Dort saß ich nun, in der Lobby auf einem Sofa, in einer blauen Bluse und einer schwarzen Jeans. Mir war aufgefallen, dass Josh und ich keine Uhrzeit abgemacht hatten, deswegen saß ich hier seit fünfzehn Minuten herum und hoffte, dass er bald kommen würde.
Und das tat er auch. Schon aus der Ferne sah ich seine weißen Zähne aufblitzen. Er trug ein graues Hemd und auch nur eine Jeans. Schön, dass wir uns mit unserem Style schon so einig waren.
Langsam kam er auf mich zu und genau im selben Tempo wurde mir ein wenig mulmig. Was, wenn es doch schief geht? Wenn er mir etwas antut?
"Hey", begrüßte er mich nur und setzte sich auf das Sofa gegenüber von mir.
"Hey", antwortete ich, als ich mich gefasst hatte. Es würde schon nichts schiefgehen. Das dachte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt noch.
"Du siehst sehr schön aus", merkte er an. Der Satz hallte wie immer in meinem Kopf hin und her. Du siehst sehr schön aus. Du siehst sehr schön aus. Du siehst- "Alles gut? Du wirst so blass."
"Ja, alles gut. Danke für das Kompliment", bedankte ich mich und versuchte mich aufzurappeln. "Wollen wir dann?", fragte ich ihn deutete Richtung Restaurant.
"Natürlich", antwortete er ganz vornehm und stand auch auf.
Schweigend gingen wir in die Richtung, als er sagte: "Du hast irgendetwas sonderbares an dir."
Ich zuckte mit den Schultern. "Kann schon sein, aber können wir bitte nicht darüber reden?"
"Natürlich", wiederholte er. Er schien mir alles recht machen zu wollen, womit er schon mal Pluspunkte sammelte.
Im Restaurant angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Alles war besetzt außer ein Tisch. Und das wir gleichzeitig mit Vincent ankamen, der Camille an der Hand hielt, machte alles nicht besser.
"Ich würde sagen, wir haben ein Problem, Mrs. Castillo und Mr. Connors", brachte Mr. Williams zustande, der Abends für die Tischverteilung zuständig war.
"Mrs. Castillo kann am Tisch der Angestellten sitzen", gab Vincent unhöflich zur Sprache. Er nannte mich nie beim Nachnamen. Er wollte sich über mich lächerlich machen.
"Ich werde ganz bestimmt nicht zu den Angestellten gehen. Ich habe genauso das Recht hier zu essen, wie du. Außerdem bist du doch der neue Bademeister", blaffte ich ihn an.
"Dann sehe ich hier nur eine Lösung", begann Mr. Williams seinen Satz und ich konnte mir schon denken, was er jetzt sagen würde. Wahrscheinlich hätte ich nicht anmerken sollen, dass ich in der Nähe anderer Menschen sein wollte. "Sie müssen sich den Tisch teilen oder ein Pärchen muss warten."
"Ich habe aber jetzt Hunger", quengelte Camille von der Seite.
"Ich kann eigentlich auch nicht länger, meine Eltern und ich haben etwas geplant", sagte Josh und erst jetzt wurde mir bewusst, dass es ziemlich komisch wäre, wenn er alleine hier wäre.
Ungewollte folgten wir vier also Mr. Williams zu dem kleinen Tisch in der Ecke. Camille und Vincent setzten sich gegenüber von uns beiden hin und Camille durchbohrte mich mit einem eisigen Blick. Sollte ihr nicht spätestens jetzt, wo ich mit einem anderen Typen hier war, bewusst sein, dass ich nichts von Vincent wollte?
Josh war ein viel zu netter Kerl, denn er versuchte sofort, ein Gespräch aufzubauen, während Mr, Williams noch die Kerze anzündete. "Also, ihr wohnt auch in diesem Hotel?"
"Meinem Vater gehört das Hotel", korrigierte Vincent ihn, so hochnäsig wie es nur ging.
"Und ich bin seine Freundin", quietschte Camille hinzu, worauf sie sofort einen abwertenden Blick von mir erntete. Wie konnte man sich nur darauf reduzieren, die Freundin von jemandem zu sein?
"Das ist cool", sagte Josh und versuchte immer noch höflich zu sein. Seine Hände hatte er auf dem Tisch liegen, während meine unter dem Tisch waren. An Camilles Bewegungen unter dem Tisch konnte ich erkennen, dass sie vergeblich immer wieder versuchte, Vincents Hand zu greifen.
"Hier der Rotwein", sagte der Kellner und schenkte ihn in unsere Gläser. Vincent musste ihn schon vorbestellt haben.
Aus Reflex hielt ich meine Hand über mein Glas, um den Kellner zu stoppen. "Für mich nicht, danke."
Danach drehte der Kellner wieder ab und Camille sah mich belustigt an. "Hat deine Mami dir verboten, zu trinken?"
Ich schüttelte den Kopf. "Ich will nur nicht so viele Falten bekommen, wie du sie schon hast."
Besorgt begann Camille sich im Gesicht herumzutatschen und Vincent funkelte mich mit seinen Augen an. "Kann ich dich mal kurz sprechen?", knurrte er.
"Du kannst auch einfach hier sagen, was du zu sagen hast", meinte ich und versuchte genauso zurückzufunkeln.
"Pass auf, sonst trigger ich dich gleich wieder", knurrte er weiter. Ich wurde auf diesen Satz hin und rot und spürte alle Blicke auf mir.
"Triggern? Was bedeutet triggern?", quietschte nun Camille und erntete dafür diesmal seinen bösen Blick.
"Sei doch einfach mal ruhig", sagte er zu ihr.
Sie nahm beleidigt einen Schluck von ihrem Wein.
"Pass auf, bevor ich hier über deinen Drogenausrutscher rede", drohte ich ihm, was ihn überhaupt nicht zu stören schien.
Er wollte aber ganz sicher nicht, dass ich darüber rede, wie ich ihn eines Nachts auf einer Poolliege gefunden habe und ihn in sein Zimmer hieven musste. Das war das erste und einzige Mal, dass ich dort gewesen war. Vielleicht war er aber auch so benommen gewesen, dass er gerade gar nicht wusste, wovon ich redete.
"Vincent, was meint sie denn?", fragte Camille, nachdem sie heruntergeschluckt hatte.
"Nichts meint sie. Denn sie wird jetzt ihre Klappe halten."
"Red nicht so mit ihr", mischte sich nun auch Josh ein.
Vincent funkelte nun auch ihn an. "Sonst was? Meinem Vater gehört das Hotel, du kannst gar nichts tun, außer zu verschwinden." Wollte er nun auch Josh drohen?
"Ich kann Beschwerde einreichen. Deinem Vater wird es sicher nicht gefallen, wenn er wegen seinem kleinen Bengel einige Gäste verliert."
Das wurde mir zu viel. "Josh, wir gehen", presste ich heraus und stand auf. Josh tat es mir nach.
Auf dem Weg, an Vincent vorbei, griff dieser an mein Handgelenk und drückte es ganz fest. Da war es wieder. Das Kribbeln. Es durchflutete meinen Körper und ich wusste immer noch nicht, ob gut oder schlecht.
Dann passierte es. Vor meinen Augen erschienen Bilder. Seine Hand, an meinem Bein. Ich hörte seine Stimme, wie er mir zuflüsterte, dass er mit mir machen konnte, was er wollte. Ich hatte wieder dieses Gefühl, keinen Ausweg zu kennen. Ich wollte schreien, doch er hatte seine Hand auf meinen Mund gepresst.
Im nächsten Augenblick hörte ich etwas aufeinander klatschen. Dann bemerkte ich, dass es meine Hand auf Vincents Wange war und löste mich aus seinem Griff. Ich rannte.
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Why
RomanceSofia Castillo hat in ihrer Vergangenheit schreckliches erlebt. Aufgrund dessen ist sie leicht zu verängstigen und bekommt schnell Panikattacken. Sie versucht dies in den Griff zu bekommen, doch immer wieder kommt ihr Vincent in den Weg, der versuch...