Kapitel 5

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„Martha, aufstehen! Die anderen frühstücken schon längst und du bist immer noch nicht wach. Ich habe dich doch vorhin schon aufgeweckt, aber du bist einfach wieder eingeschlafen. Das ist so typisch für dich", holt mich Nele nicht gerade rücksichtsvoll aus meinen Träumen. „Boooaaaa Nele, sei leise! Ich will noch nicht aufstehen, ich habe gerade so etwas Schönes geträumt und dann hast du mich einfach aufgeweckt", motze ich und ziehe mir dabei meinen kuschligen warmen Schlafsack über den Kopf. Und dann fängt Nele einfach an zu lachen: „Also Till kannst du auch in reallife haben. Der sitzt schon beim Frühstück." Als Reaktion auf Neles überaus dämlichen Spruch werfe ich ihr mein Kissen an den Kopf. „Halt doch einfach die Klappe! Wer hat denn gesagt, dass ich von Till träume? Dieser Angeber interessiert mich überhaupt nicht!" Das führt aber nur dazu, dass Nele anfängt noch mehr zu lachen: „Genau! Deswegen liegt Tills Pulli auch ganz zufällig unter deinem Kopfkissen." Scheiße, durch meine Kissenaktion ist sein Pulli zum Vorschein gekommen, den habe ich gestern Abend unter mein Kopfkissen gesteckt, ich konnte einfach nicht anders. Er riecht so gut nach ihm. „Ach der Pulli, ich habe gestern einfach vergessen ihn Till zurückzugeben", antworte ich stockend während ich mir den Schlaf aus den Augen reibe. „Der ist dann auch von selbst in dein Bett gewandert, ne ist klar Martha." „Nele, du nervst! Den Pulli gebe ich Till heute noch zurück. Und jetzt hau ab, ich will mich fertig machen!" Endlich, Nele verlässt mit einem belustigenden Grinsen auf den Lippen das Zelt, aber nicht ohne mich nochmal darauf hinzuweisen, dass ich mich bitte beeilen soll da alle schon auf mich warten. Ich habe ja Nele echt gern, manchmal nervt sie aber extrem und sie muss ja auch nicht alles wissen. Mit diesem Gedanken verstecke ich Tills dunkelblauen Pulli ganz tief in meinem Koffer. Danach mache ich mich wirklich schnell fertig und sitze 5 Minuten später schon am Frühstückstisch. Die anderen sind schon alle fertig. Wie lange habe ich bitte geschlafen? Nur noch Rosa isst gerade die letzten Bissen ihres Brotes. Sie leistet mir jedoch Gesellschaft während ich mir mein Müsli reinstopfe. Es ist einfach viel verrückt, die kleine süße Rosa ist jetzt auch volljährig. Wie schnell die Zeit vergeht. Da die andern schon angefangen haben, das Frühstück aufzuräumen und das Geschirr zu spülen können wir uns schon wenige Minuten später auf dem Spielplatz treffen. Für heute ist eine ganztägige Kajaktour geplant und dafür müssen wir uns noch in Zweierteams aufteilen. „Also, ich habe mir gedacht, dass wir die Teams auslosen. Das ist am gerechtesten und so können die lustigsten Konstellationen zustandekommen", erklärt uns Rike, die zum Glück wieder alles geplant hat. „Ich finde die Idee mit den Losen echt toll. Leider kann ich nicht mitkommen. Pawel braucht heute meine Hilfe und ich habe ihm versprochen, dass ich jederzeit für ihn erreichbar bin. Deswegen bleibe ich lieber auf dem Campingplatz. Ich kann euch aber hinbringen und auch wieder abholen", beichtet uns Sibel. Das finden wir natürlich alle sehr schade, aber die Liebe hat natürlich Vorrang. „Okay, dann ohne Sibel", Rike holt den Zettel mit Sibels Namen aus dem Lostopf, den sie schon vorher vorbereitet hatte, mischt die anderen Zettel noch einmal gut durch und zieht die ersten beiden: „Die Spannung steigt, das erste Team ist Cäcilia und Hermann.". Auf einmal fangen alle an zu lachen, das ist ja auch einfach zu komisch. Wirklich niemand würde auf die Idee kommen, die beiden zusammenzustecken. Und auch die zweite Paarung, Jona und Moritz, wäre ohne das Losen wahrscheinlich nie zusammen in einem Kajak gefahren. „Unser nächstes Paar ist bestimmt ein absolutes Dreamteam und besteht aus Till", Rike macht eine kurze Pause um die Spannung zu steigern. Bitte, bitte nicht ich. Ich würde es nicht aushalten mit Till auf einem so kleinen Raum so viel Zeit verbringen zu müssen. „Und Martha", beendet Rike wie eine richtige Moderatorin den Satz. Boooaaaaaa, das war so klar, dass meine Bitte nicht erhört wird. Kann ich mich bitte irgendwo verbuddeln gehen? Nele ist in dieser aussichtslosen Situation auch keine wirkliche Hilfe. Sie kann sich nämlich nicht verkneifen ein, „sogar das Schicksal führt euch schon zusammen", in mein Ohr zu flüstern. Danke Nele, ich hätte gedacht wir wären Freundinnen. Helfen sich Freunde nicht gegenseitig in brenzligen Situationen? Und schon führen meine Gedanken wieder ein Eigenleben, das sich wie immer nur um eine Person dreht. Wir werden uns in diesem Kajak so nah kommen. Das wird mich doch mehr als umbringen. Nur am Rande bekomme ich mit, dass Leni und Rike wie auch Rosa und Pit sich ein Kajak teilen werden. Nele hat mal wieder richtig Glück und fährt mit Viktor zusammen. Ichnhabe nicht mal Zeit mich irgendwie auf die bevorstehenden Qualen vorzubereiten da wir uns in 3 Minuten schon an unserem Auto treffen, das extra für unseren Urlaub angemietet wurde. Nachdem jeder noch einmal kurz in seinem Zelt verschwunden ist, geht es auch schon los. Sibel fährt uns zu dem Kajakverleih, wünscht uns viel Spaß und ist dann auch schon wieder auf dem Rückweg in Richtung Campingplatz. Spaß, genau das werde ich heute nicht haben. Unter normalen Umständen wäre ich total geflasht, jetzt denke ich aber nur an den Albtraum, der mich gleich erwarten wird. Es ist wirklich malerisch schön hier. Der Kajakverleih liegt an einem türkisblauen Fluss, der sich durch den dichten Wald schlängelt. Man kann die Vögel zwitschern hören und sogar ein paar Schmetterlinge fliegen um uns herum. Wir werden von dem Chef des Verleihs kurz begrüßt, der schon alles für uns vorbereitet hat. Nach einer kurzen Einführung seinerseits, zieht sich jeder eine Rettungsfeste an, und steigt mit seinem ausgelosten Teampartner in ein Kajak ein. Okay, tief durchatmen. Und los, ab in den Kmapf. Till und ich sitzen gerade erst richtig in unserm Kajak da hören wir es schon platschen. Cäcilia und Hermann sind gekentert. „Das ist alles deine Schuld, nur wegen dir bin ich jetzt nass, warum muss ich mir auch mit dir ein Kajak teilen, mit Leni wäre das nie passiert!", faucht Cäcilia Hermann an. Hermann versucht sich zu verteidigen: „Wenn du mal stillgesessen wärst, wäre das doch nie passiert!" „So ein Quatsch....",fängt Cäcilia an, wird aber zum Glück von Leni unterbrochen: „Hey, meine Süße, beruhig dich, das ist doch alles nicht so schlimm. Versucht es einfach nochmal, ihr schafft das zusammen." Es ist echt erstaunlich welche Wirkung Leni auf Cäcilia hat. Sie beruhigt sich sofort und entschuldigt sich sogar bei Hermann. Das muss echte Liebe sein. Der nächste Versuch der beiden Streithähne funktioniert, auch wenn es noch ziemlich wackelig aussieht. Irgendwie hat jedes Team Probleme mit dem Kajak. Pit und Rosa drehen sich die ganze Zeit im Kreis¸ Nele und Viktor kommen nicht vom Fleck, nur bei Till und mir klappt es erstaunlich gut. Das fällt natürlich auch Nele auf: „Das klappt ja super bei euch. Ihr seid ja ein richtiges Dreamteam." Ich kann nicht verhindern, dass mich Neles Satz ein bisschen erröten lässt. „Ach was, das funktioniert nur wegen mir so gut ohne meine starken Arme wäre Martha doch total aufgeschmissen!", ist Tills Antwort auf Neles Feststellung. Das kann ich natürlich nicht auf sich sitzen lassen: „Erstmal, ich würde es auch ohne dich schaffen und zweitens, du bist ja immer noch so ein Angeber wie vor 5 Jahren", kontere ich. Das fängt ja schonmal gut an. Nach 3 weitern Minuten in denen wir irgendwelche Übungen mit dem Kajak gemacht haben können wir endlich losfahren. Jetzt sind wir bestimmt schon über 2 Stunden unterwegs. Die Tour war bisher wirklich wunderschön, die Landschaft ist wirklich atemberaubend. Manche Stellen, die wir auf unserer Route flussabwärts durchfahren mussten waren sogar ziemlich anspruchsvoll. Jeder hat sie aber gut überstanden. Till und ich hatten überhaupt keine Probleme, wir haben alles perfekt gemeistert auch, wenn wir seit unserem Streit am Anfang kein Wort mehr gewechselt haben und Till mich hin und wieder richtig abgelenkt hat, aber das Zusammenspiel seiner Schulter und Arm Muskulatur hat mich einfach nicht kalt gelassen. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, die Stille zwischen uns, die ich als ziemlich bedrückend wahrnehme, nervt mich total. „Ich hätte echt nicht gedacht, dass wir beide zusammen so gut harmonieren." „Hallo, du sitz mit einem Profisportler im Boot. Was erwartest du denn? Alleine würde es bei dir schon anders ausschauen.", erwidert Till flapsig. Jetzt brennt bei mir eine Sicherung durch: „Um es ein für alle Mal klarzustellen, ich brauche dich nicht! Ich habe die letzten Jahre auch gut ohne dich leben können, vielleicht hast du mir früher was bedeutet, jetzt aber nicht mehr! Ich bin sowas von über dich hinweg! Also lass mich einfach in Ruhe, zwischen uns war nie was und wird auch nie was sein!"

5_Jahre_danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt