Liams Pov
Das Wohl der Patienten stand an vorderster Stelle, doch man musste eine professionelle Distanz bewahren. Egal wie emotional eine Geschichte war, man durfte nicht zu persönlich werden. Es war nicht immer leicht die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen, doch man musste zumindest versuchen sein Privatleben nicht von den Schicksalen der Patienten einschränken zu lassen. Würde ich zulassen, dass mein Leben von all den Unglücken, die ich im Krankenhaus miterlebte, beeinflusst wird, würde ich mich für immer allein in meiner Wohnung einsperren und mich keinen Zentimeter bewegen.
Wie oft waren Menschen schon zu uns gekommen, weil sie auf dem Arbeitsweg einen Unfall hatten, beim Feiern in eine Prügelei geraten waren, wegen einer Trennung angegriffen wurden oder sich beim Haushalt machen irgendwie verletzt hatten. Wenn ich versuchen würde aus all den Fehlern, die meine Patienten begannen hatten, zu lernen, würde ich kaum noch etwas tun können.
Man könnte eine Treppe herunter stürzen, sich beim Essen verschlucken und ersticken, beim Straße überqueren überfahren werden oder durch irgendein dummes Missgeschick sterben. Doch selbst wenn man gar nichts tat, besaß man noch unzählige Organe, die irgendwann entscheiden könnten, dass sie ihre Funktionen nicht mehr ausreichend nachgehen wollen.
Vielleicht wird man ein langes und glückliches Leben führen, doch vielleicht wird es auch plötzlich enden. Im Krankenhaus erlebte man ständig wie unberechenbar das Leben sein konnte. Totgeglaubte Patienten erholten sich wie durch ein Wunder, während harmlose Routineeingriffe mit dem Tod endeten.
Ich durfte die Schicksale meiner Patienten nicht über mein Privatleben entscheiden lassen, weswegen ich versuchte die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen. Leider gelang mir dies nicht immer und schon gar nicht, wenn ein Patient bei mir Herzrasen verursachte.
So wie das Leben, war leider auch die Liebe unberechenbar. Nur weil der Kopf wusste, dass man sich zu einer Person nicht hingezogen fühlen sollte, hieß es nicht, dass es auch das Herz verstand. Meinen Vorsatz, niemals einen Patienten emotional zu nah an mich ran zu lassen, schien mein Herz vergessen zu haben und gegen mein Herz hatte leider mein Kopf keine Chance. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich an den jungen Mann denken musste oder wie mein Körper wie ferngesteuert sein Krankenzimmer ansteuerte.
Wie in den letzten Tagen schon viel zu häufig, stand ich auch jetzt grundlos vor dem Zimmer des Patienten. Nachdem bei der Erstuntersuchung in der Notaufnahme sein Herz als Verursacher der Beschwerden identifiziert wurde, erhielt er ein Zimmer in der Abteilung für Kardiologie und wurde dadurch zu meinem Patienten.
Ich atmete noch einmal tief durch. Bevor ich anklopfen konnte, wurde die Tür von innen geöffnet. Eine junge Frau stand vor mir, die sofort begeistert lächelte, als sie mich erblickte.
"Sie haben ein sehr gutes Timing", begrüßte sie mich.
"Stimmt etwas nicht?", erkundigte ich mich, wobei mir leider mal wieder auffiel, dass ich besorgter war als ich es vielleicht bei anderen Patienten wäre. In den letzten Tagen hatte ich einiges an Zeit mit meinem Patienten verbracht, was jedoch dazu geführt hatte, dass ich mich mit jedem Tag etwas mehr zu ihm hingezogen fühlte.
"Oh ja, allerdings." Die junge Frau lief zurück ins Zimmer, weswegen ich ihr folgte. Mein Patient saß mit genervten Gesichtsausdruck auf seinem Bett.
"Lottie...", setzte er an, wurde jedoch direkt von der Angesprochenen unterbrochen, die sich mir wieder zugewandt hatte.
"Können Sie diesem Trottel bitte sagen, dass er sich gefälligst ausruhen soll und sich nicht einfach selbst entlassen kann?"
"Natürlich kann ich mich selbst entlassen. Die Krankenschwester hat vorhin erzählt, dass ich nur ein Formular unterschreiben muss und schon kann ich nach Hause. Es geht mir besser." Lottie ignorierte den Einwand vollständig und schaute mich stattdessen weiterhin auffordernd an.

DU LIEST GERADE
1D One Shots II [boyxboy] - keine Anfragen möglich-
FanfictionTeil 2 meiner OS-Sammlung - boyxboy