Achtung: In diesem Kapitel werden einige Dinge auf eine nicht so schöne Art und Weise beschrieben. Dies dient aber nur dazu, den Gefühlen der Protagonistin mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. Wenn ihr mit so etwas nicht klar kommt, dann hört bitte hier auf zu lesen.
"Sofia", schrie sie mit ihrer quietschenden Stimme auf, so dass meine Ohren schmerzten.
"Lesley", stöhnte ich und rappelte mich auf.
Mr. Williams trat hinter der Rezeption hervor. "Ist alles okay bei Ihnen, Mrs. Castillo?", fragte er mich und wollte mir wohl eigentlich die Hand reichen, doch ich war schon auf den Beinen. Ich nickte ihm zu und Lesley sah mich immer noch begeistert an.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Als Mr. Williams wieder hinter seinem Tresen verschwunden war, brachte ich ein: "Wieso bist du hier?", heraus.
Sie fing an zu lachen, so wie ich es nur zu gut in Erinnerung hatte. "Du glaubst, du könntest einfach verschwinden und niemand würde dich suchen? Ich hatte schon lange eine Spur, dass du hier bist, aber erst jetzt wo ich achtzehn bin, konnte ich kommen", erklärte sie mir. Ich ging mit ihr zu einem der Sofas. So gern ich auch aus dieser Situation flüchten wollte, da musste ich wohl durch.
"Ich bin nicht ohne Grund verschwunden", nuschelte ich. Stückweise wurde mir klar, dass ich mich zwar nicht bei anderen Leuten rechtfertigen musste, aber bei ihr. Immerhin war sie meine Freundin gewesen und ohne ein Wort zu sagen, war ich verschwunden. Jedoch war ich mir sicher, dass sie es nicht verstehen würde. Lesley lebte schon immer in einer anderen Welt wie ich.
"Du kamst nicht mehr in die Schule und hast dich nicht gemeldet. Deine Mutter hat mich jedes Mal nach Hause geschickt, wenn ich vorbeikam. Irgendwann hat dann niemand mehr aufgemacht. Beim letzten Mal, wo ich bei deinem Haus war, stand auf einmal ein zu verkaufen Schild dort. Weißt du eigentlich, wie ich mich gefühlt habe? Du hast dich nicht verabschiedet!" Sie klang sehr aufgebracht, aber ihre blonden Haare ließen sie trotzdem noch wie die Sonne strahlen. Das war das Verhängnisvoll an Lesley. Keiner wusste, wie sie wirklich war. Auch ich als ihre Freundin hatte es nie wirklich gewusst.
"Ich wollte nicht einfach so gehen", erklärte ich und gab zu: "Ich dachte, du würdest mich nicht verstehen."
"Was sollte ich denn nicht verstehen? Dass du mit Tom geschlafen hast?", platzte es aus ihr heraus.
In diesem Moment brach ein Teil von mir. Ich spürte, wie der Boden sich unter meinen Füßen wegzureißen begann und war einfach nur froh, dass ich mich zuvor hingesetzt hatte. In meinem Mund hatte ich den Geschmack von Galle, die zuvor meine Speiseröhre hochgekrochen war. Mein Kopf begann zu dröhnen, als wenn ich von einem Zug überrollt werden würde. Ich spürte richtig, wie die Farbe aus meinem Gesicht verschwand und mein Körper schlapp machte. Alle Gefühle von damals trafen mich noch einmal. Wie ich zitterte, wie meine Kehle versagte, als ich einen Angstschrei ausstoßen wollte. Das brennen auf meiner Haut, als er mich an stellen berührt hatte, die er niemals hätte anfassen sollen.
"Sofia?!" Das riss mich wieder in die Realität. Ich versuchte mich auf die Person zu fokussieren, die das gesagt hatte. Er stand weiter hinten, genau in meiner Blickrichtung. Nein, er stand nicht, er lief auf mich zu. Er sah besorgt aus. "Was ist mit dir passiert", fragte er und kam mir dabei aber keinen Schritt zu nahe.
"Trigger", stöhnte ich nur und versuchte dabei die Galle wieder hinunter zu pressen. Ich fühlte mich benommen, als wäre das hier nicht die Realität. Als wäre ich in einem meiner vielen Albträume gefangen und könnte nicht aufpassen.
"Was hast du zu ihr gesagt?", hörte ich ihn plötzlich mit seiner starken Stimme schreien. Lesley gab jedoch keine Antwort und sah ziemlich perplex aus. "Mr. Williams, holen sie sofort ihre Mutter!", rief er jetzt nach weiter hinten und ich hörte, wie jemand loslief. "Es tut mir leid Sofia, aber ich muss das jetzt tun, um dir zu helfen", hörte ich sagen. Dann spürte ich auch schon seine warmen Hände an meinen Beinen. Das letzte was ich tun konnte, war aufstöhnen. So gerne ich seine Hände weggeschlagen hätte, ich hatte keine Kraft mehr. Ich sackte einfach weg und danach war nichts mehr. Kein Traum. Kein gar nichts.
*
"Hey süße", hörte ich die beruhigenden Stimme meiner Mutter, doch ich konnte nicht antworten, geschweige denn meine Augen öffnen. Im Hintergrund war ein leises piepen, ich konnte mir denken wo ich war. Allerdings schien ich noch in irgendeinem komischen Zustand des Schlafens zu sein.
"Was machst du bloß für Sachen? Die Ärzte sagen, du hattest wohl eine Panikattacke. Zumindest nachdem, was Vincent an Symptomen beschrieben hat. Er hat dir geholfen, weißt du?" Ihre Hand strich über meine, das konnte ich genausten spüren. Das machte sie des Öfteren, wenn sie sich Sorgen um mich hatte.
Vincent hat dir geholfen, flüsterte die Stimme in meinem Kopf. Und das erste Mal sagte sie etwas, was mich nicht nervte. Für Vincents Hilfe war ich unendlich dankbar. Er hatte gewusst was los war, er hatte gewusst, wer der Auslöser war. Er wusste alles, aber auch nichts. Und trotzdem hatte er mir geholfen, was ich nicht erwartet hätte.
"Sie haben dir Beruhigungsmittel verabreicht", erzählte meine Mutter weiter. Das würde dann auch meinen Zustand erklären. "Vincent hatte von einem Mädchen erzählt, was dort war. Sie war aber schon weg, als ich kam. Seine Beschreibung erinnerte mich irgendwie an Lindsey, aber das ist wohl fast unmöglich", lachte meine Mutter. Wenn sie nur wüsste. "Wahrscheinlich geht ein Mädchen an deine Schule, was genauso aussieht."
Lindsey war der Auslöser gewesen. Ich hatte gewusst, dass das alles schief gehen würde. Warum hatte ich mich bloß selbst dazu gezwungen, es durchzustehen? Ich hätte wissen müssen, dass ich das nicht kann. Ich war noch nicht so weit und vielleicht werde ich es niemals sein. Sie hatte meinen Prozess zerstört. Ich war so weit gewesen und sie musste einen Rückfall verursachen. War ihr denn nicht klar gewesen, dass ich gegangen bin, um nicht gefunden zu werden? Und was hatte sie getan? Sie hat mich gesucht. Ich dachte sie wäre schlauer. Vor allem dachte ich, ich wäre ihr egaler. Immerhin hatte sie vor mir andauernd neue Freundinnen. Hatte sie sich denn dieses Mal keine neue und bessere gesucht?
Ich wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. "Darf ich reinkommen?"
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Why
RomansaSofia Castillo hat in ihrer Vergangenheit schreckliches erlebt. Aufgrund dessen ist sie leicht zu verängstigen und bekommt schnell Panikattacken. Sie versucht dies in den Griff zu bekommen, doch immer wieder kommt ihr Vincent in den Weg, der versuch...