Thutrel

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Dís jedoch scheint darüber nicht allzu beunruhigt, denn etwas anderes bringt die Geburt eines solchen Kindes noch mit sich: Schmerzen, die über die einer normalen Entbindung hinausgehen. Unter ihnen und in Anbetracht dessen, dass es viel zu früh ist und das Überleben des Neugeborenen von Estes, der Heilerin in Loriens Gärten, Wohlwollen abhängt, ist es verständlich, das sie sich momentan kaum Sorgen um die noch weit entfernte Zukunft bereitet.

Sie presst erneut, als eine Wehe dies begünstigt, und ein klein wenig tiefer rutscht das Kind, gleitet dann aber wieder zurück. Eine der Komplikationen, die auftreten können. Ich sehe Yrsa fragend an, jedoch sie scheint genau zu wissen, was helfen wird.

„Gebt mir Minzöl und Mohnblumensaft", bittet sie und eine der Hebammen reicht ihr sofort zwei kleine Fläschchen aus ihrer Tasche. Einen Schluck aus der mit dem betäubenden Mohnextrakt soll ich Dís einflößen, während sie das Öl großzügig um und auf dem Köpfchen verteilt. Die Schmerzen wird beides lindern, denn mit den Fingern weitet sie nach kurzen Warten den Geburtskanal in der nächsten Wehe. Trotz alledem schreit Dís auf und vergisst dabei für einen Moment zu pressen.

„Ihr müsste Eurem Kind helfen, Hoheit. Ich weiß, es ist schmerzhaft, aber Ihr seid stark genug dafür", beschwöre ich sie. Die Prinzessin greift nach der Hand ihres Gemahls, die auf ihrer Schulter ruht, und verlangt stumm jedoch mit flehenden Augen ebenso nach meiner. Ich stelle mich neben sie, um ihr das Begehr natürlich zu gewähren. „Ihr macht das großartig", versuche ich sie abzulenken. „Das Kind hat braune Haare und es wird wunderschön und kräftig und Euer ganzer Stolz werden."

Erneut überrollt sie eine Wehe. Ihr Bauch verhärtet sich, schiebt das Kind nach unten, hinaus in die Welt. Ich sehe den Schmerz in ihrem Angesicht. Dunkel ist er, qualvoll, stechend, brennend, reißend, schrecklich anzusehen, gleichwohl erträgt sie ihn tapfer. „Das war sehr gut. Noch einmal", ermuntert Yrsa. Schweiß glänzt auf ihrer Stirn. Sie wirkt angespannt, aber zuversichtlich.

Abermals verhärtet sich Dís' Körper. Sie atmet ein, legt das Kinn auf die Brust und drückt erneut. Kräftig und beharrsam. Yrsa wird plötzlich hektisch. „Jetzt nicht mehr pressen", weist sie an. Dís muss diese und nachfolgende Wehen also veratmen, denn zu schnell würde das Kind sonst kommen und ihr weitere Wunden zufügen. Ich atme mit ihr, gebe ihr einen Rhythmus vor, den sie dankbar annimmt. Einatmen. Tief. Ausatmen. Langsam. Einatmen. Gleichmäßig. Ausatmen. Yrsa derweil dreht das Neugeborene in die richtige Position. Umständlich, behutsam, unangenehm, wenn nicht sogar schmerzvoll, wie ich im Angesicht der Herrin ablesen kann ... und dann endlich ... ist es geschafft.

Angewärmte Tücher werden Yrsa gereicht, in denen sie das Kind sofort einschlägt und Mund und Nase säubert. Ein leises Wimmern ist zu hören, das aber schnell in einen lauten, kräftigen ersten Schrei übergeht. Erleichterung erfüllt den Raum. Ein tiefes Aushauchen von unbewusst angehaltener Luft und das Poltern von Steinen, größer als Felsbrocken, ist von allen Anwesenden kommend hörbar.

„Ihr habt einen weiteren Jungen, Hoheiten", sagt Yrsa nicht ohne Stolz und mit Tränen in den Augen und übergibt Dís behutsam das kleine Bündel. Ich entferne mich von ihr, denn dies ist ein Moment, der ganz den Eltern gehört. Die Anspannung fällt von ihnen. All die Schmerzen sind vergessen. Tränen laufen ihr über das Gesicht und voller Mutterliebe küsst sie das zarte Köpfchen, auf dem die noch feuchten braunen Haare kleben. Sofort beruhigt sich der kleine Junge, als er die vertraute Wärme seiner Mutter spürt.

„Thutrel", flüstert Vilí und streicht seinem zweiten Sohn über das vom Weinen und der Anstrengung der Geburt rote Gesichtchen. Bizarr wirkt seine große, dunkle Kriegerhand gegen die zerbrechlich wirkende, durchscheinende Zartheit der Haut. Wirklich winzig ist er im Gegensatz zu Fili damals, jedoch scheint nicht weniger kräftig und kampfwillig. Ein Kind Durins, ohne Zweifel.

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