Der restliche Nachmittag verlief ruhig. Ich verbrachte die Zeit damit, meinen Schreibentzug zu nutzen. Zwar hatte ich James gefragt, ob ich irgendwie helfen konnte, doch er hatte verneint. Gegen Abend brachte mir Sophia essen hoch, welches ich anfangs gar nicht bemerkt hatte, es stand wahrscheinlich schon ein paar Minuten, bevor ich es gemerkt hatte. Es waren Stimmen von unten zu hören, es wurden mehr Menschen und es wurde laut. Es lief keine Musik, einfach durch das gebrüllt war es laut. Ich war verunsichert. Wusste nicht, ob ich runtergehen sollte. Aber andererseits war da die Neugier. Mitlerweile war es zehn Uhr und es schien nicht nachzulassen. Seit einer Stunde war es immer so laut.
Ich speicherte die Kapitel ab und ging zum Kleiderschrank. Ich suchte Klamotten raus und ging damit ins Badezimmer. Ich zog Sneakersocken an, dann die schwarze Jeans. Darüber einen schwarzen Gürtel mit einer goldenen Schnalle. Die Bluse die ich anzog hatte einen leichten Ausschnitt und war Cremefarbend. Ich lockte meine Haare mit einem Glätteisen welches ich hier fand und trug Make up auf. Was bei mir aus Concealer, braunen Liedschatten und einen hellen Lippenstift bestand, welcher nicht wirklich auffiel. Ich steckte die Bluse nur halb in die Hose, so sah es locker, aber dennoch schick aus. Ich sah noch einmal in den Spiegel, wusste nicht ob ich es wirklich wagen sollte. Aber ich hatte mich jetzt schon fertig gemacht. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn ich jetzt wieder ins Zimmer gehen würde.
Ich verließ das Badezimmer. Meine Handflächen schwitzen und mein Herz schlug bis zum Hals. Ich mochte es nicht unter vielen fremden Menschen zu sein. Zögerlich ging ich runter, im Erdgeschoss war es voll, die Leute schienen ausgiebig zu feiern und sich zu betrinken. Man sah kaum, was los war. In der Couchecke standen einige Leute, aber auch hier, was irgendwie Flur und Übergang vom Esszimmer, Wohnzimmer und Bar war, standen die Leute auch. Keiner beachtete mich. Sie schienen irgendwas anzufeuern. Ich hatte ein ungutes Gefühl dabei. Ich bahnte mich außen an den Leuten vorbei und versuchte James oder irgendein bekannte Gesicht zu sehen. Unwohl kratzte ich mir mein Handgelenk.
Schlussendlich sah ich den bekannten volltättoowierten auf der Couch sitzen. Ich ging zu dem sogenannten Wohnzimmer, doch als mein Blick auf das frei wurde, was angefeuert wurde, wurde mir übel. Zwei Männer, Sklaven, kämpften mit bloßen Händen. Einer davon war von James. Dieser drehte sich um, als hätte er mich irgendwie bemerkt. Er lächelte leicht und wank mich zu sich. Meine Beine wollten mich erst nicht tragen, doch dann setzten sie sich doch in Bewegung. Ein Mann machte Platz, als er merkte, dass ich vorbei wollte. James zog mich auf seinen Schoß und hielt mich fest. Er trug ein Hemd, wobei er die oberen zwei Knöpfe aufgelassen und seine Ärmel hochgekrämpelt hatte.
Man verstand kaum was vom dem was gerufen wurde. Irgendwelche Ratschläge, Befehl wie sie was machen sollten oder einfaches anfeuern. Beide Männer blutete, kämpften oben ohne um ihr überleben. Mir wurde übel, ich konnte gar nicht hinsehen, andererseits auch schlecht wegsehen. Ich lehnte mich an James und versuchte so gut es ging mein Gesicht in seiner Halsbeuge zu verdecken. Wahrscheinlich sollte das Streicheln meines Oberschenkels beruhigend wirken, doch so war es nicht. Plötzlich war es ruhiger. Ich schielte zu den beiden. Gaston war oben und drosch weiter auf den anderen mit den Ellenbogen ein, wärend dieser versuchte sein Gesicht zu verdecken. Man hörte es knacken, als die Nase brach, man hörte das jauchzen des Mannes unter ihn. Der Kampf war eigentlich entschieden. Gaston sah zu den Leuten um ihn herum, welche alle den Kopf schüttelt und den Daumen nach unten zeigten. Ich merkte, wie mir die Galle hoch kam. Es wurde nicht mehr angefeuert. Der volltättoowierte ließ mir die Entscheidung. Ich hätte wegsehen können, aber ich war wie erstarrt. Ich sah, wie Gaston seine Hände an den Kopf des anderen Sklaven legte und dessen Genick brach. Leise war es durch die Rufe der anderen Gruppe zu hören.
Der Sklave stand auf und drehte sich zu James. Man konnte in seinen Augen sehen wie sehr er litt. Er war kein Mörder. Er tötete um zu überleben. Die Mörder waren die, die ihn dazu zwangen. James klopfte mir auf den Schenkel und ich stand auf, damit er aufstehen konnte. Der Exhäftling gab den Mann einen Handschlag und redete mit ihn. Ich setzte mich wieder auf die Couch, versuchte das eben gesehene zu verkraften. Versuchte den Sinn dahinter zu verstehen. Alle Leute hier waren schick gekleidet. Ich verstand es einfach nicht. Waren sie so reich, so gelangweilt vom Leben, dass sie sich mit sowas amüsierten? Ich wollte diese Grausamkeit nicht verstehen. Ich sah zwei Kinder, vielleicht sieben und zehn Jahre, hier rumlaufen. Sie bekamen von Anfang an beigebracht das es normal war.
Ich wusste es. Ich wusste es doch schon lange. Aber nicht, dass es in diesen Ausmaß war. Diese Welt. Diese gottverlassene Welt war krank. Sie konnte weder geheilt werden, noch gerettet. Eine Welt, in der Grausamkeiten zum Vergnügen wurden.
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Just ask me, little one II
AléatoireEs ist keine zwei Wochen her, da war mein größtes Problem, dass meine Klassenkameraden mich wegen den Geschichten, die ich schrieb, krank nannten. In dieser wenigen Zeit ist so viel passiert. Mein Name ist Sina Kirchschbaum, ich bin 18 Jahre alt und...