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Die Nacht schleppte sich im gleichen Maße wie der vergangene Tag dahin. Wenig Schlaf fanden weder Dís noch ich, denn Verbandwechsel und immerwiederkehrende Albträume forderten ein ständiges Wachen. Demnach erschrocken zucke ich zusammen, als mir gewahr wird, dass ich doch irgendwann einmal vor Erschöpfung einschlief und der Kopf schwer neben Thorins Hand auf die Bettkante sank. Wie lange ich ruhte, weiß ich nicht. Eine Stunde, zwei vielleicht. Viel mehr werden es wahrlich nicht gewesen sein, denn die Augen brennen und die Dumpfheit der Gedanken verrät, dass es zu wenige waren. Auch pocht die Wunde am Hinterkopf erneut schmerzhaft. Oin werde ich noch einmal hinaufschauen lassen.Ich fahre auf und sehe mich im dämmergrauen Zimmer um. Das Feuer im Kamin sackte zu einem Aschehaufen zusammen, in dem nur noch vereinzelte Nester glutrot flackern. Auch die Prinzessin erlag dem dringend benötigten Schlaf und missbrauchte die Hand ihres Bruders als Kissenersatz. Ich sorge mich sehr um sie. Zwischen der Pflege von ihm und Fili zerriss sie sich im Laufe der Nacht. Wir Zwerginnen stillen unsere Kinder lange und gerne. Mehrere Jahre, selbst wenn sie bereits festes Essen zu sich nehmen, finden Zwerglinge eine vertraute Zuflucht an der Brust ihrer Mutter. Es ist eine innige und liebevolle und wunderschön-erfüllende Beziehung, die jedoch sehr viel Kraft benötigt. Sie trank dennoch wenig und aß kaum, von dem fehlenden dringend erforderlichen Stunden Schlaf einmal abgesehen, wird dies auf Dauer zu kräftezehrend und damit problematisch. Als ihre Nan'ul hasûna ist es meine Pflicht, darauf hinzuweisen und einzuwirken, auch, wenn sie es kaum zustimmen wird von der Seite ihres Bruders zu weichen. Viel zu ähnlich in der dickköpfigen Sturheit der Durins sind sie sich beide.
Innerlich mir dennoch die richtigen Worte dafür zurechtlegend, wende ich mich in der Erwartung, es gehe ihm vielleicht schon besser und gebe mir damit die Grundlage für meine Argumentation, Thorin zu ... und erschrecke fürchterlich. Zwar wich die blutleere Blässe aus seinem Gesicht, wurde aber durch ein feuerrotes Glühen ersetzt. Sein Atem geht schnell. Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn und als ich die Hand prüfend auf sie lege, zucke ich ob der mich empfangenden, die Finger versengenden Hitze zurück. Fieber hat er. Hohes. Besorgniserregend Hohes. Als hätte es das Drachenfeuer seiner Träume in die reale Welt geschafft und droht nun ihn zu verbrennen.
Dís erwacht ob meines entsetzt laut ausgesprochenen Fluchs darüber. „Was ist geschehen?", fragt sie mich, aber ein einziger Blick auf ihren Bruder genügt, um diese zu beantworten. „Rasch, geh und hohl Meister Oin", befiehlt sie aufgeregt und ich gehorche.
Die blau-grauen Wände der langen Flure beengen mich. Kaum kann ich meinen Weg erkennen, denn immer wieder verwischen Tränen die Sicht. Alles verschwimmt. Alles fühlt sich so dumpf an. So voller Schmerz und Verzweiflung.
Jassin kommt mir entgegen. Ihre Augen weiten sich ahnend was geschah, nachdem sie meine Eile bemerkte. „Weist du, wo Meister Oin ist?" Sie nickt aufgewühlt, da die Anfrage ihre Befürchtung bestätigte. „Ich sah ihn eben in der Bibliothek, als er mit Herzog Vilí und Meister Balin sprach. Wie geht es Ihrer Majestät?" Kurz nur schließe ich sie tröstend in die Arme, denn meine verzweifelten Tränen glitzern nun ebenso in ihren Augen. „Er hat Fieber entwickelt", informiere ich jedoch nur knapp. Nicht irgendwelche Spekulationen will ich heraufbeschwören, auch wenn ich fest darauf vertraue, dass sie solcherlei nicht verbreiten wird. „Bereitet euch keine Sorgen. Eine ganz normale Reaktion auf dieses verdreckte Orkgelumpe." Sie weiß um die falsche Besänftigung, sieht die Lüge nur allzu verräterisch an ihrer Freundin, nimmt sie aber vor allem darum als solche an.
Die Bibliothek war für mich immer ein Raum der Ruhe und Entspannung. Arbeitsreiche wie auch erholsame Stunden verbrachte ich bislang hier. Der unvergleichliche Pergamentgeruch der alten Bücher, des verweilenden Staubs auf dem vielen Firlefanz, die Brokatbezüge der gemütlichen Sessel vor einem trockene Wärme spendenden Kaminfeuer, all das umweht mich, als ich die schwere Tür aufstoße, unschicklicherweise ohne vorher anzuklopfen. Die Augen der drei Zwerge, die beratschlagend an dem langen von Bücherregalreihen eingegrenzten Tisch sitzen, richten sich daher sofort auf mich.
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Menu Tessu ::: Teil 2 ::: Du bedeutest mir alles
Hayran KurguThorin ist nach dem Tod seines Vaters König der Blauen Hallen in den Ered Luin. Gleichwohl ihm und seine Getreuen ereilen weitere teils freudige, teil gefährliche Erlebnisse. Astâ unterdes; Leibdienerin, Kriegerin, Freundin, Vertraute; wird immer me...