„Hey Martha! Was stehst du denn hier so planlos rum? So erschöpft vom rumliegen am Strand?", meint Till belustigt zu mir, geht einige Schritte auf mich zu. Noch immer etwas in Gedanken an der Mauer lehnend antworte ich ihm zuerst nur mit einem schwachen Kopfschütteln, füge dann aber schnell hinzu: „Nein, so unsportlich bin ich dann auch wieder nicht." Und wie immer, wenn seine Augen meine treffen, breitet sich ein glückliches Lächeln auf meinen Lippen aus. „Na dann, zeig was du drauf hast", er wirft mir seine improvisierte Sportmatte zu, die mal eine Picknickdecke gewesen sein muss, „Ich mache jetzt Krafttraining, kannst ja mitmachen." Warum eigentlich nicht? Ist zwar Sport, aber dafür Sport mit Till. Das ist für mich Grund genug mich ihm anzuschließen und ihm an das Waldstück zu folgen. Doch schon auf dem Weg dorthin brennt mir die doch immer noch starke Augustsonne ins Gesicht und auf den leicht bedeckten Rücken, sodass ich verschwitzt am Ziel ankomme und erst einmal auf der ausgebreiteten Decke Platz nehme. Die Beine ausgestreckt, die Hände hinter mir im weichen Gras abgestützt, blicke ich zu ihm auf. Er grinst mich an. „Ich hab's dir ja gesagt!" Er wirft mir seine Wasserflasche zu und schnürt seine blauen Sportschuhe noch etwas enger. Seine großen Hände greifen das Material am unteren Saum des Shirts. Millimeter für Millimeter hebt er nun seine Hände und zieht sich den Stoff über den Kopf. Steht nun oberkörperfrei vor mir. Ich wende meinen Blick sofort krampfhaft ab, betrachte die langen Grashalme neben mir, reiße einzelne ab und wickle sie mir um den Finger. Ich gebe ihm ja Recht, es ist extrem warm, die Kraft der Sonne reicht selbst am späten Nachmittag noch aus uns einen tiefroten Brand auf der Haut zu verpassen. Mein Körper spielt verrückt. Hinsehen kann ich nicht, wegsehen allerdings auch nicht. Mein Herz schlägt immer schneller, völlig taktlos. „Alles ok bei dir? Sind die Käfer jetzt interessanter als deine Mitmenschen?", fragt er mich, zwinkert mir dabei zu. Mein Kopf schnellt in seine Richtung, trifft auf die gebräunte Haut. „Schau mir ruhig zu, dann kannst du noch was lernen!" Er lacht, herzlich und laut, und ich kann nicht anders als mitzulachen. „Als hätte ich das nötig!" Und doch bleibt mein Blick an ihm haften, diesmal immerhin mit der Ausrede dabei etwas lernen zu können. Ich muss über diesen selbstsicheren Kommentar schmunzeln. Till kniet sich auf die löchrige Decke, stützt die Hände vor ihm ab und begibt sich in Position, um mit Liegestützen anzufangen. Seine Schultermuskulatur ist angespannt, weist klar und deutlich darauf hin wie viel Arbeit er wirklich in diesen Körper steckt. Und das kann sich zeigen lassen. Die breiten Schultern scheinen stabil genug zu sein, ein ganzes Haus darauf zu transportieren, die Muskeln dort ziehen sich sanft seinen Nacken entlang. Die Arme muskulös. Nach den ersten Wiederholungen zeigen sich kleine Schweißperlen auf der freien Haut verteilt, glitzern in der Sonne, lassen ihn noch unwiderstehlicher wirken als sonst schon. Immer wieder mal dreht er seinen Kopf in meine Richtung, lächelt mich an und zählt dann wieder leise weiter. „52, 53, 54..." Was würde ich jetzt dafür geben, einmal seine lockigen Haare an meinen Fingern zu spüren. Ich benötige all meine Konzentration und Willenskraft mich nicht leicht nach vorne zu beugen und ihm einen Kuss auf die zarte Haut der muskulösen Schulter zu drücken. Meine Hände krallen sich im hohen Gras fest um mich vor jeglicher Bewegung zu stoppen, mein Blick starr auf ihn gerichtet. Auf Till, den eindrucksvollen Sportler mit dem atemberaubenden Körper und dem so großen Herz. „So, jetzt bist du aber auch mal dran!", er legt seine schwitzige Hand auf meine Schulter, reicht mir die andere und zieht mich hoch, „30 Sit-ups, das solltest du wohl schaffen." Und wieder hat er dieses belustigte Grinsen auf den Lippen. Er weist mich an, sodass ich auf dem Rücken liege und in den klaren Himmel sehe, die Beine leicht angewinkelt. Er kniet sich vor meine Füße, fasst meine Gelenke, sanft, aber mit gewissem Druck und streicht mit seinen Fingerspitzen noch einmal kurz meine Haut dort. Die Gänsehaut breitet sich wie immer rasend schnell aus, mir wird noch wärmer, der Puls immer stärker und dominanter. Ich verschränke meine Arme auf der Brust, ziehe mich mit all meiner Kraft nach oben, komme seinem Gesicht näher, beiße mir einmal kurz auf die Unterlippe und lasse mich wieder auf den Boden fallen. Ich höre noch Tills Lob, bevor ich erneut meine untrainierten Bauchmuskeln anspanne und die Übung wiederhole. Mein Atem wird jedes Mal schwerer, der Schweiß läuft mir immer stärker von der Stirn. „Ok, mach mal ne Pause. Ist ja schon süß, dass du jetzt schon schlapp machst. Ich hätte es mir ja denken können, erst große Sprüche klopfen und dann aber doch nichts drauf haben." Das Grinsen in seinem leicht roten Gesicht wird breiter, er beginnt zu lachen, zeigt die geraden, weißen Zähne. „Sag mal, was erwartest du denn? Kann ich ja nicht wissen dass du jetzt noch viel trainierter und gutaussehender bist!" Und in der nächsten Sekunde schon bereue ich diesen Satz zutiefst. Ich werde rot, knallrot, blicke in sein jetzt verschmitztes Grinsen, beginne augenblicklich zu stottern: „Also ich meine so im Vergleich zu früher. Dann ist ja aus unserem Sportlauch doch noch ein Mann geworden, zumindest ein bisschen. Ausbaufähig ist das ja schon noch." Mein Lachen das folgt, klingt gekünstelt und ist es auch. Ich würde jetzt am liebsten im Boden versinken, von hier weggehen und mich in meinem Schlafsack verkriechen. Ich bin wirklich niemand, dem alles peinlich ist, aber Till, meinem Schwarm, meiner großen Liebe ins Gesicht zu sagen, dass er heiß ist und es dann auch noch so unfassbar schlecht zu vertuschen, das ist mir peinlich. Mehr als das. Wozu studiere ich nochmal Schauspiel, wenn ich nicht mal so eine einfache Notlüge auf die Kette bekomme? Aber Till scheint meinen Kommentar komplett zu ignorieren, nimmt einen großen Schluck aus seiner Flasche, reicht sie dann mir. „Jetzt hältst du mich ja schon wieder vom Training ab!" Sein lautes, glückliches Lachen hallt in meinen Ohren nach, lässt mein Herz vor Freude anschwellen. „Du hast Recht, ich lass dich mal in Ruhe. Ich habe heute noch Küchendienst und sollte mal langsam mit dem Kochen anfangen", antworte ich ihm, zwinkere ihm noch kurz zu, stehe auf und gehe zurück zu den anderen an den Campingplatz. In der Küche treffe ich schon auf Pit, der eine Karotte schält und dazu seinen Lieblingspodcast über Entdeckungen im Weltall hört. Ich greife zu der übergroßen Packung Reis und setze einen Topf mit Salzwasser auf den Herd. Der Astronomiestudent bemerkt mich, schenkt mir ein Lächeln, stoppt dann den Podcast. Ich entscheide mich dazu, in der Zwischenzeit den Tisch zu decken und helfe ihm dann den Reis und das Gemüse zu kochen. Endlich mal keine Nudeln! Vor allem unsere zwei Supersportler hatten sich über den einseitigen Speiseplan beschwert und sich mal „etwas kalorienärmeres" gewünscht. Und die Arbeit scheint sich gelohnt zu haben: Unsere Freunde sind begeistert und verschlingen größtenteils mehr als eine Portion. Immer wieder spüre ich Tills Blicke auf mir. Liegt das wohl an meinem Kommentar während dem Krafttraining? Und auch Nele sieht immer öfter zu mir, grinst. Meinen fragenden Blick winkt sie nur ab und wendet sich wieder dem Essen zu. Anschließend entscheidet sich die Gruppe, mit der ich morgen auch Fahrrad fahren gehen werde, dazu, noch etwas zusammen zu sitzen. Ich schließe mich an und wir suchen uns einen Platz etwas entfernt auf der Wiese, nahe dem schmalen Bach, der in den versteckten See im Wald mündet. Nele rechts von mir, Till links an meiner Seite nehme ich im Schneidersitz Platz und blicke in den klaren Nachthimmel. Gegenüber von mir Cäcilia und Leni, die Blonde zwischen den Beinen der anderen, den Rücken an Lenis Brust gelehnt. Die Hände ineinander verschränkt, zart mit den Fingerkuppen über den Handrücken streichend, beide ein seeliges Lächeln auf den Lippen. Die zwei scheinen so glücklich, seit über fünf Jahren sind sie ein Herz und eine Seele und noch immer sehen sie sich so unglaublich frisch verliebt in die Augen. Nele diskutiert gerade mit Viktor darüber, ob der Bach nun aus dem See oder in den See fließt, was ich nur leicht belächle. Der Wind verstärkt sich, ich ziehe meine Jacke fester um den fröstelnden Körper. Till scheint es zu bemerken, rückt etwas näher und streicht mit seiner Hand mehrmals fest meinen Oberarm entlang, verbreitet Wärme. Seine Mundwinkel schwingen sich nach oben, hinterlassen den bekannten Glanz in den grünblauen Augen. Schüchtern senke ich den Kopf, betrachte einige Nachtfalter die federleicht ihre Flügel schwingen und durch die Nacht tanzen. Die hitzige Diskussion um den kleinen Bach scheint beendet zu sein, Nele und Viktor lachen nun über einen von Cäcilias Witzen. „Was sind denn eigentlich eure Pläne? Die Weltreise habt ihr ja jetzt beendet. Studium, Ausbildung, Praktikum?" Tills Frage lenkt das Gespräch nun auf die beiden jüngeren Frauen, die sofort anfangen, über ihre Zukunft zu sprechen. Ich lege mir mit meiner linken Hand eine Strähne aus der Stirn, setze sie wieder neben mir ab. Aber anstelle den kalten Wiesenboden zu spüren, erfüllt mich wieder das bekannte Kribbeln, die Wärme, das Herzrasen. Meine kleine Hand ist direkt auf der von Till gelandet. Ich fühle die zarte Haut an meiner Handfläche und einen Finger, der sanft und ganz langsam meinen kleinen umschließt. Er scheint nicht zurückziehen zu wollen und auch wenn diese Annäherung von meiner Seite sicher keine Absicht ist, lasse auch ich es zu, übe einen minimalen Druck aus, kaum spürbar. Im Hier und Jetzt steht die Welt still. Hat aufgehört, sich zu drehen. Nur meine kleine Welt dreht sich noch, die in meinem Kopf. Dreht sich nur um Till. Alles um uns herum blende ich aus. Till und ich. Mitten in der Nacht unter einem bezaubernden Sternenhimmel, die Hände aufeinandergelegt, die Körper verbunden. In diesem Moment sind wir eins. Nicht Till und Martha. Nicht er und ich. Sondern wir.
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5_Jahre_danach
FanfictionEin Wiedersehen nach über 5 Jahren. Zwei Menschen, deren Anziehungskraft immer noch so stark ist, wie die zweier Dipole. Eine leidenschaftliche Liebe, die die beiden immer wieder zueinander führt. Zwei Leben, die sich so lange Zeit nicht berührten...