Kapitel 26

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Vincent und ich waren tatsächlich die Ersten, die in der Lobby standen. Wir mussten aber nicht lange warten, bis ich schon meine Mutter mit ihrem Freund sah. Sie riss die Augen weit auf, als sie Vincent an meiner Seite erblickte. Ihr Freund sah ein wenig älter aus als sie. Er hatte nicht mehr viele Haare auf dem Kopf und war überhaupt nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Dennoch begrüßte ich beide mit einem Lächeln.

"Ich bin Mr. Stone", sagte er nur und reichte mir die Hand. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd.

"Ich bin Sofia", antwortete ich und nahm seine Hand entgegen. "Und das ist mein Freund Vincent." Ich zeigte auf ihn, obwohl er direkt neben mir stand. Die Beiden schüttelten sich die Hand.

"Wo sind denn die anderen?", fragte Vincent neugierig. Meine Beine begannen das Zittern. Bis jetzt hat ich gut ausblenden können, dass Lesley und Josh noch kommen würden.

"Sie kommen nach", erklärte Mr. Stone und zerstörte damit meine Hoffnung, dass sie beide von einer Klippe gefallen waren. "Aber wir können sonst schon einmal vorgehen." Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wieso sie noch nicht hier waren. Lesley hatte schon immer einen Faible fürs Zuspätkommen und fand nie die richtigen Klamotten. Und wenn sie es tat, dann war etwas mit ihren Wimpern oder Augenbrauen nicht in Ordnung.

Wir liefen alle wie eine kleine Entenfamilie hinter Mr. Stone her, obwohl wir alle genau wussten, wo es lang ging. Mal wieder stand Mr. Williams dort, um die Tische zuzuweisen. Er brachte uns zu einem etwas größeren, jedoch setzten sich meine Mutter und ihr Freund an das Fenster, so dass wir gezwungen waren, später neben Lesley und Josh zu sitzen.

Ich stöhnte leise und genervt auf, als ich mich auf den Stuhl plumpsen ließ. Und dann kamen sie auch schon. Lesleys Schuhe konnte man durch das ganze Restaurant hören. Sie trug ein kurzes, enges, rotes Kleid und hatte Josh im Schlepptau, als wäre er ihr Hund.

"Da seid ihr ja", begrüßte Joshs Vater sie, als sie sich setzen.

"Tut uns leid für die Verspätung", murmelten sie beide gleichzeitig, während sie sich setzten. Daraufhin begann Lesley zu gackern.

Ich verdrehte leicht meine Augen und sah dann zu meiner Mutter. Sie war baff. Mit Lesley als Joshs Freundin hatte sie wohl nicht gerechnet. Nun galt auch ihr Blick mir und ich zuckte unglücklich mit den Schultern. Auch meine Mutter schien ein wenig Panik zu bekommen, unternahm jedoch nichts. Stattdessen versuchte sie ein Gespräch zu beginnen. "Lesley, was machst du denn hier?", fragte sie über den Tisch hinweg.

"Was es doch für Zufalle gibt, nicht Ms. Carson?", lächelte Lesley falsch. Dabei wusste ich genau, dass es kein Zufall war und auch meine Mutter würde dies bemerken.

"Ihr kennt euch?" Mr. Stone war ziemlich überrascht.

"Sie war meine Freundin", warf ich schnell ein. Ich konnte die Kontrolle über dieses Gespräch nicht nur den Anderen überlassen. "Aber dann bin ich weggezogen."

"Ach so", murmelte er nur und sah verwirrt aus. Wahrscheinlich glaubte auch er nicht an den komischen Zufall.

Josh zuckte nur mit den Schultern. "Ich wusste aber auch nicht, dass du jetzt was mit ihm da hast", sagte er und deutete auf Vincent. "Ich dachte, ihr könnt euch nicht leiden." Ich nahm einen Schluck aus dem Wasserglas, welches schon ein Kellner vor mir platziert hatte.

"Schatz, du weißt doch dass sie auf Badboys steht", lächelte Lesley ihren Typen an. Ich verschluckte mich bei diesen Worten an meinem Wasser und begann kräftig zu Husten. Ich wusste, dass das hier nur schlecht enden konnte.

Vincent lachte nur. "Ich, ein Badboy? Wieso das denn?"

"Ach, ich weiß nicht. Das ist halt einfach ihr Beuteschema, oder hat sie dir etwa gar nichts erzählt?"

Meine Mutter merkte schließlich, in welche Richtung Lesley das Gespräch lenken wollte und unterbrach. "Was wollt ihr denn so essen?" Ich sah sie nur dankend an, doch Lesley ließ sich nicht beirren.

"Also sie hatte ja schon so einige", redete sie einfach weiter. Das war ja mal die fetteste Lüge aller Zeiten. Doch ich konnte nichts sagen. "Hat sie den Namen Tom denn nie erwähnt?"

"Lesley, es reicht jetzt!", sagte meine Mutter wütend und stand auf.

Lesley lachte nur laut auf und an unserem Tisch war sonst alles leise. Zum Glück hatte noch kein anderer Gast mitbekommen, was hier gerade vor sich ging. "Müssen Sie ihre Tochter etwa vor allem beschützen? Sie braucht hier nicht immer auf Opfer tun, denn das ist sie nicht. Sie ist doch diejenige, die uns alle ohne etwas zu sagen sitzen lassen hat", knurrte Lesley schon fast.

"Ist schon gut, Mom. Ich kann das selbst", sagte ich und richtete meinen Oberkörper auf. Mir war schon wieder schlecht, doch ich verdrängte es einfach. Vincent nickte mir zu. Meine Mutter setzte sich langsam wieder. "Ich bin gegangen, weil ich genau wusste, dass du mir nicht glauben würdest", sagte ich ganz ruhig zu ihr, aber den Tränen nahe. "Du glaubst mir ja immer noch nicht, nach allem was passiert ist."

"Was sollte sie dir denn auch noch glauben?", fragte Josh.

"Sei du leise", sagte Vincent wütend. "Du siehst doch, dass sich die Beiden unterhalten, oder nicht?" Dann hielt Josh seine Klappe.

"Ja genau, das ist aber eine sehr gute Frage. Was soll ich dir den glauben? Ich weiß doch genau, was in dieser einen Nacht passiert ist, wieso du gegangen bist. Ohne ein Wort zu sagen."

"Du weißt es eben nicht, weil du das glaubst, was andere dir erzählen. Ja, ich hatte etwas mit Tom", bestätigte ich sie und eine Träne lief über meine Wange.

Vincent legte mir tröstend seine Hand auf den Rücken. "Du musst das jetzt nicht tun", flüsterte er in mein Ohr.

"Doch, das muss ich", antworte ich nur und wandte mich wieder zu Lesley.

"Dann kenne ich ja doch die Wahrheit. Ich verstehe nicht, wie man so feige sein kann, dass man dann nicht einmal dazu steht. Wegen so etwas muss man doch nicht umziehen", sagte Lesley und sah immer noch nicht ein, dass sie mal nicht im Recht war.

"Es war nicht freiwillig", zischte ich sie an, schob meinen Stuhl nach hinten und machte mich auf und davon. Während ich wütend durchs Restaurant lief, wischte ich mir meine Tränen aus dem Gesicht. Ich hörte Schritte hinter mir, doch ich wagte es nicht, mich umzudrehen.

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