Kapitel 15

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Josh blickte erschrocken auf, während Lesley meine Anwesenheit nicht zu interessieren schien. Sie suchte immer noch mit geschlossenen Augen nach seinen Küssen, was bescheuert aussah.

Ich konnte es nicht fassen. Nicht, weil ich Josh noch nicht abgehakt hatte, sondern weil sie sich wieder in mein Leben einmischte. Ich hatte gedacht, ich hätte abschließen können, doch sie machte mir alles kaputt.

"Sofia", sagte Josh, immer noch so geschockt wie noch vor einigen Sekunden.

Ich brachte keinen Ton heraus. Im schien eher der Kuss peinlich zu sein. Mich schockierte nur, dass es Lesley war. Sie sollte gehen.

"Ich muss hier weg", sagte ich zu Hannah, die starr neben mir stand. Ich verschwand in den Menschen, bevor mir jemand folgen konnte. Die Musik war immer noch lautstark, was mir ganz gut bekam, da ich so Hannahs Rufe nach mir ignorieren konnte. Während ich durch die Menschen ging, oder besser gesagt drängelte, wurde mir klar, dass ich nichts für Josh empfand. Ich wusste nicht mehr wirklich, wie sich Liebe anfühlte, aber ich wusste, dass es nicht das Gefühl war, was ich gerade in meinem Bauch hatte. Wäre ich verliebt, hätte mir dieser Kuss auf eine andere Weise weh getan.

Im Vorbeigehen, sah ich Charlotte und Hank in einer Ecke stehen. Es sah so aus, als hätten sie Spaß, also hatte ich keinen Grund mehr hierzubleiben. Auf dem Weg nach draußen kam ich an der Küche vorbei, in der massenhaft Menschen, aber auch Getränke standen. Ich beschloss, mir einen roten Becher zu schnappen und füllte mir ein wenig Wodka mit Cola gemischt ein. Ich nahm einen Schluck davon und stellte fest, dass mein Mischverhältnis nicht sehr gut gewesen war.

Nach einer Weile taumelte ich schon fast nur noch in Richtung Ausgang. Ich lief tausende Leute um und bekam andauernd wütende Blicke ab, was ich aufgrund des Alkohols gut ignorieren konnte. Ich zog mein Handy aus der Tasche, als ich vor der Tür stand. Mein Plan war es, mir ein Taxi zu rufen. Dann fiel mir jedoch auf, dass ich kein einziges Taxiunternehmen bei Namen kannte, geschweige denn eine Telefonnummer. Genervt ließ ich mich auf die steinernen Treppen vor dem Haus fallen und stellte meinen leeren Becher beiseite. Ich hatte keine Idee, was ich tun sollte. Wegzurennen war nicht mein klügster Schachzug gewesen. Immerhin hatte Lesley jetzt eine Chance, jedem hier zu erzählen, was mit mir falsch war. Mir kam nicht in den Sinn, wieso sie das tun sollte, aber dass sie die Möglichkeit dazu hatte, ließ mich erschaudern. Alle würden denken, ich sei eine Schlampe. Genau deswegen war ich doch gerade erst vor einem Jahr geflohen und nun begann mich alles einzuholen.

Wütend tippte ich auf meinem Handy herum und versuchte, die Nummer eines Taxiunternehmens im Internet ausfindig zu machen. Dazu brauchte man allerdings auch ein Netz, was es auf dieser Insel nur begrenzt gab.

"Was bist du denn so aggressiv?"

Bei dem Klang dieser Stimme ließ ich vor Schreck mein Handy fallen. Ich hörte das Display knacken, würdigte ihm aber keines Blickes. Die Person die dort vor mir stand, war wichtiger. Meine Rettung. Wo war er nur all die Tage gewesen?

"Frag lieber nicht", stöhnte ich auf und wollte gar nicht wissen, wie schlimm sich meine Stimme für ihn anhören musste. Immerhin konnte ich gerade so noch verständlich reden. Er wollte gerade an mir vorbeigehen, da nutzte ich meine Chance: "Bist du mit dem Auto hier?"

"Ja, wieso?", wollte er wissen. Vincent blieb auf dem Treppen stehen und drehte sich wieder zu mir um. Er hatte eine Augenbraue neugierig nach oben gezogen.

"Ich will nach Hause, aber ich weiß nicht wie. Würdest du mich fahren?", fragte ich, so nett wie es ihm gegenüber ging. Die ganze Zeit versuchte ich den Moment aus dem Krankenhaus zu verdrängen, doch es funktionierte nicht sehr gut.

Vincent kam die Stufen, die er hinauf gegangen war, wieder herunter und musterte mich. "Wieso sollte ich das tun?", wollte er von mir wissen. Es war so typisch. Er erwartete für jeden kleinen Pubs eine Gegenleistung und das ging mir in diesem Moment ziemlich gegen den Strich.

"Du hast selbst gesagt, dass wir noch nicht quitt sind", sagte ich genervt und offenbarte somit, dass ich von seiner Unterhaltung mit mir im Krankenhaus wusste. Ob dieser Schachzug klug war, konnte ich in diesem Moment nicht einordnen. "Also bring mich doch einfach nach Hause", fügte ich hinzu, als er mich baff ansah.

Er zog schweigend seinen Autoschlüssel aus der Jackentasche und deutete mit einer Handbewegung an, dass ich mitkommen solle. Er ging vor, Richtung Straße. Die Nacht war kalt. Der Himmel jedoch war so klar und hell, dass man jeden einzelnen Stern erkennen konnte. Vincents Auto stand am Straßenrand und blinkte auf, als er auf seinen Autoschlüssel drückte. Ich öffnete die Beifahrertür und machte es mir bequem.

Als er auch eingestiegen war und den Motor startete, konnte ich mir eine Frage nicht verkneifen. "Wo warst du die ganze Zeit? Niemand im Hotel hat dich gesehen."

Seine eiskalten Augen blickten direkt in meine. "Du hast keine Fragen zu stellen", grummelte er.

Ich wusste nicht wieso -wahrscheinlich lag es am Alkohol-, aber ich begann das Lachen und konnte auch nicht wieder aufhören. "Du tust immer so auf starker Typ", presste ich unter meinem Gelächter hervor.

"Schreib du lieber mal deinen Freundinnen, dass ich dich nach Hause bringe", sagte er und verdrehte die Augen. Das verdarb mir dann auch meine Freude und ich nahm mein Handy zur Hand, um Charlotte und Hannah genau das zu schreiben. "Was weißt du alles?", wollte er wissen, als ich wieder von meinem Handy aufsah.

"Wenn ich keine Fragen stellen darf, beantworte ich auch keine." Ich war so zickig, wie schon lange nicht mehr. Seine Augen funkelten, was meinen Körper zum schaudern brachte.

"Gut, dann bringe ich dich auch nicht nach Hause", sagte er, fuhr aber dennoch los. Wohin wollte er denn sonst fahren?

"Mach doch was du willst", murmelte ich. "Aber alles ist besser als hier zu bleiben."

Vincent antwortete darauf nicht und fuhr einfach die Straße entlang. Zuerst bog er rechts ab, was entgegengesetzt der Richtung war, aus der ich vor einigen Stunden noch gekommen war. Dann verlor ich den Überblick. Ich kannte diese Gegend nicht, konnte also kein bisschen einordnen, wo ich mich befand.

"Willst du mich jetzt umbringen, oder wieso fährst du so weit von Zuhause weg?", murmelte ich und hatte es schwer, meine Augen offen zu halten. Die Müdigkeit meines kleinen Rausches bahnte sich an und die Dunkelheit machte es nicht besser. Das Radio war ausgeschaltet und die Stille war bedrückend.

"Ich könnte dir nie etwas antun."

Bei diesen Worten erschauderte mein ganzer Körper, aber auf eine gute Art. Es war eine Wärme, die mich durchflutete. Das von einem Jungen zu hören, war etwas besonderes für mich.

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