Die Verführung des Tanzes

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„Ihre Majestät, Uzbadu Sigintarâg, Thorin, Sohn des Thráin vom Geschlechte Durins, und sein Gefolge."

Die sonore Stimme des Ausrufers schallt durch den prachtvollen Bankettsaal, der die westliche Flanke des Berges durchbricht. Große, bodengleiche Fenster mit goldornamentverzierten Rahmen ermöglichen den faden Blick auf die draußen herrschende gänzlich sternenlose Schwärze der Nacht. Im Sommer, wenn die Sonne um diese Zeit gerade erst den Tag beendet, wird das rot-violett-goldene Licht wohl glänzend den Saal durchfluten und auf von der gewölbten Decke herunterhängende irisierende Kristallleuchter und reflektierende Spiegel ringsherum treffen.

Die festliche Tafel inmitten des Saals ist bereits mit Köstlichkeiten überladen. Wild und Geflügel, sogar mehrere ganze Wildschweine sehe ich, bunt-verzierte Torten, kleine Patisserie, Platten mit Käse und Wurst, Schüsseln mit Pilzen, dampfende Pasteten, Brot und Brötchen, Aufläufe, Kartoffeln, wenig gegartes Gemüse und Körbe voller frischem Obst aus den unterirdischen Garten. Mein Magen grummelt erbost, um in Erinnerung zu rufen, dass ich den ganzen Tag bislang nur Frühstück zu mir nahm. Jedoch erst feierlich begrüßt und wichtigen Persönlichkeiten müssen wir vorgestellt werden.

König Lothin und seine Gemahlin erwarten uns bereits. Elegant und vornehm präsentiert sich die Königin in ihrem silberblauem Kleid mit der zarten Spitzenborte am wie der Blütenkelch einer Tulpe geformten Rocksaum. Es schmeichelt ihrer grazilen Figur neidmachend wirkungsvoll. Die Schneiderin Rûna ist wirklich eine wahre Künstlerin ihres Fachs und vermag es die Vorzüge jeder Frau in besonderer Manier hervorzuheben. Nur ein paar lockige Strähnen, die nun ihr Gesicht umrahmen, erhielten die Erlaubnis, sich aus der ansonsten streng mit Silberbändern gebundenen Frisur zu lösen. Auserlesener Schmuck aus anthrazitschimmernden Perlen und kostbaren Grandidierit prunkt an Hals, Ohren und Handgelenken. Ihr Parfüm riecht erfrischend blumig, so wie eine Frühlingswiese. König Lothin trägt ebenso wie Thorin Teile einer Stärke und Macht repräsentierenden Rüstung, jedoch harmoniert die durchweg feuerrot-schwarze Farbe seiner Gewänder nicht in einem auch nur winzigen Detail mit denen seiner Königin.

„Ah Thorin, da seid Ihr ja endlich", begrüßt uns der König in der gewohnt flammenden Art und übergibt ihm, wie es Sitte ist, einen Kelch Wein, den er dankend annimmt. Wir anderen neigen derweil respektvoll unsere Häupter. Als ich wieder aufblicke, wird mir Lothins Blick gewahr. Heiß brennt er auf der ihm schutzlos ausgelieferten Haut der freiliegenden Schultern, sickert mit zunehmender Verweildauer sogar durch den dicken Stoff des geschenkten Kleides. Seine Gedanken lodern nur allzu verräterisch in ihm.

„Ich freue mich, dass Ihr meinem Gesuch gefolgt seid, Zabdûnayê", säuseln seine zu einem süffisanten Lächeln verzogenen Lippen, ganz so, als hätte ich eine Wahl gehabt. Dennoch die Höflichkeit wahrend und um keinen Argwohn bei seiner Gemahlin aufkommen zu lassen, senke ich den Blick erneut. Jedoch spüre ich den ihren bereits allzu misstrauisch auf mir. Unruhe ergreif mich daraufhin. Wie gerne würde ich fliehen. Aber wohin? Und zudem, schmählich beleidigen würde dies unseren Gastgeber und Thorin Schande bringen.

Dwalin erkennt allerdings sowohl Verdacht wie auch Unbehagen und tritt schützend näher. Sofort wohler fühle ich mich gehüllt in seine Präsenz und mit neugewonnener Kühnheit hebt sich der Blick wieder. Genauso er bereicherte seine ansonsten durchweg dunkelblaue Festkleidung mit einer fliederfarbenen Bauchschärpe, wie mir gerührt auffiel, als er vor dem Festsaal auf uns traf. Lothin betrachtet ihn. Sieht ohne Zweifel die Verbundenheit verdeutlichende Kohäsion, die er unweigerlich bereits an Thorin wahrnahm, und wendet sich dann mit einem nur halb zu einem eigenartigen Lächeln verzogenen Mund ab, um uns zu einer unweit wartenden Gruppe immens wichtig aussehender Herren zu geleiten.

Einige Gesichter erkenne ich wieder, nachdem sie sich, als wir näher kamen, zu uns umdrehten und den Kopf vor ihrem König und seinem hohen Gast neigten. Bei dem gestrigen Begrüßungsbankett waren sie ebenfalls zugegen. Lothin stellt uns einem nach den anderen vor. Ministeriale, Ratsherren, Dienstgardisten, altehrwürdige Adelsgeschlechter ... die wohl angesehensten Mitglieder des Hofstaates eifern geradezu um weitere Anerkennung, indem sie Thorin schmeichelhafte Komplimente über verstorbenen Vater, mitgebrachte Waren, Gefolge und Reich darreichen.

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