Teil 11

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2 Stunden später:

RIKU

Out of my life, out of my mind
Out of the tears, we can't deny
We need to swallow all our pride
And leave this mess behind

Out of my head, out of my bed
Out of the dreams we had, they're bad
Tell them it's me who made you sad
Tell them the fairytale gone bad

Another night and I bleed
They all make mistakes and so did we

...(lyrics by Sunrise Avenue)

Mehr denn je passen diese Songzeilen, die Samu meinem Gefühl nach heute noch lauter und intensiver singt als sonst. Aber haben wir einen Fehler gemacht? Ich weiß es nicht. Ist es ein Fehler dem Menschen nah zu sein, dem mein Herz gehört?

Das Märchen ist definitiv schlecht ausgegangen. Ohne, dass ich es wollte, habe ich Samu verletzt. Kann er mir das je verzeihen? Aber warum hat er nichts gesagt? Warum hat er mich nicht gestoppt und gesagt, dass ich aufhören soll. Hält er mich für ein Monster, dass gegen seinen Willen Sex mit ihm macht?

Samu heizt dem Publikum so richtig ein und sie singen wie immer jede Songzeile mit. Eigentlich könnten wir auch nur die Instrumente spielen, denn sie kennen jedes einzelne Wort von jedem einzelnen Song, die alle zum größten Teil Samu geschrieben hat. Er ist so ein gefühlvoller Mensch, der sich am besten durch die Musik ausdrücken kann. Das hat uns immer verbunden. Wenn ich traurig bin, nehme ich die Gitarre in die Hand, wenn ich überglücklich bin, tue ich es ebenfalls. Die Musik ist mein Seelentröster, sie ist immer da und ich kann meine Gefühle so am besten übermitteln. Etliche Songtexte habe ich in den letzten Tages angefangen. 1000 Gedanken gingen mir durch den Kopf und ich habe alle festgehalten, auf Papier, auf dem Handy und in meinem Kopf. Eine Melodie lässt mich nicht mehr los. Fast verpasse ich meinen Einsatz für das Solo.

Samu schaut zu mir, weil er es gemerkt hat, dass ich eine Achtelnote zu spät bin, aber ich fange mich wieder und bin jetzt wieder genau im Rhythmus. Tapfer spiele ich den Song zu Ende und ein Blick auf die Setlist, die vor uns am Boden mit Klebeband befestigt ist, lässt meine Knie noch weicher werden, als sie ohnehin schon die ganze Zeit neben unserem Frontman sind.

Der nächste Song ist „HOME". Allerdings haben wir uns für die Abschiedstour überlegt, den Song als Akustik Version zu spielen, das heißt nur Samu und ich werden ganz vorn auf der Bühne allein im Scheinwerferlicht ganz nah beieinander sein. 2 Gitarren und unsere Stimmen. Schlimmer kann ich es mir kaum vorstellen.

Die letzten Töne von Fairytale gone bad verklingen, frenetischer Jubel in der Halle. Das Licht wird für einen Moment ganz dunkel, ich greife zur Wasserflasche, die neben Sami's Schlagzeugpodest auf dem Boden steht, und nutze den Moment, um einen Schluck zu trinken. Dann reicht mir ein Stagehand die für den Song passende Gitarre und auch Samu bekommt eine neue, die für den Song passend gestimmt ist. Ich bedanke mich und gehe dann nach vorn, um meinen Platz auf einen von den Hockern, die dort für uns schon bereit stehen, Platz zu nehmen. Samu kommt, ich höre, wie er atmet, schiebt dann den Hocker ein Stück nach hinten und bleibt, anstatt sich darauf zu setzen, dann stehen. Er stellt sein Micro hoch und wirft mir dann im Halbdunkel einen Blick zu. Ich kapiere sofort. Er hat noch immer Schmerzen und kann sich nicht setzen. Ich spüre, wie der Wasserpegel in meinem inneren steigt und sich die Tränen in meinen Augen sammeln. Ich versuche, sie zurückzuhalten und setze mit den ersten Tönen des Songs ein.

Dann erklingt Samu's Stimme und sie geht mir durch und durch. Ich kann ihn spüren, ich kann seinen Duft riechen und fast seinen Atem auf meiner Haut spüren, so nah sind wir uns in diesem Moment und doch so weit voneinander entfernt.

„Boots underneath my bed

Tired and worn..."

Ich kann es nicht verhindern, eine Tränen kullert über meine Wange, doch niemand kann es sehen, niemand außer Samu, der mir direkt in die Augen schaut, als er diesen Song singt.

Beim Refrain setze ich mit den Backing Vocals ein, ich bekomme kaum einen Ton heraus. Noch nie habe ich so sehr das Ende einer Live Show herbeigesehnt wie heute. Ich möchte am liebsten flüchten, wegrennen, weinen und schreien, aber ich kann nicht.

„..cause you're home to me.."

Endlich ist der Song zu Ende und ich fühle mich so erschöpft, wie nach einem Marathonlauf. So viel Kraft haben mich diese paar Minuten da vorn mit ihm zusammen gekostet. Halbwegs erleichtert, dass ich es nun hinter mir habe, stehe ich von dem Hocker auf und renne fast wieder auf meine ursprüngliche Position auf die Bühne. Als nächstes ist „I don't dance" dran und ich bin froh, dass ich jetzt ein bisschen rocken kann. Das Schlimmste für heute ist geschafft. 

...'cos of painless love I've never heard....Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt