Ich war baff und wusste nicht, was ich denken, geschweige denn sagen sollte. Was hatte er mich da gerade gefragt? Ich versuchte, den Sinn dahinter zu verstehen. Ich wollte wissen, ob da ein Trick an der Sache war. Die Sekunden verstrichen wie Minuten. Vincent zog seine Augenbraue hoch und blickte mich an. Ich konnte keine Emotionen in seinem Ausdruck erkennen, was die Sache erschwerte.
Ich lies noch einmal alles durch meinen Kopf wandern. Ich fing an, an dem Tag, an dem ich mit Tom auf diese Party gegangen war. Er war genauso ein Typ wie Vincent gewesen. Ein Partymensch, mit vielen männlichen Freunden und bei allen beliebt. Ein Partymensch war ich damals auch noch. Er hatte mich abgeholt und wollte dann, dass ich danach bei ihm übernachte. Ich konnte mich gut an meine riesige vollgepackte Tasche erinnern. Als er sie ins Auto gehievt hatte, hatte er mich gefragt, ob ich Backsteine mitnehmen würde. Ich hatte gelacht. Da war noch alles okay. Dann waren wir los gefahren. Jedes Mal, wenn wir zusammen Auto fuhren, hatte ich nur ihn angesehen. Sein Gesicht war hübscher gewesen als alles andere um mich herum. Unsere Beziehung war zwar schon etwas länger am laufen, aber es fühlte sich immer noch frisch und neu an, so als wäre ich wirklich verliebt gewesen und das war ich auch. Die Fahrt hatte nicht lange gedauert, Toms Freund wohnte in der Nähe von mir. Wir stiegen aus dem Auto aus und hörten auch schon die extrem laute Musik. Es war live Musik. Toms Freunde hatten eine Band und er half ihnen manchmal aus, war aber kein fester Teil davon. Auf Partys spielten sie immer. Erst hatten Tom und ich uns getrennt, damit ich Zeit mit meinen Freundinnen verbringen konnte. Lesley war auch dabei gewesen und wir hatten echt Spaß. So viel, wie in dieser einen Nacht hatte ich noch nie getrunken und wenn ich so daran zurück dachte, verging die Zeit rasend schnell. Zwischendurch hatte ich einige Blackouts. Ich weiß noch, dass ich gespuckt hatte, draußen im Garten, und Lesley hatte mir die Haare aus dem Gesicht gehalten. Ab diesem Moment hatte ich mich wieder einigermaßen nüchtern gefühlt und beschlossen, mich alleine auf die Suche nach Tom zu machen. Lesley ging dann wieder zurück zu den anderen. Sie hatte kein Interesse daran, mich zu begleiten, was mir später zum Verhängnis wurde. Zum schein hatte sie meine Haare gehalten, aber in Wirklichkeit war ihr nur sie selbst wichtig. Ich hatte ewig gebraucht, um mich durch die Menge zu quetschen. Es war schwer, denn jeder hier taumelte nur noch durch die Gegend und keiner verstand mich, wenn ich sagte, sie sollten mir doch bitte Platz machen. Nach einiger Zeit hörte ich jemanden durch die Gegend grölen. Als ich aus der Menge trat, sah ich meinen damaligen Freund auf einem Tisch stehen und besoffen mit einem Mädchen tanzen. Sie hatte fast nichts mehr an und mir klappte die Kinnlade runter. In diesem Moment wusste ich überhaupt nicht, was ich sagen oder tun sollte. Toms Freunde standen um ihn herum und klatschten ihm begeistert zu, so als wenn das was er tat, etwas gutes war. So, als wenn er mich nicht genau in diesem Moment betrogen hätte.
"Sofia", hatte er erschrocken meinen Namen gesagt, als er mich erblickte. Er nahm seine Hände von dem anderen Mädchen und ließ sich von ein paar Kumpels vom Tisch helfen.
In diesem Moment gewann ich meine Reaktionsfähigkeit zurück und machte einen Schritt nach hinten. Ich wich immer weiter zurück, desto näher er auf mich zukam. Er war betrunken, weswegen ihn das einige Zeit kostete. Dann drehte ich mich um und lief. Kraft zu weinen hatte ich nicht. Ich hatte noch gar nicht richtig realisiert, was dort vor sich gegangen war. Was er dort getan hatte.
Ich bahnte mir den Weg durch die Betrunkenen und endete in einem kleinen Zimmer. Dies war wohl nicht für Partygäste gedacht, jedoch konnte mir niemand sagen, dass hier vor mir noch keiner drinnen war. Überall lagen leere Becher auf dem Boden und das Bett war verwüstet. Normalerweise wäre ich angewidert gewesen, aber ich lies mich einfach nur auf den Boden plumpsen und hoffte, dass Tom mich nicht finden würde. Mir schossen tausende Gedanken durch den Kopf, aber ich konnte sie nicht ordnen. Nur eines stand fest: Ich musste mich von Tom trennen, denn wenn man so etwas einmal verzieh, würde es immer wieder passieren.
Dann schwang auch schon die Tür auf und Tom taumelte herein. "Sofia", flüsterte er meinen Namen und lies sich vor mir fallen.
Ich rieb mir mit den Händen durchs Gesicht, um klarer zu werden. "Ich möchte nicht mit dir reden", murmelte ich. Meine Stimme war rau davon, dass ich die ganze Nacht gefeiert hatte. Ich zog meine Beine näher an mich heran, um Abstand von ihm zu halten.
Tom roch stark nach Alkohol. Wahrscheinlich mehr als ich es tat. "Ach", sagte er nur, als wenn meine Worte keine Bedeutung für ihn hatten. "Weißt du, du bist doch selbst Schuld an dem, was du eben gesehen hast. Du gibst mir ja nicht was ich will."
Ich war schockiert. Ich war damals schon keine Jungfrau mehr, das wusste Tom, aber trotzdem wollte ich es langsam mit ihm angehen lassen. "Ich bin nicht Schuld", entgegnete ich und Tränen stiegen mir in die Augen. "Ich kann nichts dafür, dass du Schwanzgesteuert bist." Ich war wütend, extrem wütend. Wegen seinen Worten aus dieser Nacht hatte ich lange gebraucht, um zu verstehen, dass nicht ich den Fehler gemacht hatte, sondern er.
Im nächsten Moment war es dann auch schon passiert. Tom hatte mich auf den Boden geworfen. Zuerst hatte ich tatsächlich noch versucht, mich zu wehren, aber er war zu stark. Er riss mein Shirt herunter und zog mich aus und machte Dinge mit mir, über die ich nicht nachdenken wollte. Ich hatte nach einiger Zeit keine Kraft mehr zu schreien und wimmerte nur noch leise, bis er endlich von mir abließ. Wie ein normaler Mensch in einer normalen Situation knöpfte er sich danach die Hose zu und ging hinaus. Er hatte mich einfach nackt dort liegen lassen, aber niemand kam auf die Idee mich hier zu suchen. Danach hatte ich einige Zeit gebraucht, bis mir klar wurde, dass ich flüchten musste. Panisch streifte ich mir meine Klamotten über. Dabei tat mein ganzer Körper weh. Ich war angeeckelt von mir selbst. Ich riss die Tür auf und rannte, so schnell ich konnte, durch die Menschen. Da alle betrunken waren, schenkte mir niemand Beachtung. Ich war tatsächlich nach Hause gelaufen und hatte mich unter die Dusche gestellt. Meine Mutter war gekommen und sah, wie ich meinen ganzen Körper, der schon rot war, mit einem Schwamm schrubbte. Meine Haut war an einigen stellen schon rissig geworden und ein wenig Blut war ausgetreten, aber ich konnte nicht aufhören. Ich musste dieses widerliche Gefühl abwaschen. Meine Mutter hatte mich aus der Dusche gezerrt und musste mich tausend Jahre lang beruhigen, damit ich mich ihr öffnete. Aber ich hatte es getan und einige Tage später, bin ich verschwunden.
"Ich glaube nicht, dass ich das kann", sagte ich zu Vincent, als ich zurück in der Realität war. "Das letzte Mal, als ich jemandem eine Chance gegeben habe, ist es schief gelaufen."

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Why
RomanceSofia Castillo hat in ihrer Vergangenheit schreckliches erlebt. Aufgrund dessen ist sie leicht zu verängstigen und bekommt schnell Panikattacken. Sie versucht dies in den Griff zu bekommen, doch immer wieder kommt ihr Vincent in den Weg, der versuch...