Kapitel 12

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Ich bin noch nicht mal richtig wach, da schleicht sich schon wieder eine ganz bestimmte Person in meine Gedanken. Diese funkelnden grünblauen Augen, das unverwechselbare Lächeln, die lockigen Haare, die sich so unglaublich weich zwischen meinen Fingern anfühlen, die starken Arme, die muskulöse Brust. Hilfe, was denke ich hier! Das geht nicht, vor allem heute nicht. Einen ganzen Tag alleine mit Till, einerseits kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, so viel Zeit nur mit ihm zu verbringen. Andererseits macht mich alleine der Gedanke daran schon total nervös. Jedes Mal, wenn er in meiner Nähe ist bricht das totale Gefühlschaos in mir aus. Auf jeder erdenklichen Stelle meines Körpers breitet sich eine Gänsehaut aus, meine Atmung wird schneller und mein Herz fängt an wie verrückt zu schlagen. Auch wenn ich keinen Schimmer habe, wie ich den heutigen Tag überleben soll ohne komplett die Kontrolle über mich selbst zu verlieren, freue ich mich mega. Und es gibt wirklich schlimmere Aussichten als einen halbnackten Till nur in Badehose. Okay Martha, ganz falscher Gedanke. Um mich von meiner Vorstellung, die mir zugegeben schon sehr gefällt, abzulenken, ziehe ich mir schnell etwas an, kämme mir kurz mit meiner Bürste durch mein strohblondes Haar und bin dann auch schon mit schnellen Schritten unterwegs in Richtung Frühstück. Ich habe einen Bärenhunger. Die anderen sitzen schon alle um den Tisch und essen genüsslich ihre Pfannkuchen. PFANNKUCHEN, ich liebe Pfannkuchen. Wie geil ist das denn?! Plötzlich schnellen alle Köpfe in meine Richtung und die meisten fangen an zu lachen, als sie meinen kindlich begeisterten Gesichtsausdruck sehen. Ich konnte mir wohl einen freudigen Aufschrei nicht verkneifen. Im nächsten Augenblick sitze ich schon auf einem freien Platz und schaufele die köstliche Eierspeise in mich hinein. Auf dem Tisch finde ich sogar ein riesiges Glas Nutella. Heute ist anscheinend mein Glückstag, mein absolutes Lieblingsessen zum Frühstück und den ganzen Tag Till um mich herum. Es gab schon Tage mit schlechteren Aussichten in meinem Leben. Apropos Till, den habe ich ja noch gar nicht gesehen. Ich scanne den ganzen Tisch mit meinem Blick ab, aber von Till ist keine Spur. Das scheint Viktor zu merken, der spricht mich nämlich darauf an, als mein Blick das zweite Mal über ihn schweift: „Suchst du jemand bestimmten? Nur für den Fall, dass du Till suchst. Der ist in unserem Zelt, er hat vor uns allen gegessen und musste jetzt noch irgendwas erledigen." Langsam nistet sich doch ein schlechtes Gefühl in meiner unteren Bauchgegend ein. Gestern Abend war er schon so anders, fast so, als hätte er keine Lust mehr auf mich. Hallo, er hat sich freiwillig neben Rike gesetzt, obwohl neben mir auch noch ein Platz frei war. Nicht, dass er ein Problem mit ihr hätte, aber dass er freiwillig das Risiko eingeht, während des ganzen Essens von unserer Labertasche zugetextet zu werden, ist doch sehr untypisch für ihn. Und auch bei unserem zufälligen Treffen im Waschraum war er so abweisend. Bis jetzt habe ich es geschafft mir nicht den Kopf über seinen plötzlichen Sinneswandel zu zerbrechen, aber langsam kann ich mich gegen das betäubende Gefühl in meiner Brust nicht mehr wehren. Auch wenn meine Gedanken gerade in eine ganz andere, düstere Richtung wandern, muss ich Viktor noch schnell antworten: „Danke, genau den habe ich gesucht. Wir müssen noch klären, wann wir jetzt genau aufbrechen." „Wie gesagt, er ist im Zelt. Du kannst jeder Zeit zu ihm gehen", wiederholt er und schaut mich dabei so komisch an. Ich kann seinen Blick, jedoch nicht wirklich deuten. Nachdem ich gefühlt tausend Nutellapfannkuchen gegessen habe, bin ich jetzt auf dem Weg zu Till. Mein Herz fängt bei jedem Schritt, den ich gehe, noch mehr an zu klopfen und vor seinem Zelt habe ich Angst, dass mein Herz gleich aus meiner Brust springt. „Till?", frage ich in die Stille. Nach kurzer Zeit erscheint Till, er schaut total zerzaust aus. Lag er gerade im Bett? Die verwuschelten Haare stehen im richtig gut, meiner Meinung nach kann er das öfter so tragen. Martha, konzentriere dich. „Hey, ich wollte dir nur Bescheid geben, dass wir uns in ner Viertelstunde am Auto treffen.", berichte ich ihm. „Okay, ich werde da sein", nuschelt der Blonde vor sich her, bevor er wieder im Zelt verschwunden ist. Was war das denn? Warum ist er so komisch? Mit diesen Gedanken laufe ich zu unserem Zelt, indem Nele gerade irgendwas an ihrem Laptop macht. „Warum tust du mir das an?", will ich von Nele wissen, während ich mich auf meine harte Matratze schmeiße und mein Gesicht in meinem gutriechenden Kissen vergrabe. Riecht das immer noch nach Tills Parfüm? Noch ein tiefer Atemzug und ich war mir sicher, das ist sein Geruch. Mhhh ..er riecht so gut. „Als ob du dich nicht auf das Surfen mit Till freuen würdest? Ich mach mich jetzt auf jeden Fall fertig für den Strand. Das solltest du vielleicht auch mal machen." Warte, was! Ich drehe mich geschockt zu Nele um. „Du gehst zum Strand? Ich dachte du hättest ein Skype Gespräch." „Nein, das habe ich gerade alles per Mail geregelt. Ich wollte einfach dir und Till die Chance auf Stunden trauter Zweisamkeit nicht nehmen.", zwinkert sie mir zu. „Erwartest du jetzt ein Dankeschön von mir?", gebe ich etwas patzig von mir. „Ja, natürlich. Wir wissen beide, dass du am liebsten Zeit alleine mit Till verbringen willst, ohne mich", erklärt mir Nele meine eigenen Gefühle und das Schlimmste ist, sie hat ja recht und anlügen muss ich meine beste Freundin beim besten Willen nicht: „Ochh man Nele, du weißt gar nicht wie sehr ich mich darauf freue. Aber irgendwie ist Till seit gestern so abweisend mir gegenüber. Wir haben seit der Situation in der Eisdiele nicht wirklich ein Wort miteinander gewechselt, er hat mich....." „Stopp Martha, hör auf dir so viele Gedanken zu machen. Du bildest dir das wahrscheinlich alles nur ein. Komm, du musst aufstehen, oder willst du deinen Traumprinzen warten lassen?", unterbricht mich Nele und verlässt daraufhin ohne ein weiteres Wort das Zelt. Ich mache mich im Eiltempo fertig, ich bin nämlich wieder sehr spät dran und ich will nicht, dass Till auf mich warten muss. Deswegen komme ich ein bisschen aus der Puste, jedoch nicht zu spät an unserem Auto an. Till wartet aber trotzdem schon an der Fahrertür lehnend auf mich. „Hey! Wartest du schon lange auf mich?", begrüße ich ihn. „Nein, alles gut", antwortet er und steigt dabei ein. Ich setzte mich ebenfalls in das Auto und werde mit jeder Minute nervöser. Dieses Mal ist es aber keine positive Nervosität, die ich immer fühle, wenn ich in Tills Nähe bin. Nein, die Stimmung zwischen uns ist total seltsam und das lässt mich fast durchdrehen. Was ist nur mit ihm los? Auf der ganzen Fahrt zur nächsten Bucht sagen wir kein Wort, wir schweigen uns einfach die ganze Zeit an. Endlich, wir sind angekommen. Ich springe so schnell ich kann aus dem Auto und will zu der kleinen Surfschule gehen, bei der wir heute einen Kurs gebucht haben, als plötzlich eine Hand mein Handgelenk umfasst und mich daran zurückzieht, bis ich kurz vor Till stehen bleibe. Ich hebe meinen Blick und sehe direkt in seine wunderschönen Augen, diese blaugrünen Augen halten mich gefangen. Ich kann mich einfach nicht dagegen wehren und eigentlich will ich das auch gar nicht. Unsere Gesichter sind nur noch Millimeter voneinander entfernt, sein unvergleichbarer Duft umhüllt mich. Eine Gänsehaut, die bis zur letzten Faser meines Körpers reicht, meine Atmung wird immer unruhiger, mir wird abwechselnd heiß und kalt und mein Herz fängt an zu rasen, als ob ich gerade einen Marathon hinter mir hätte. Es schlägt so laut, dass ich Angst habe, dass er es hören könnte. Oder ist es sogar sein Herzschlag, den ich höre? Unsere Gesichter kommen sich immer näher. Ich senke meinen Blick auf seine perfekt geschwungenen Lippen. Ob sie wohl immer noch so weich sind?

5_Jahre_danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt