Kapitel 47.

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Ich spannte mich an. Logan hatte also tatsächlich recht gehabt. Doch ich wollte ihn nicht verurteilen,

schließlich hatte ich ihn endlich so weit, dass er mir aus seiner Vergangenheit erzählte. „Was ist passiert?“, flüsterte ich und er seufzte tief. „Erinnerst du dich an das Pärchen, das wir in dem Hotel im Fahrstuhl getroffen haben?“, fragte er und ich nickte. Meiner Meinung nach waren sie sehr nett gewesen und doch hatte mich Matthew danach angefahren und mir zu verstehen gegeben, dass sie es ganz und gar nicht waren. „Ihre Tochter war früher mit mir in einer Klasse. Wir waren gut befreundet und dann, als ich 18 war, hatte ich mich in sie verliebt. Wir sahen uns fast täglich, haben viel mit einander unternommen…naja, ich habe ihr eines Tages das Herz ausgeschüttet und sie lachte mich aus, meinte ich sei ein Narr, dass ich mich in sie verliebt hatte und dass sie einen Freund hätte. Ich bin furchtbar wütend geworden..“, begann er und ich schluckte. „Und dann hast du sie getötet?“, beendete ich seinen Satz und er keuchte auf.

„Um Gottes Willen, natürlich nicht! Ich liebte sie! Wie hätte ich ihr auch nur ein Haar krümmen sollen?“ Er schlang seine Arme um mich und ich seufzte erleichtert. Ich hatte tatsächlich damit gerechnet, dass er sie in seiner Wut vielleicht zu hart geschubst hatte oder womöglich geschlagen. Schließlich wusste ich, wie er wurde, wenn er sauer war. „Nein, ich habe sie nicht umgebracht! Ich habe ihr die Freundschaft gekündigt und bin gegangen. Ich habe sie danach monatelang nicht gesehen, habe es auch geschafft, meine Gedanken nicht an sie zu verschwenden und dann eines Abends traf ich sie mit ihrem Freund hinter einem Club. Die beiden haben sich furchtbar gestritten und dann packte er sie plötzlich, drückte sie gegen die Wand und schlug zu. Da habe ich rot gesehen.“

Matthews Stimme klang plötzlich tonlos. Als ich meinen Kopf hob, um ihn anzusehen, wusste ich warum. Er starrte aus dem Fenster und sah aus, als wäre er vollkommen in seiner Erinnerung gefangen. Sein ganzer Körper bebte. Vorsichtig drängte ich mich weiter an ihn, ich wollte ihm so nah wie möglich sein, wollte für ihn da sein, ihn beschwichtigen weiterzusprechen. Und das tat er. Doch nicht, ohne mir vorher einen Kuss auf den Scheitel zu geben. „Ich bin auf ihn losgegangen, habe ihn von ihr weggezogen und ihm eine verpasst. Doch der Mistkerl sah aus wie ein Preisboxer, mein Kinnhaken hatte ihn nicht im Geringsten interessiert. Er ist ausgerastet, hat mich beleidigt und mich angebrüllt, dass ich mich verpissen sollte, er wolle sich in Ruhe um die Schlampe kümmern. So hatte er es ausgedrückt. Ich habe Lilly angesehen, habe das Blut realisiert, das aus ihrer Nase tropfte und dachte gar nicht daran, sie mit dem Kerl alleine zu lassen. Ich bin wieder auf ihn losgegangen und habe ihr zugerufen, dass sie verschwinden und die Polizei rufen sollte. Das hat sie auch getan.“

Ich hörte ihn schlucken und fuhr ihm beruhigend über den Rücken. Er hatte sie beschützt. „Als sie um die Ecke gerannt ist, hat der Typ plötzlich eine Waffe gezogen und sie auf mich gerichtet. Er war fuchsteufelswild, hat getobt und wedelte immer wieder mit dem Lauf vor meinem Gesicht herum. Ich wusste, dass er abdrücken würde, also habe ich das einzige getan, was ich in diesem Moment für richtig gehalten habe. Ich habe nach seiner Hand getreten und ihn damit überrascht. Er ließ die Waffe los, sodass sie davonschleuderte, doch er hechtete hinter her. Ich musste sie zuerst zu fassen kriegen, sonst hätte er mich über den Haufen geschossen. Ich wollte noch nicht sterben, also rutschte ich ebenfalls über den Boden und konnte sie tatsächlich zu fassen kriegen. Ich drehte mich auf den Rücken und dann sprang der Mistkerl plötzlich mit lautem Gebrüll auf mich. Ein Schuss löste sich, traf ihn direkt ins Herz….er..“, Matthew stockte, schluchzte und ich erschauderte.

Ich konnte mir vorstellen, wie furchtbar es für ihn gewesen sein musste. „…er war sofort tot. Ich konnte nichts mehr machen. Er war tot.“, wimmernd vergrub er seine Hände in seinen Haare, riss daran, so als könnte er damit die Erinnerungen vertreiben. „Pscht, pscht. Matthew. Es war ein Unfall. Der Kerl wollte dich umbringen, du hast dich nur zu schützen versucht. Dich trifft keine Schuld.“, flüsterte ich ihm zu und er lachte höhnisch auf. „Das haben die Polizisten später auch gesagt. Lilly hatte ausgesagt, dass der Typ sie geschlagen hatte und ich sie verteidigen wollte. Von der Waffe habe sie allerdings nichts gewusst. Aber die Polizisten glaubten mir, ich kam auf freien Fuß. Lillys Eltern jedoch glaubten mir nicht. Sie hatten immer geglaubt, dass ich nicht gut für ihre Tochter sei, ein Schläger und Verbrecher. Sie meinten, dass ich der Besitzer der Waffe gewesen wäre. Sie beschuldigten mich zwar nicht des Mordes, doch sie verboten mir, ihre Tochter weiterhin zu sehen und erzählen in der Stadt herum, dass ich ein Monster sei. Sie machten mir das Leben zu Hölle.“

Ich keuchte entsetzt. „Du hast ihre Tochter gerettet und sie machten dir das Leben zur Hölle? Was sind das für Menschen?“, fragt ich und er zuckte die Schultern. Dann wendete er sich mir zu. „Warum hast du Verständnis für das, was ich getan habe? Warum verurteilst du mich nicht?“, fragte er und ich lächelte. „Weil ich dich verstehe Matthew. Du hast unglaublichen Mut bewiesen! Ich sehe dich nicht als ein Monster an, ganz im Gegenteil. Und der Typ war ein kranker Spinner!“ Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie ich plötzlich rücklings in den Sofakissen lag. Ich keuchte auf, als sich mein Bein schmerzhaft verdrehte, konnte jedoch nicht lange daran denken, denn Matthew legte stürmisch seine Lippen auf meine.

„Du bist unglaublich. Oh Gott, Lauren. Ich liebe dich so sehr. Ich hatte solche Angst, dass du mich hassen würdest.“, murmelte er zwischen seinen Küssen und ich seufzte. Dieser Mann, dieser einschüchternde, unglaubliche Mann war von riesigen Selbstzweifeln geplagt. „Ich hasse dich nicht. Ich könnte dich niemals hassen. Aber ich habe Angst vor dir, wenn du so ausrastet. An dem Tag, an dem ich gegangen bin, ich dachte.. ich dachte..“, stammelte ich und er vergrub sich an meinem Hals. „Du dachtest, ich würde dich schlagen.“, beendete er meinen Satz und ich nickte schweren Herzens. Matthew hob den Kopf und ich sah seinen abgebrochenen Eckzahn. Jetzt wusste ich, was passiert war.

„Ich werde eine Therapie machen, Lauren. Ich werde mit einem Psychologen über diesen Vorfall sprechen. Ich möchte dich nicht verlieren, niemals! Und ich will dir um Gottes Willen auch nicht wehtun. Es wäre furchtbar für mich, wenn ich Schuld daran wäre, wenn du gehen würdest. Das würde ich nicht verkraften. Du gibst mir so viel Halt, du bist ein Sonnenschein, der mich verändert hat. Ich will dich nicht verlieren, ich liebe dich.“ Wieder küsste er mich und ich ließ mich fallen. Auch ich wollte ihn nicht verlieren. Er war alles für mich, auch wenn ich ihm den Vorfall in seiner Küche so schnell nicht verzeihen konnte. Aber wie hieß es so schön: Die Zeit heilt alle Wunden. „Ich glaube, es wäre tatsächlich gut, wenn du mit jemandem reden würdest, der das Geschehen von einem ganz anderen Blickpunkt aus betrachtet. Ich werde dich unterstützen Matthew, ich werde dich nicht verlassen.“

Matthew lächelte. „Du bist tatsächlich das Beste, was mir je passiert ist.“ Noch einmal senke er seine Lippen auf meine, dann ließ er mich los und richtete sich auf. „Wie wär’s. Du fährst schnell nach Hause, packst ein paar Sachen und wir fahren weg. Einfach für ein paar Tage nur wir zwei. Dann können wir noch einmal ganz in Ruhe über alles sprechen. Ganz ohne Stress. Das wird uns gut tun.“ Plötzlich war er Feuer und Flamme. Ich kicherte. „Wir haben uns gerade erst versöhnt und du möchtest sofort in den Urlaub? Du bist sehr sprunghaft.“, grinste ich und er nickte. „Ich möchte dich für ein paar Tage nur für mich, bis der Alltag wieder eintritt. Bitte sag ja.“, flehte er und ich tat einen Moment so, als müsste ich ernsthaft überlegen. Doch dann lächelte ich.

„Also gut. Ich rufe mir ein Taxi und hole ein paar Sachen. Dann komme ich wieder hierher.“, sagte ich und Matthew strahlte. „Ich würde dich gerne begleiten, aber ich muss einiges regeln bevor wir aufbrechen können. Schließlich bin ich ein sehr beschäftigter Mann.“ Er zwinkerte mir zu und ich richtete mich lachend auf. „Also gut, du vielbeschäftigter Mann. Dann bis nachher.“ Mit diesen Worten griff ich nach den Krücken und küsste ihn schließlich noch einmal. „Bis nachher.“ „Bis nachher, Baby.“ Dann verließ ich die Wohnung. Als ich schließlich aus dem Fahrstuhl und aus dem Foyer trat, grinste ich vor Freude. Endlich war alles wieder gut. Das Leben ging seine geregelten Wege. Und ich war mit Matthew zusammen.

Ich ging um die Ecke, um an die Straße zu gelangen, wo ich mir ein Taxi rufen konnte. Doch bevor ich auch nur ein paar Schritte humpeln konnte, hörte ich, wie eine Autotür aufging und jemand schnellen Schrittes angelaufen kam. Bevor ich mich auch nur umdrehen konnte, wurde ich an einen Körper gezogen und mir ein Tuch vor Nase und Mund gepresst. Ein beißender Geruch vernebelte meine Sinne. Das letzte, was ich wahrnahm, bevor ich ohnmächtig wurde, war eine bekannte Stimme. „Du wirst mich niemals los.“ Dann wurde alles schwarz.

Lustful - Erwachte BegierdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt