Teil 53

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Samu

Eine endlos, sich wie Kaugummi ziehende, halbe Stunde später klingelte es an der Haustür. Obwohl ich ja genau darauf gewartet hatte, zuckte ich dennoch zusammen. Ich atmete einmal tief durch, fuhr mich durch die Haare und öffnete die Tür. Vor mir stand ein grimmig dreinblickender Mikko und dahinter ein ziemlich fertiger Gitarrist. „Kommt rein", krächzte ich mit belegter Stimme. Mikko ging festen Schrittes an mir vorbei und Riku schlurfte, die Händen in den Taschen vergraben, mit dem Blick auf dem Boden an mir vorbei und sagte kein Wort. Er sah ziemlich krank aus und schien ein wenig zu wanken. Oh mein Gott, hatte er wirklich soviel getrunken? Riku ging sofort in Richtung Tresen, wo noch immer die Reste vom Frühstück standen und hielt sich an der Lehne eines Stuhls fest. Scheinbar brauchte er diesen Halt. „So, ihr beiden", sagte Mikko dann. „Ich mach mich vom Acker, hab noch Termine. Ruft an, wenn ihr mich braucht." Er schnappte sich noch schnell ein Brötchen aus dem Korb, so schnell konnte ich gar nicht gucken, dann war er auch schon aus der Haustür verschwunden. Verwirrt schaute ich ihm hinterher. Mein Blick wanderte zu Riku. Er war kreidebleich und hatte tiefe, dunkle Ringe unter den Augen. Noch immer hielt er sich an der Stuhllehne fest und sah aus, als würde er jeden Moment zusammenklappen. „Setz dich", forderte ich ihn tonlos auf und er kam dem auch ohne Umschweife nach. Ich ging zur Kaffeemaschine, stellte zwei Tassen für uns darunter, holte ebenfalls ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit Mineralwasser. Dann ging ich kurz ins Bad, holte aus dem Medizinschränkchen meine Aspirin. Als ich zurückkam, deponierte ich Kaffee, Wasser und Tabletten direkt vor Riku's Nase, so hatte er die Wahl, und setzte mich dann ihm direkt gegenüber an den Tisch. Meinen Kaffeebecher hielt ich mit den Händen umschlungen fest. Ich wusste ich nicht, was ich zu ihm sagen wollte, obwohl mir vieles durch den Kopf ging. Die Situation war ziemlich verfahren. Eigentlich war mir zum Weinen zumute. Ich war traurig, ich hatte schlecht geschlafen. Mein Arm schmerzte und mein Herz sowieso, weil ich nicht wusste, ob und wie das mit ihm mir nun weitergehen sollte. Ich hatte mein geliebtes Mökki verloren, meine Gitarre, die mich über die Jahre begleitet hatte. Mein Band hatte ihre Abschiedstournee hinter sich gebracht und ich fühlte mich, als stünde ich vor einem riesengroßen, schwarzen Loch, in das ich jede Sekunde hineinfallen konnte. Wann hatte ich mich zuletzt je so mies gefühlt? Ich wusste es nicht.

Riku drückte eine Tablette aus, angelte nach dem Wasser und spülte sie damit herunter. „Danke", murmelte er leise. Dann nahm er einen Schluck Kaffee, trank, setzte den Becher wieder ab und blickte mich mit großen Augen an. Ich konnte sehen, dass auch ihm zum Heulen zumute war, seine Augen glänzten ziemlich verdächtig. „Es tut mir leid", nuschelte er leise. „Alles. Unsere Nacht damals im Hotel, dein Mökki, der Brand, deine Gitarre, alles kaputt und du...verletzt. Alles immer nur meinetwegen, es tut mir so leid, Samu." Eine Träne kullerte jetzt über seine Wange.

Er gab sich die Schuld an allem, aber das stimmte doch nicht, immerhin war ich derjenige, der in meinem Mökki gewütet hatte und alles zerstört hatte. „Rick...ich...", ich wollte etwas sagen, wollte ihm klarmachen, dass es nicht seine Schuld war, was passiert war, doch bevor ich dazu kommen konnte, stürmte er regelrecht in Richtung Badezimmer. Die Tür flog mit einem lauten Knall zu und kurz darauf hörte ich, wie er sich übergeben musste. Ich stürmte sofort hinterher. Zum Glück hatte er in der Eile keine Zeit mehr gehabt, die Tür abzuschließen. Riku hatte seine Hände fest um die Kloschüssel gekrallt und übergab sich mehrere Male schwallartig. Ich hockte mich hinter ihn, streichelte ihm beruhigend über seinen Rücken. „Mein Gott, Rick", stammelte ich. Ich hatte wirklich Angst um ihn, so elendig wie er aussah. So hatte ich ihn zuvor noch nie erlebt.

Nach ein paar Minuten hatte er es endlich geschafft. Ich drückte die Klospülung, half ihm hoch, weil er es allein kaum schaffte und schleppte ihn zum Waschbecken. Er hielt sich fest und ich machte das eine Ende vom Handtuch mit kaltem Wasser nass, wusch sein Gesicht. Fast wäre mir weggeknickt und hingefallen. Ich musste ihn stützen, aber wir schafften es irgendwie in Richtung Sofa. „Du legst dich jetzt erstmal hin", sagte ich bestimmt. Er ließ alles mit sich machen, weil er überhaupt keine Kraft hatte, sich zu wehren. Ich deckte ihn zu, wie ein Baby. Ich fühlte seine Stirn. Sie war total heiß. Riku hatte die Augen geschlossen, gab keinen Mucks mehr von sich und regte sich nicht. Ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht lieber einen Arzt rufen sollte. Ich beschloss, ihn erstmal schlafen zu lassen. Zeit zum Reden würden wir immer noch genug haben. Bei seinem Anblick zog sich mein Herz zusammen. Wir taten uns einfach nicht gut. Wie konnten wir je zusammen glücklich sein? 

...'cos of painless love I've never heard....Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt