Für Reich und Euch zuliebe

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Am Morgen verhüllt regentropfenschwerer Nebel das Tal. Lediglich die hohen Türme und zu ihnen führenden Brücken ragen aus dem grauen See empor. Jedoch ein schöner Tag verheißt es zu werden, denn die im Osten langsam über die fernen Bergketten aufsteigende Sonne taucht ungehindert von Wolken die umliegenden Hänge in ihr rotgoldenes Licht. Wunderschön ist diese Welt vor meinem Fenster und jeden Tag begann ich bislang damit, sie nach dem Aufstehen gebührend und in aller Ruhe zu begrüßen.

Dennoch genauso trüb wie der Nebel ist mein Gemüt heute. Mit jedem Morgen verblasste die Freude, die ich darüber empfinde hier zu sein, mehr und immer mehr. Gestern verstricht bereits der sechste Verhandlungstag, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte. Geradezu lächerlich niedrige Abgeltungen werden uns für qualitativ oder mengenmäßig hohe Waren in Aussicht gestellt. Gegenangebote finden keinerlei Anklang und beinahe könnte man Lothin Absicht unterstellen. Thorin ist deswegen ebenso missgestimmt. Er wirkt oft nachdenklich und ich hoffe, es wird ihm nicht gewahr, dass ich darum weiß, wie er mich dabei beobachtet und vor allem warum.

Die Tage sind anstrengend und viele Nächte ebenso, denn Bälle, Festbankette und Empfänge erlauben es nicht, dass wir zeitig genug in unsere Betten fallen, obwohl ein frühes Aufstehen nötig ist. Lange können wir Zwerge in der Not mit wenig oder sogar gar keinem Schlaf auskommen, aber die angespannte Situation, die ständige Achtung der Höflichkeit und das Wissen darum, mit der Erfüllung welchen Begehrens die Gegebenheit gelöst werden könnte, erschöpft zusätzlich meine Verfassung. Mit jedem lächerlichen Angebot wird es wahrscheinlicher, dass Thorin den Pakt annimmt. Vielleicht selber sollte ich es ihm nahelegen und das Zaudern beenden. Somit zwar offenbaren, dass ich das Gespräch belauschte und die gerechte Strafe dafür zu der Verpflichtung auf mich nehmen, jedoch um unser aller Wohl willen endlich handeln.

Seufzend atme ich aus, als es an meiner Tür klopf. Denkend es ist Amia, bitte ich leise herein, jedoch ohne zu beachten, wer letztendlich eintritt. Die Aufwartungen des liebgewonnenen Mädchens sind kurze Lichtblicke im Trübsal. Gerne habe ich sie um mich. Auch sie spürte unlängst die Veränderung und plötzlich befanden sich abends, nachdem ich erschöpft und müde zurückkehrte, leuchtend bunte Blumen, süße Bonbons, zusätzliche weich-warme Decken, bauschige Kissen und Schalen mit wohlduftenden Ölen in meinem Gemach. Jeden Morgen, wenn ich ihr dafür dankte, lächelte sie nur verhalten.

Jedoch, als gewichtige, vertraute Schritte näherkommen, wird mir gewahr, wer mich tatsächlich so früh bereits aufsucht, und vor Schreck verharre ich bewegungslos. Zwei warme Hände legen sich auf die kaum durch das tiefausgeschnittene Unterkleid verhüllten Schultern. Schwer sind sie. Kräftig und rau auf der empfindlichen Haut. Viele Feinde bekämpften sie schon. Mit Schwert und Axt und in Ermangelung dieser auch bar. Gnadenlos agieren sie. Streng jedes Vergehen strafend und falls nötig sogar tötend. Genauso aber, können sie die wundervollsten Dinge erschaffen. Zärtlich sein. Sanft streicheln. So wie jetzt.

„Ich werde dich immer beschützen. Egal, ob du mich darum bittest oder nicht. Das verspreche ich dir", schwört eine ebenso raue, von Verantwortung sowie vielen verlust- und kampfesreichen Jahren geprägte Stimme. Ich schließe schnell die von Schlafmangel brennenden Augen, um die aufsteigenden Tränen zu bekämpfen. Er weiß es also. Lange vermochte ich es nicht zu verbergen, jeder Versuch unvermeidlicherweise zum Scheitern verurteilt, denn ein offenes Buch bin ich für ihn schon immer gewesen.

Langsam hebe ich eine Hand und lege sie auf die seine. Tiefen Dank für das gegebene Versprechen soll sie verdeutlichen, jedoch auch die Bitte, sich deswegen nicht selber unnötig in Gefahr zu begeben. Nicht verlangen kann und werde ich das jemals von ihm. Besonders nicht von ihm.

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„Verzeiht Majestät, aber auch dieses Angebot werden wir nicht annehmen können. Unter Wert verkaufen wir sonst die Arbeiten der begabten Goldschmiede und würdigen kaum die der Bergleute, die schwer für Kohle und Eisenerz schuften." Selbst Balin, der allzeit seine klugen Worte mit Bedacht wählt und immer zum Wohle seines Königs diplomatisch agiert, ist von Müdigkeit gezeichnet und spricht mit bemühtem Ärger in der Stimme. Wahrlich um Jahre gealtert scheint er in den letzten Tagen, denn deutlich schimmern einzelne silbrige Strähnen, die vordem das Braun von Haare und Bart noch nicht veredelten. Jedoch lebenserfahrener nun auch nach außen erscheint er dadurch.

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