Teil 10

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SAMU

Ich muss den Soundcheck mindestens dreimal unterbrechen, weil ich es vor Schmerzen kaum aushalte und einen Moment für mich auf der Toilette brauche, um durchzuatmen, Kraft zu sammeln, um weiterzumachen. Die anderen witzeln schon, ob ich neuerdings ne schwache Blase hätte, aber Riku weiß es besser. Ich spüre, dass seine Blicke ununterbrochen auf mir ruhen und er mich besorgt ansieht. Am liebsten möchte ich ihn anschreien, dass das alles seine Schuld ist. Dass er das mit uns nie hätte anfangen dürfen und warum er mich nicht einfach hat in Ruhe lassen können. Aber das geht natürlich nicht.

Endlich ist es vorbei und ich kann mich ein wenig in meine Umkleide zurückziehen und noch vor der Show ausruhen. Es klopft an der Tür. Ich verdrehe die Augen und hoffe, es ist nicht wieder der Gitarrist, der einen weiteren Versuch startet, um mit mir zu reden. Aber es ist nur Osmo, in der einen Hand einen Teller mit etwas zu essen vom Buffet, in der anderen Hand ein kühles Bier. „Hey, ich dachte, ich bring dir was vorbei, nicht, dass du nachher hungrig auf der Bühne stehst." „Danke Osmo, das ist lieb von dir." Ich setze mich hin und Osmo stellt den Teller und das Bier vor mir auf dem Tisch ab. Doch anstatt zu gehen, setzt er sich neben mich. „Kann ich irgendwas für dich tun, Samu? Ich mache mir Sorgen um dich." Seufzend fahre ich mir durch die Haare und schüttele den Kopf. „Nein, kannst du wirklich nicht, es geht mir gut, Osmo. No stress", versuche ich ihn in meiner sonst so coolen Art zu beschwichtigen, doch ich habe die Rechnung ohne unseren Keyboarder gemacht. „Es ist wegen Riku, oder?"

Fast lasse ich das Stück Brot, in das ich gerade reinbeißen will, vor Schreck fallen. „Was...wieso...woher...?", stammele ich geschockt vor mich hin. Osmo lächelt. „Ich weiß, dass da was zwischen euch läuft. Ich weiß zwar nicht was, und es geht mich auch nix an, aber ich habe Augen im Kopf, Samu. Und glaub mir, es ist ok. Ich habe kein Problem damit. Womit ich aber ein Problem habe ist, wenn es dir seinetwegen so scheiße geht und jetzt streite es bitte nicht ab. Ich sehe doch, dass was mit dir nicht stimmt. Glaubst du, du kannst mir erzählen, dass du beim Soundcheck wirklich so oft auf's Klo musstest? Das kannst du deiner Oma erzählen, aber nicht mir. Außerdem hab ich die Blicke von Riku gesehen. Also, was hat er dir getan, Samu? Warum geht es dir so schlecht? Ich möchte dir helfen, wenn ich kann und wenn du mich lässt."

Augenblicklich stürzt die Mauer, die ich in den letzten Stunden mühsam um mich herum gebaut habe, ein. Die Tränen fließen wie auf Knopfdruck nur so mein Gesicht herunter. Ich schluchze wie ein Kind und Osmo nimmt mich in den Arm. „Heilige Scheiße, Samu, was ist hat Rick mit dir gemacht?" Beruhigend streicht er mir immer wieder über den Rücken. Ich glaube, er fühlt sich total hilflos, weil ich so weine, aber ich kann gerade nicht anders. Der ganze Kummer, der seit Wochen auf meiner Seele und meinem Herzen liegt in Kombination mit den Ereignissen der letzten Nacht und dazu noch den körperlichen Schmerzen scheinen alle auf einmal herauskommen zu wollen.

Osmo angelt umständlich eine Packung Taschentücher aus seiner Hemdtasche und hält sie mir hin. Dankend nehme ich sie an, wische mir die Tränen weg, putze mir geräuschvoll die Nase und versuche mich mit ein paar Mal tief ein und ausatmen wieder runterzubringen. Wenn ich gleich weiter so rumheule, ist alles total verschleimt und ich kann auf der Bühne keinen klaren Ton zustande bringen.

Als es wieder ein bisschen besser geht, sitzt Osmo immer noch geduldig da. „Schwörst du, dass du keiner Menschenseele davon erzählst?", vergewissere ich mich. Osmo nickt. „Du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst, Samu", versichert er mir und ich weiß, dass es stimmt. Also hole ich nochmal tief Luft und erzähle ihm alles und zwar von Anfang an.

Osmo ist ziemlich geschockt, als ich meine Geschichtebeendet habe. „Warte mal kurz hier", bittet er mich, springt vom Sofa auf, kommt aber keine 2 Minuten später mit einer Packung Tabletten in der Hand zurück. „Hier", sagt er und hält sie mir hin, „die nehm ich immer, wenn ich Schmerzen gerade so gar nicht gebrauchen kann. Die sind ziemlich stark, machen ein bisschen rosa Wolken im Kopf, aber betäuben die Schmerzen." Dankbar nehme ich sie an. Rosa Wolken sind allemal besser, als mit diesem Schmerz in meinen südlichen Körperregionen auf die Bühne zu müssen. „Aber nicht mehr als 2 auf einmal", warnt er mich und ich nicke. Dann drücke ich ohne zu zögern zwei Tabletten raus, werfe sie ein und trinke ein ganzes Glas Wasser hinterher. Hoffentlich geht das gut. 

...'cos of painless love I've never heard....Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt