Kapitel 27

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"Lass mich grad bitte in Ruhe", zischte ich nach hinten. Ich wusste das er es war.

"Ich will dir nur helfen", rief er hinter mir her. "Du hast es nicht verdient."

Nun hörte ich weitere Schritte und blieb stehen. Hinter Vincent erschien meine Mutter. "Sofia!", rief sie mich. Ihre Stimme klang noch ganz erschrocken.

"Was ist denn? Ich möchte gerade nicht wirklich reden", murmelte ich, als beide vor mir standen.

"Lass uns erst einmal aufs Zimmer gehen", sagte sie doch ich schüttelte meinen Kopf stark.

"Du sollst dein Date jetzt nicht wegen mir abrupt beenden. Das ist doch Schwachsinn. Ich komme gut alleine klar", sagte ich und das war auch an Vincent gerichtet. Ich wollte alleine sein und einfach nur in mein Kissen heulen, doch das schienen beide nicht wahrhaben zu wollen.

Auch meine Mutter schüttelte ihren Kopf. "Ich habe genauso wenig Lust wie du, mich da noch einmal hinzusetzen."

Ich atmete einmal tief ein und wieder aus. Der Atem füllte meinen Körper mit Ruhe und ich konnte mich leicht entspannen. "Dann lasst uns gehen."

Nicht mal fünf Minuten später saßen wir zu dritt an unserem Küchentisch und meine Mutter stellte jedem von uns ein Wasser hin. "Ich hätte so etwas nie von Lesley erwartet", sagte sie, als wenn es mir helfen würde, das zu hören. "Es kam so unerwartet, dass sie überhaupt da war. Du hast ihr doch nicht einmal erzählt, wo wir hinziehen, oder?"

Ich schüttelte den Kopf. "Und jetzt weißt du wieso. Du hast es ja nie verstanden", sagte ich und musste dabei ein wenig lächeln, weil ich recht gehabt hatte.

"Sie wird bestimmt bald wieder verschwinden", erheiterte Vincent mich. "Du hast so etwas auf jeden Fall nicht verdient. Ich meine, wer ist sie, dass sie denkt sie könnte so etwas sagen?"

"Sie hat echt keine Ahnung", stöhnte ich und nahm einen Schluck von meinem Wasser. "Sie lebt aber sowieso in ihrer eigenen Welt. Das war ja schon immer der Grund, weswegen ich nicht mit ihr über solche Dinge geredet habe und einfach verschwunden bin. Sie hört nicht zu. Für sie zählt nur das, was sie denkt und sagt und alle glauben ihr. Zumindest dort wo ich herkomme."

"Ich kenne solche Mädchen gut", bestätigte Vincent. "In meiner Welt sind auch viele so. Zum Beispiel Camille. Mit sowas will ich nichts mehr zutun haben."

"Ich weiß, es ist jetzt vielleicht unpassend Schatz, aber-", meine Mutter stockte kurz, redete dann aber weiter. "Du bist ja in guten Händen." Sie betrachtete Vincent noch mal von oben bis unten, wie sie jeden Jungen ansah der mir zu nahe kam. "Ich würde sonst noch einmal hingehen und die Situation erklären", meinte sie.

Ich nickte. "Geh nur."

Sie stand dankend auf und trank noch eben ihr Wasser aus, bevor sie sich verabschiedete und aus der Tür trat.

"Danke, dass du mich nicht alleine gelassen hast", sagte ich zu Vincent, ohne den ich jetzt heulend in meinem Bett liegen würde. "Ich brauche dich", fügte ich hinzu. So etwas hatte ich noch nie zu einem Jungen gesagt...

"Ich werde dich nie alleine lassen", sagte er und lächelte. Dann sahen wir uns einen Moment lang nur in die Augen.

Ich wurde mutig und beugte mich über den Tisch und kam ihm immer näher. Seine Lippen waren meinen irgendwann ganz nah. Sekunden verstrichen wie Minuten, während wir dort so saßen. Er kam jedoch nicht näher zu mir. Wahrscheinlich wollte er mich nicht überfordern. Doch ich wollte das, was nun passieren würde. Ich beugte mich weiter vor, bis ich seine Lippen auf meinen spüren konnte und begann ihn zu küssen. Langsam führte Vincent seine Hand an meinen Hinterkopf und drückte mich näher zu ihm. Dann ließ er von mir ab. Es waren die schönsten Sekunden seit langem.

Doch er flüsterte nur kurz: "Wenn ich aufhören soll, sag bescheid oder tritt mich." Dann zog er mich wieder zu sich und wir machten dort weiter, wo wir aufgehört hatten. Ich grinste, denn ich war glücklich. Ich wollte gar nicht, dass er seine Lippen von meinen nahm. Der Tisch zwischen uns störte mich eher. Deswegen stand ich auf und hielt ihm meine Hand hin. Er nahm sie an und ich führte ihn in mein Zimmer. Dort sah er mich jedoch fragend an. Ich wusste selbst noch nicht was ich vor hatte. Aber ich wusste, dass es nicht bei einem Kuss bleiben sollte.

Als ich immer noch nichts sagte, setzte er sich vor mir auf mein Bett. "Ich möchte nicht, dass wir etwas machen, was du bereuen wirst", sagte er.

"Ich werde gar nichts bereuen", grinste ich. Ich war mir sicher. Ich wollte ihn hier und jetzt und alle meine Ängste überwinden. Ich wollte mein Leben leben, wie ich es vor dem Vorfall getan hatte oder hätte. Also streifte ich mir langsam mein Shirt ab, so dass ich nur noch in BH vor ihm stand. Unwohl war mir dabei gar nicht. Vincents Blick fuhr über meinen Körper, bevor er es langsam wagte, mich zu berühren. Seine Finger tanzten weich auf meiner Haut und fuhren meine Konturen nach. Dann zog er mich an sich heran, so dass ich auf einmal auf ihm lag. Ich lachte einmal auf, doch auch das wurde von einem Kuss unterbrochen. Seine Hände strichen über meinen Rücken und ich bekam eine Gänsehaut. Es war angenehmer als alles, was ich bis jetzt gefühlt hatte. Ich wollte nicht, dass er je wieder aufhörte. Ich blendete alles andere aus.

Und doch, als wir nackt nebeneinander lagen und er immer noch sanft meinen Körper berührte, schossen mir wieder diese Momente durch den Kopf und ich merkte, wie die Tränen begannen zu fließen.

"Hey", sagte Vincent und hörte sofort auf. "Hab ich etwas falsch gemacht?" Er wischte mir meine Tränen aus dem Gesicht.

Ich zog die Decke so weit hoch, dass er meinen Körper nicht mehr sehen konnte. "Nein, ich kanns nur einfach nicht. Wegen dem, was passiert ist, meine ich..."

"Das ist doch völlig okay", lächelte er mich an. Ich kuschelte mich nur noch an ihn und war so dankbar dafür, ihn gefunden zu haben. Niemals hätte ich gedacht, dass ich jemals wieder so weit kommen würde, vor allem nicht mit ihm. Doch nun war es so und ich hoffte, es würde so bleiben. Das waren meine letzten Gedanken, bevor ich in seinen Armen einschlief.

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