Friedlich schlendere ich den Kiesweg, der durch den Campingplatz führt, entlang und genieße die letzten Sonnenstrahlen, die mir winzige Sommersprossen aufs Gesicht zeichnen. Die leichte Abendbrise weht mir durch die kurzen, strohblonden Haare und ich muss lächeln. So schön es auch ist, alle endlich wiederzusehen, freue ich mich gerade über die Zeit für mich alleine. Das Internatsleben habe ich schon lange hinter mir gelassen und nun bin ich es gewohnt ständig alleine zu sein, wenn ich nicht gerade in einem Hörsaal der Uni sitze. Ich betrachte kleine bunte Blumen am Wegesrand und entdecke nun auch einen alten vermoosten Wegweiser. Mir kommt sofort eine Idee. „Leute, wer hat Bock bisschen die Gegend zu erkunden?" rufe ich in Richtung unserer Zelte und es heben sich die Köpfe meiner Freunde und sie schlendern gemütlich auf mich zu. „Da steht „plage"", bemerkt Rosa „kann jemand von euch französisch?" Einstimmiges Kopfschütteln ist zu vernehmen und Pit brummt nur. Wahrscheinlich ist er noch wegen dem Zeltaufbau genervt. „Na dann gehen wir doch einfach mal los", schlägt Till vor und führt die Gruppe an. In diesem Punkt hat er sich nicht wirklich verändert. Allerdings wirken seine Beine deutlich muskulöser, stelle ich fest, als ich hinter ihm den trockenen Waldweg entlang gehe. Bevor Nele oder Sibel meinen Blick bemerken können, drehe ich mich um und beginne ein Gespräch mit Jona und Hermann. „Hey, ich hab euch ja noch gar nicht gefragt, was ihr jetzt so macht?" „Ja man wird's nicht glauben, aber ich habe gegen Ende meiner Schulzeit meine Leidenschaft für Deutsch und Geschichte entdeckt. Das studiere ich jetzt auf Lehramt. Deutlich einfallsreicher als Hermann war ich dann doch", meint Jona lachend. „Ich hatte wirklich keine Ahnung nach unserem Abschluss am Einstein, dann hab ich mich eben dazu entschieden nach Australien zu reisen. Backpacking und so", antwortet Hermann verlegen. „Krass, aber mega, dass der Kontakt noch häl..." „Wow...", werde ich unterbrochen. Der Strand ist ja wirklich wahnsinnig schön!" Rike scheint völlig begeistert zu sein und läuft auf das klare Wasser zu. Die Sonne steht schon etwas tiefer und den Wind spürt man hier an der Küste deutlich mehr. Mein Blick streift wieder Till. Er grinst nur kurz in meine Richtung, fasst seinen dunkelblauen Pulli am Bund und zieht in sich über den Kopf. Oberkörperfrei steht er nun knapp zwei Meter entfernt und ich muss mich zusammenreißen, dass ich nicht wieder ins Starren komme. „Wer kommt mit mir ins Meer?", ruft er in die Runde. Nele und Sibel grinsen mich an, nehmen je eine meiner Hände und ziehen mich zum Wasser. „Ne Leute, echt nicht. Ich bleib bisschen am Strand, das Wasser ist doch viel zu kalt!" Aber meine Bitten werden nicht erhört und so merke ich, wie sich das salzige Wasser durch meine Kleidung kämpft und ich schließlich doch mit allen meinen Freunden bis zum Hals im Meer stehe. Und sofort vergesse ich alle Zweifel und Sorgen. Der Kampfhund hat sich soeben verabschiedet. Ein Blick in die glücklichen, lachenden Gesichter um mich herum war genug, um mich völlig gehen zu lassen und eine gigantische Wasserschlacht zu starten. Das laute, herzliche Lachen meiner Freunde zeichnet auch mir ein Lächeln ins Gesicht. Die ersten verlassen das Wasser, als eine Wolke sich vor die Sonne schiebt und der Wind wieder leicht zunimmt. „Wir gehen jetzt lieber wieder zurück zu den Zelten, wir haben keine Jacken dabei und mussten heute schon sehr früh aufstehen, gute Nacht und bis Morgen!", ruft uns Cäcilia vom Ufer aus zu, legt ihren Arm um Leni und die beiden verschwinden in den Wald zurück. Die wollen doch auch nur ein bisschen alleine sein, denke ich und drehe mich zu den anderen, die sich auch wissend angrinsen. „Wir gehen dann auch mal, ist jetzt doch bisschen kalt", bringt auch Rike hervor und zeigt auf die Gänsehaut auf ihrem Arm. Bis auf Pit, Viktor, Nele, Sibel, Till und mich sind nun alle in den warmen Zelten, aber wir können gar nicht genug kriegen von den kräftigen Wellen und den warmen Rottönen, die den Horizont zieren. Als mich Nele fragt, ob ich ein Foto von ihr im Meer machen könnte, stimme ich zu und kämpfe mich durch den stärkeren Seegang zurück an Land. Ich bücke mich mit dem Rücken zum Meer zu meiner Tasche und ziehe mein Handy heraus. Doch mit dem Bild, dass ich durch den kleinen Bildschirm sehe, habe ich absolut nicht gerechnet. Till stolziert aus dem Wasser, hebt seine muskulösen Arme, um sich das Wasser aus den Augen zu reiben, senkt dann den Kopf leicht und schüttelt ihn einmal stark, wodurch das Wasser in kleinen Perlen durch die Gegend spritzt. Ich merke, wie sich meine Lippen leicht öffnen und senke mein Handy. Die Wassertropfen auf seinem durchtrainierten Körper glitzern von den letzten Sonnenstrahlen und im Hintergrund spiegelt sich der Sonnenuntergang im türkisen Meerwasser. Ich weiß nicht wie lange ich da wie versteinert stehe, während mir das Wasser von meinen nassen Kleidern auf den warmen Sand tropft. Nele reißt mich aus meiner Starre: „Hast du jetzt schon ein Foto gemacht?" „Äh ne, noch nicht", stottere ich, hebe mein Handy wieder an, drücke ein paar mal auf den runden Knopf und lasse es schnell wieder in meiner Tasche verschwinden. Was war das denn? Hab ich jetzt komplett die Kontrolle über mich verloren? Und was macht jetzt Till? Er setzt sich mit einem breiten Grinsen direkt vor meinen Füßen auf den Boden. Gehts noch? „Äh was wird das?", frage ich ihn entgeistert. Er beachtet mich allerdings gar nicht, ruft nur zu den anderen, dass es doch schön wäre, wenn wir uns in einen Kreis in den Sand setzen und uns noch ein bisschen erzählen, was die Jahre so passiert ist. Als sich die anderen neben Till auf den Boden setzen, gehe ich zwei Schritte zurück und tue es ihnen gleich. Natürlich darauf bedacht, dass ich Till weder die ganze Zeit in die Augen sehen muss oder er sogar neben mir sitzt.
„Seht ihr das Sternenbild da oben?" fragt Pit, nachdem wir einige Zeit über unsere Erlebnisse gequatscht haben. Er zeigt mit seinem rechten Zeigefinger in den nun dunklen Himmel an dem man, wie ich jetzt feststelle, die Sterne richtig klar sehen kann. „Das ist der große Wagen", erklärt er stolz weiter und verfällt in einen Monolog über Sternbilder und sonstigen Astronomiequatsch, von dem ich nichts verstehe. Ob es daran liegt, dass ich ja kein Astronomie sondern Schauspiel studiere, oder daran, dass ich immer wieder Blicke auf mir spüre die ich nicht zuordnen kann, weiß ich nicht. „Hey Martha, ist dir kalt? Du zitterst etwas und du hast Gänsehaut", spricht mich Viktor an. Ich schaue auf meinen Arm und dann zu ihm und nicke leicht in seine Richtung. Jetzt ist es inzwischen halb zwölf und die Luft lange nicht mehr so warm wie heute Mittag. Dass ich nasse Kleider anhabe, macht es auch nicht gerade besser. Viktor meint nur er würde mir etwas zum überziehen geben, hat aber selbst nur ein Shirt mitgebracht. „Hier, kannst meinen haben", kommt von Till, als er mir seinen Pulli reicht. Leicht streift mein kleiner Finger beim Übergeben seinen Handrücken und die Gänsehaut auf meiner Haut wird stärker, ebenso zeichnet sich eine leichte Röte auf meinen Wangen ab, die aber in der dunklen Nacht hoffentlich nicht auffällt. Ich bedanke mich leise und ziehe mir das dunkelblaue, warme Material über den Kopf. Sein Duft umhüllt mich sofort und mein Herz wird warm. Hat er all die Jahre sein Parfüm nicht gewechselt? Und schon schweifen meine Gedanken wieder ab zu unserem Kuss, als ich das erste mal diesen Duft wahrgenommen habe. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. „Mir ist auch kalt, lass uns doch zurückgehen" schlägt Sibel vor. Wir stimmen alle zu und machen uns auf den Weg zurück. Ich verstecke meine kleinen Hände in den Ärmeln des weichen Pullis und Schlinge meine Arme um meinen Oberkörper. Ein paar Glühwürmchen schwirren in den Baumkronen umher und man hört in der Ferne die Rufe einer Eule. Selbst später im Zelt muss ich noch an diesen Moment denken, an dem Till aus dem Wasser kam. Es lässt mich einfach nicht los. Nachdem ich Sibel und Nele gute Nacht gesagt habe, schließe ich meine Augen und vergrabe meine Nase unter dem Saum Tills Pullis, den ich immer noch trage. Ein Bild taucht vor meinen Augen auf: zwei grünblaue Augen, die mich sehr an die Farbe des Meers heute erinnern, Tills Augen. Und mit dem Gedanken an ihn und seine Augen schlafe ich auch ein.
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5_Jahre_danach
FanfictionEin Wiedersehen nach über 5 Jahren. Zwei Menschen, deren Anziehungskraft immer noch so stark ist, wie die zweier Dipole. Eine leidenschaftliche Liebe, die die beiden immer wieder zueinander führt. Zwei Leben, die sich so lange Zeit nicht berührten...