch steht Oikawa von seinem Sitz auf und drängt sich nach draußen an die frische Luft, welche ihn wieder lebendig werden lässt.

„Was ist zur Zeit bloß los mit dir?" Hajime, der neben Tooru Halt gemacht hat, blickt stur gerade und trägt einen besorgten Gesichtsausdruck, „Seitdem Mai weg ist, benimmst du dich komisch. Nur beim Volleyball bist du besser geworden, weil du dich Tag und Nacht ins Training stürzt, aber sonst bist du nicht mehr du selbst."

„Ich weiß nicht wovon du redest Iwa Chan." Schulterzuckend gibt Oikawa eine gleichgültige Antwort und betritt vor seinem besten Freund die große Halle, in der das Frühlingsturnier ausgetragen wird. Die bewundernden Blicke vieler Mädchen interessieren den Zuspieler kein Stück, heute scheinen sie schon fast lästig und ohne irgendwem seine Aufmerksamkeit zu schenken, tritt er genervt in die Umkleidekabine.

Auch die Besprechung des Teams und die motivierenden Worte seines Coaches scheinen so fern wie noch nie, so als wäre Tooru selbst nicht anwesend und alles um ihn herum in Watte getaucht. Sein Blick fällt auf den Wandspiegel und einen kurzen Moment bildet sich der Junge ein Mai darin wiederzusehen. Entsetzt und mit schnellen Herzschlag fasst sich der braunhaarige an die Brust und senkt seinen Blick auf den Boden. Jetzt beginnt er schon zu halluzinieren.

Gestresst fährt der Junge sich über die müde Haut seines Gesichtes und steht von der hölzernen Bank auf. Sofort verstummt es und der Raum ist in ein Schweigen gehüllt, alle sehen zu Oikawa.

„Ich gehe kurz auf Toilette." Nickend gibt der Coach zu verstehen, dass er Tooru gewährt zu gehen und doch ermahnt er ihn bei der Sache zu bleiben, schließlich ist das Frühlingsturnier entscheidend.

Kopfschüttelnd tritt Tooru aus der Kabine heraus und steuert auf die Toiletten zu, obwohl er eigentlich gar nicht wirklich muss. Nur raus wolle er, weg aus der Kabine und weg von diesem Wandspiegel.

Die Worte seines Trainers hallen in seinem Kopf wider und wütend ballt er die Hände zu Fäusten. Natürlich weiß er, dass dieses Turnier alles entscheidend ist und doch könnte es dem Jungen nicht gleichgültiger sein. Er will es zu den Nationalmannschaften schaffen, dass steht außer Frage, aber zu sehr zerrt das Verlangen nach Mai an ihm, als dass er sich wirklich auf das Turnier freuen kann.

Planlos schreitet der braunhaarige durch die riesige Halle und beäugt dabei verschiedene Teams interessiert. Keines hat bis jetzt wirklich seine Aufmerksamkeit erweckt, nur alleine auf die Karasuno wartet er, insbesondere auf Kageyama, doch bis jetzt bleiben sie unentdeckt.

Nach einer Weile hat sich der Zuspieler wieder gefangen und zurück zu seiner Kabine begeben, denn länger kann er das Team nicht warten lassen. Kurz bevor Tooru jedoch den Raum wieder betreten kann, sticht ihm etwas oder besser gesagt jemand ins Auge. Augenblicklich verkrampft sich Oikawa's gesamtes Antlitz und seine Augen werden glasig.

Es kommt ihm vor, als würde er all dies noch einmal erleben. Ein Deja Vu. Eines, dass das Blut in seinen Adern gefrieren lässt und ihn völlig aus der Fassung bringt.

Von einem schwarzen Trainingsanzug umhüllt und dem Blick verbissen auf das Feld gerichtet, starrt sie hinab ohne ihn auch nur zu bemerken. Das graue Haar schimmert so Silber wie noch nie und schon von hier kann er ihren lieblichen Duft vernehmen. Diese eisblauen Augen würde Oikawa überall wieder erkennen, da bestehen keine Zweifel. Sie ist es. Mai Nakamura steht inmitten der Halle, in welcher Tooru gleich spielen wird.

Rangelnd mit sich selbst, ob er nun zu ihr hingehen soll oder nicht, steht der Zuspieler wie eingefroren da und durchbohrt Mai mit seinen Blicken. Ist sie hier um ihm zuzusehen? Oder etwa Teil eines Teams? Leider ist es Tooru entgangen auf welche Schule sie nun geht, er hatte schon vermutet das sie komplett weggegangen ist aus Miyagi, doch durch ihre jetzige Anwesenheit fällt ihm ein Stein vom Herzen.

Sein Herz schlägt schnell gegen seine Brust und nervös schluckt er den Kloß, der sich inzwischen in seinem Hals gebildet hat, herunter. Innerlich fragt Tooru sich, seit wann er so schüchtern ode gar zurückhaltend vor Mädchen geworden ist, doch auch weiß er die Antwort.

Er darf nicht zu ihr, es ist ihm einfach nicht gestattet und schon längst zu spät. Wenn Mai alles erfahren würde, dann würde sie ihn wohl noch mehr verabscheuen als ohnehin schon und doch kann Oikawa es nicht lassen. Fast schon von selbst setzten sich seine Beine in Bewegung und aufgeregt fährt er sich durch die Haare. Er muss mit ihr sprechen, selbst wenn es keinen Sinn hat.

Nur noch wenige Meter trennen die beiden, als plötzliches laute Schritte ertönen und benommen starrt Tooru herüber um zu festzustellen, dass soeben die Karasuno eingetroffen ist. Ein teuflisches Grinsen ziert die Lippen des Zuspielers als er Kageyama und dessen Knirps erblickt, doch lange hält sich dieses nicht.

Fassungslos muss er mitansehen, wie Mai sich zu dem Team gesellt und gemeinsam hinunter zu den Tribünen begibt. Schmerzerfüllt kneift Oikawa die Augen zusammen, versuchend diese unglaubliche Trauer zu unterdrücken. Alles um ihn herum wird grau, als hätte Mai jegliche Farben mit sich genommen und abwesend tritt Tooru zurück in die Kabine seiner Mannschaft.

Er darf nicht eifersüchtig sein oder jeglichen Schmerz empfinden, da hat er kein Recht zu. Er ist es doch gewesen, der sie abgewiesen hat und selbst ist er doch auch nicht besser. Aber warum schmerzt es dann so, sie gemeinsam mit dem Team der Karasuno zu sehen?

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Irgendwie macht mich das Kapitel traurig.
Während dem Schreiben habe ich ‚Film out' gehört. (:

Lots of love, bekki☀️

stitches | oikawa ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt