Kapitel 17

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Die Fahrt nach Hause musste ich geschlafen haben, denn als ich am nächsten Morgen aufgewacht war, konnte ich mich nur noch daran erinnern, wie ich aus dem Auto ausgestiegen war und mich bei Vincent bedankt hatte. Dann war ich durch die leere Lobby in mein Zimmer geschlichen. Meine Mutter hatte auf dem Sofa geschlafen, mit einem kleinen Grinsen. Ihr Date war wohl gut gelaufen. Die Zimmertür hatte ich aufgelassen, damit meine Mutter sich vergewissern konnte, dass ich Zuhause war. Die Nachrichten von Hannah und Charlotte, wieso ich gegangen war, hatte ich ignoriert. Hannah konnte es sich immerhin denken und ich wollte nicht weiter darüber nachdenken, ob Lesley ihnen etwas erzählt hatte.

Ich gähnte, als ich am nächsten Morgen in die Küche kam. Meine Mutter stand sichtlich genervt vor dem Kühlschrank, der eine gähnende Leere aufwies. "Ich gebe zu, ich habe vergessen einzukaufen", sagte meine Mutter, als sie meine Schritte hörte. Zu meiner Belustigung nahm sie die Hände hoch, wie als wenn ich sie verhaften müsste.

"Dann mache ich mich wohl mal auf den Weg", murmelte ich verschlafen. Ich hatte keine Motivation und spürte deutlich meinen Kater, aber meine Mutter musste arbeiten. Ich hatte keine Wahl.

"Danke, meine Süße", sagte sie und nahm sich einen Apfel. "Dann muss mein Magen sich wohl erst einmal hier mit zufrieden geben."

Ich legte den Rückwärtsgang ein und ging zurück in mein Zimmer, um mir etwas ordentliches anzuziehen. Jedoch machte ich den Fehler, dass ich mich erst wieder auf mein Bett fallen ließ. Dort begann ich über das zu grübeln, was ich heute Nacht vor Müdigkeit nicht geschafft hatte. Meine größte Frage war: Wieso hatte Vincent mich nach Hause gefahren? Es hatte sich die ganze Zeit so angehört, als wenn er mehr über mich erfahren wollte und ich wollte wirklich mehr über ihn wissen. Auch im Krankenhaus hatte er alles so formuliert, als wenn er verstehen wolle, wieso ich so war wie ich war. Genau das alles wollte ich über ihn wissen. Eventuell hatte er gemerkt, dass dies der Fall war und deswegen lieber das Gespräch beendet. Er war sonderbar. Meine Gedanken über Lesley schob ich jedoch lieber beiseite. Ich wollte mir nicht den Tag verderben, bevor er begonnen hatte.

Ich entschied mich für ein schwarzes schlichtes Kleid, weil ich nicht viel an meinem Körper kleben haben wollte. Ein Mensch für Jogginghosen war ich nicht, deshalb waren Kleider ein guter Ersatz. Anschließend ging ich wieder hinaus, doch meine Mutter hatte sich schon auf den Weg zur Arbeit gemacht.

Nach einem kurzen Aufenthalt im Badezimmer trank ich noch schnell ein Glas Wasser und ließ dann auch schon die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Mein Magen grummelte und ich merkte, wie nötig ich es hatte, schnell an etwas zu Essen zu kommen. Meine Idee, im Hotelrestaurant zu essen, verwarf ich schnell. Das würde meine Mutter kaum befürworten, dafür war sie zu bescheiden. Also ging ich den langen Flur entlang Richtung Lobby. Ich konnte mich kaum auf etwas anderes konzentrieren, als auf das Gespräch zwischen Vincent und mir von letzter Nacht. Er ging mir nicht aus dem Kopf.

"Hey Sofia!"

Oh nein, stöhnte die nervige Stimme in meinem Kopf. Genau der hat dir gerade noch gefehlt. Wann reist er denn endlich mal wieder ab? Oder wohnt der jetzt auch hier?!

"Bleib doch mal stehen", bat er mich und kam einen Schritt auf mich zu. Ich blickte mich nach Fluchtmöglichkeiten um, doch es starrten mich sowieso schon alle Menschen in der Lobby an, was ziemlich unangenehm war.

"Kannst du mich bitte in Ruhe lassen?" Das war eher eine rhetorische Frage, doch er schien sie ernst zu nehmen.

"Nein", sagte er stumpf. Er verschnellerte seinen Schritt und folgte mir durch den Ausgang.

"Josh, ich möchte nicht mit dir reden", sagte ich zickig. Er hatte zu respektieren, was ich sagte. Er sollte gehen.

Nun stellte er sich vor mich und baute sich demonstrativ vor mir auf. "Ich weiß nicht, was ich dir getan habe. Ich dachte, zwischen uns läuft nichts mehr. Sonst hätte ich sie nicht geküsst."

"Hör zu, du brauchst dich nicht rechtfertigen. Zwischen uns ist auch einfach nie etwas gelaufen", sagte ich und fuchtelte dabei wild mit den Händen, was ihn eigentlich dazu bewegen sollte, wegzugehen. "Das ist sowieso eine Angelegenheit zwischen ihr und mir, du hast da also gar nichts mit zutun. Deshalb bitte ich dich inständig, geh mir aus dem Weg."

"Ich verstehe das nicht", murmelte er.

Jetzt hörte ich auch noch eine andere Stimme. "Was verstehst du nicht, Idiot? Sie hat gesagt, du sollst ihr aus dem Weg gehen und dann hast du sie ganz sicher nicht zu belästigen." Meine Rettung, mal wieder. Ich drehte mich um und sah Vincent auf uns zukommen.

"Ach so, Mr. Reich hat hier auch seinen Senf dazu zugeben?", neckte Josh ihn und zog eine Augenbraue nach oben. "Das ist wohl eine Angelegenheit zwischen ihr und mir."

"Wenn du es nicht auf die Reihe bekommst, sie zu respektieren, dann wird das auch meine Angelegenheit", bekundete Vincent und mir lief ein Schauer über den Rücken. Am liebsten wollte ich mich dieser Situation entziehen. Ich wollte einfach gehen, vor allem weil mein Magen immer mehr grummelte. Allerdings war es auch sehr peinlich, auch wenn sich kein Anderer auf dem Parkplatz befand.

"Ich respektiere sie sehr wohl, nur ich wollte eine Erklärung von ihr", laberte Josh weiter. Konnte er denn nicht einfach den Mund halten?

Ich schüttelte nur stumm mit dem Kopf. "Leute, lasst es einfach beide. Ich möchte jetzt gehen." Mein Körper versuchte an Josh vorbeizukommen, doch er ließ mir keine Chance. "Was soll das denn jetzt?" Langsam fing mein Kopf wieder an zu brummen. Es gab kein Entkommen vor ihm und das bereitete mir Angst. Das was mich noch beruhigte, war Vincents Anwesenheit.

"Lass sie gehen." Vincent wurde wütender und machte einige Schritte auf Josh zu.

"Wisst ihr was? Ich hab keinen Bock mehr auf diesen Müll. Sofia, mach doch was du willst. Es ist mir ganz egal, was du für ein Problem mit diesem Mädchen hast, aber vielleicht könntest du es das nächste Mal nicht so offen zeigen. Immerhin sind wir bald Geschwister", wies er mich zurecht. Dann warf er Vincent noch einen genervten Blick zu und ging an uns beiden vorbei, ins Innere des Hotels. Ich drehte mich zu Vincent.

"Danke, schon wieder", sagte ich, peinlich berührt. Noch schlimmer wurde es, als mein Magen ein lautes Grummeln von sich gab.

"Wie wäre es, wenn ich dich zum Essen ausführe?"

Bitte was? Selbst meine innere Stimme war schockiert von dem, was Vincent gesagt hatte. Ich versuchte seine Worte und seine Handlung einzuordnen. Es passte nicht in das Badboy-Klischee. Oder war ich so dämlich wie Camille und hatte er die Hoffnung, dass ich gut im Bett bin? Ich scannte ihn ab, um etwas zu finden, was heute anders an ihm war, doch er sah so aus, wie immer.

"Jetzt?", fragte ich also.

"Naja, wann denn sonst? Du scheinst gleich zu verhungern."

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