Kapitel 40

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Gähnend schmiegt Mai sich näher an den warmen Körper ihres Nebenmannes und verschlafen reibt sie sich die Augen. Ihr Blick gleitet einmal über den oberkörperfreien Jungen neben sich und ein verliebtes Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen. Unfassbar, dass sie letzte Nacht mit Oikawa geschlafen hat, es scheint immer noch wie ein Traum.

Ihr Blick schweift hinüber zu der schwarzen Wanduhr und schmatzend richtet sie sich auf. Halb Acht ist es erst und erleichtert, da ihr Vater wohl erst im Laufe des Tages zurück kommt, stößt sie die Luft aus. Bestimmt können Tooru und sie noch gemeinsam frühstücken, bis er gehen muss.

Zurück auf die Matratze wird Mai gezogen, als sich zwei starke Arme um sie schlingen. Müde versteckt Oikawa sein Gesicht in der Halsbeuge der Grauhaarigen und verteilt leichte Küsse auf ihrer Haut.

Ein Kribbeln breitet sich auf ihrer Haut aus und lachend schiebt sie Tooru von sich weg, welcher daraufhin eine Schnute zieht.

„Lass das!", kichert Mai, die Hände abwehrend ausgesteckt.

„Wieso? Gestern hat es dir doch auch gefallen?", neckt der Brünette sie und muss über die hochroten Wangen des Mädchens schmunzeln. Benommen setzt Mai sich auf und fährt sich einmal durch ihre Haare. Auch wenn sie Tooru liebt ist er ein riesiger Trottel, mit einem zu großen Ego!

„Du bist ein Idiot!", patzt Mai spielerisch und schlüpft in ein frisches Shirt. Die braunen Augen des Jungens haben sie fixiert und angetan leckt Oikawa sich über die Lippen, bis Mai ihm seine Hose ins Gesicht pfeffert.

„Los, hör auf zu starren und zieh dich an du Spanner!" Mit diesen Worten verschwindet die Grauhaarige aus dem Zimmer und lässt Tooru sprachlos zurück. Grinsend folgt er ihr schließlich bis in die Küche und mustert die Wohnung ausgiebig. Sie ist klein, dass muss er zugeben, aber dennoch empfindet er bereits hier mehr Heimatgefühle, als jemals bei sich zuhause.

Und zu verdanken hat er dies alleine Mai. Egal wo er ist, wenn das Mädchen da ist, fühlt Tooru sich willkommen und zuhause. Verträumt betrachtet er die Bilder an den Wänden und kann die Grauhaarige als kleines Kind auf einem Roller erkennen, doch auch spürt er das dumpfe Gefühl in seiner Brust, als er ihren Vater mit der verstorbenen Mutter erhascht.

„Du Mai?", spricht er bedacht und tritt zu dem Mädchen in die Küche, welche gerade Pancakes zubereitet. Konzentriert steht sie am Herd und hat die Pfanne feste im Griff, von welcher ein unglaublicher Duft ausgeht. „Was gibst?"

„Was ist eigentlich..also wie steht's momentan mit deinem Vater. Ist alles in Ordnung?", flüstert er vorsichtig und lehnt sich an die Küchentheke neben Mai.

Er kann erkennen, wie ihre Augen sich weiten und das Eisblau verdächtig aufblitzt, bevor sie spricht. „Naja, momentan ist es in Ordnung. Ich gehe ihm aus dem Weg, wo es nur geht und wenn Sota daheim ist, dann trinkt er auch nicht so viel. Aber ab und zu bekomme ich dann doch seine Wut zu spüren", gegen Ende hin versagt ihre Stimme und angestrengt versucht sie die Tränen zurückzuhalten.

„Du müsstest mit jemandem darüber red-," setzt Tooru an, wird jedoch von Mai unterbrochen. Kopfschüttelnd hat sie krampfhaft den Boden fokussiert, „I-Ich kann nicht. Er ist mein Vater Tooru, ich weiß das er es nicht absichtlich tut..nur wenn er nicht Herr seiner Sinne ist. So etwas kann ich ihm und vor allem nicht Sota antuen, verstehst du?"

„Aber Mai, du musst auch auf dich Acht geben. Du wirst kaputt gehen, wenn du nichts unternimmst u-und das will ich nicht."

Seufzend stellt die Grauhaarige den Herd aus und verteilt die Pancakes jeweils auf zwei Teller, welche sie mit Ahorn Sirup toppt. Gemeinsam setzten sich beide an den Tisch und beginnen zu essen. Es herrscht eine unangenehme Stille und doch weiß Tooru, dass Mai gleich etwas sagen wird, da sie verbissen auf den Teller starrt.

„Du hast versprochen es niemandem zu sagen Oikawa, dass weißt du oder?", ein Flehen ist aus ihrer Stimme herauszufiltern und der Brünette kann den verzweifelten Ausdruck in ihrem Gesicht erkennen, welcher sein Herz schmerzen lässt.

Verdammt, er will etwas unternehmen. Die Polizei rufen, das Jugendamt einschalten...irgendetwas um Mai aus diesem Höllenloch zu befreien, doch kann er sein Versprechen nicht leichtsinnig brechen.

Besorgt mustert er seine Gegenüber genau und kann kleine Kratzer an ihrem Dekolleté, den Handgelenken und am Hals ausmachen. Ganz unscheinbar scheinen die bereits verblassten Hämatome an ihrem Körper und wütend umklammert er seine Gabel. Wieso muss jemand so wunderbares, solches Leid erleben?

„Tooru?", die leise Stimme der Grauhaarigen holt ihn zurück in die Realität und verwirrt muss er einige Male blinzeln. „Ja?"

„Ich habe gefragt, wie die Situation mit deinem Vater ist?"

Überfordert mit dieser Frage lässt Oikawa seine Gabel fallen, welche mit einem Klirren auf dem Tellerrand aufprallt. Das gestrige Gespräch rückt in den Vordergrund seines Gedächtnisses und ein heftiger Schauer kriecht seinen Rücken herab. Ohne etwas von sich zugeben starrt Tooru Mai ins Gesicht und zuckt gleichgültig mit den Schultern. Keineswegs lässt ihn die Situation kalt, doch will er nicht schwach werden wegen diesem Mann.

„Versprich mir, dass du dich wieder mit ihm verträgst, ja? Ich will nicht, dass eure Beziehung wegen mir auf dem Spiel steht Tooru. Er ist dein Vater."

Natürlich hat Mai ihn sofort durchschaut und als Antwort bringt er stumm ein Nicken hervor. Er verabscheut diesen Mann gerade, aber die bittende Stimme des Mädchens lässt ihn weich werden. Natürlich will er sich wieder mit seinem Herren vertragen, zwar wird er ihn die Handgreiflichkeiten niemals verzeihen, aber der Grauhaarigen wegen wird Oikawa den Streit begraben.

„Okay", haucht er mit zittriger Stimme und blinzelt die Tränen, welche seine Augen füllen, weg. Der ganze Schmerz, welcher sich über die Jahre aufgebaut hat, kommt in seiner Brust empor und schmerzlich fährt er sich mit dem Handballen über die pochende Stelle.

Mai will ansetzten etwas zu sagen. Sie will nicht, dass er wegen ihr noch mehr Probleme mit seinem Vater bekommt und vor allem möchte sie, dass er eine glückliche Familie hat, da sie ihm das Leid, welches sie erlebt, ersparen will.

„Ich möchte nicht, dass ich deine Priorität bin..verstehst du? Sicherlich will ich keine Mauer zwischen dich und deine Eltern treiben, welche euch auseinander bringt. Familie geht über alles Tooru."

Gerade als Oikawa etwas erwidern will, lässt das Öffnen der Haustüre beide erschrocken hochfahren. „Scheiße", flüstert Mai und drängt den Brünetten hinüber zu ihrem kleinen Balkon. Bestimmend schuppst sie ihm heraus und deutet ihm an, die Feuerleiter herunterzuklettern.

Er will etwas sagen, doch gibt sie ihm keine Chance sich zu erklären. Ohne Tooru weiter zu beachten eilt Mai zurück in die Wohnung, um ihrem Vater gegenüber zu treten.

Seufzend verfolgt der Brünette das Geschehen stumm, bis er schlussendlich bedröppelt die Leiter hinabsteigt. Familie geht über alles? Seufzend schüttelt er seinen Kopf und muss die Tränen zurückhalten. Wenn Mai doch bloß wüsste, dass sie ihm bereits ein größeres Familien Gefühl gibt, als jemand anderes.

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Tada, ein neues Kapitel (:
Danke übrigens für die 10k reads.
Es ist unglaublich für mich, so eine große Zahl zu sehen <3

Lots of love, bekki ☀️

stitches | oikawa ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt