Die Bitte

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Sommersonnenlicht flutet mir entgegen und blendet, als ich die Tür zum Gemach der Herrin Dís öffne. Einen blinzelnden Moment lang sehe ich kaum etwas von der Gemütlichkeit des Raumes, die sich, nachdem die ersten Vorbereitungen für das bereits in einem Monat erwartete Wunder getroffen wurden, noch um ein Vielfaches wohliger anfühlt. Vilí baute, so wie es die Tradition verlangt, eigenhändig mit viel Aufwand und dem ein oder anderem Fluchwort, denn solcherlei liegen ihm nicht, eine hölzerne Wiege. Jede Frau im königlichen Haushalt strickte und nähte und webte Kleidung und Decken, feinbestickte Tücher und Windeln und fertigte allerhand weiteres Nützliches. Im Geburtszimmer liegt vorsorglich alles bereit. Beständig brennt ein Feuer im Kamin, um der werdenden Mutter keine Kälte zuzumuten, und noch mehr Kissen als sonst, ließ sich Dís bringen. Überall verteilt liegen sie, um ihren schmerzenden Rücken oder die schweren Beine zu stützen. Ungewöhnlich groß ist das Kind bereits und liegt zudem ungünstig.

„Hoheit, die Hebamme ist eingetroffen." Dís wendet den Blick aus dem hohen Fenster mir zu, nachdem ich ihr diese Nachricht überbrachte. Trotz all der Strapazen, zu einer noch hübscheren Frau erblühte sie in den letzten Monaten der Schwangerschaft. Jeder zukünftigen Mutter sieht man diese an. Die Haare werden voller, die Haut rosiger, die Augen glänzender. Jedoch selten bislang sah ich eine solch bezaubernde Veränderung wirken. Es wird wohl die beruhigende Tatsache sein, einen Prinzen oder eine Prinzessin zu tragen und damit bald einem Kind das Geschenk des Lebens zu geben, das aufwachsen wird in sicherer Geborgenheit, anstatt mit Hunger und unter Armut.

„Jedoch, dieses Mal würde gerne Yrsa die Untersuchung durchführen, wenn Ihr es gestattet", unterrichte ich sie mit um Entschuldigung bittend gesenktem Blick. Aus der Schülerin, die wir einst kennenlernten, ist längst eine erfahrene Hebamme geworden, die ehrend die Bindrune* ihrer Zunft auf dem Handrücken trägt. Zwar begleitet sie Geburten weiterhin nur zusammen mit einer Weiteren, denn immer können Komplikationen auftreten, die jahrelanges Wissen bedürfen, jedoch viel darf sie bereits alleine.

„Natürlich gestatte ich es", sagt Dís mit einem ehrlichen Lächeln und streicht liebevoll über den gewölbten Bauch, auf dem das Geschenk ihres Bruders funkelt. Daher weiter öffne ich die Tür um Yrsa, die hinter mir wartete, das Eintreten zu erlauben. „Verzeiht die Änderung, Hoheit, aber Alrikas Anwesenheit bei einer komplizierten Entbindung war kurzfristig von Nöten", entschuldigt auch sie sich mit gesenktem Blick und drückt scheu die mitgeführte Tasche an sich. Noch nie begleitete sie eine so hohe Adlige. Verständlichweise umso mehr Ehrfurcht verspürt sie beim Anblick der Prinzessin. Ich sah sie bereits aufkommen, während ich sie durch die königlichen Hallen führte. Jedes in Wände oder Säulen eingelassene Schmuckstück, jedes Fresko, jedes edle Möbelstück wurde von ihr mit bewundernd großen Augen bedacht. Wie fühle ich mit ihr, denn das was für mich nun alltäglich ist, wurde anfangs genauso fasziniert mit offenem Mund angestarrt.

Dís lässt sich auf die gut gepolsterte Sitzfläche des Sofas plumpsen (denn jegliche Eleganz ihrer Erscheinung verging mit jedem Zentimeter zunehmendem Bauchumfangs) und winkt die Rechtfertigung ab. „Du musst dich nicht begründen Kind, ich weiß, dass auch du eine hervorragende Hebamme bist."

Yrsa knickst dankend und tritt näher an die Prinzessin heran. „Wie geht es Euch?", fragt sie und stellt die schwere Tasche mit allerhand an Instrumenten vor allem für die Geburt und Nachsorge, auf den Boden ab. „Alrika berichtetet mir, dass ihr diverse Beschwerden habt." Dís nickt und prompt, als sie sich wieder etwas aufrichtet, verzieht sich ihr Gesicht im aufkommenden Schmerz. Sofort stehe ich ihr zur Seite und platziere ein stützendes Kissen zwischen ihr und der Sofalehne. „Es ist vor allem der Rücken, der mich quält. Ein Stechen sobald ich mich ungünstig bewege oder lange liege. Die Nächte sind mir dadurch unerträglich und meinem Gemahl unweigerlich ebenfalls", erklärt sie mit einem um Nachsicht für die Beschwerde bittenden Lächeln. Untertrieben ist dies allerdings, denn öfters hörte ich sie in den zurückliegenden Nachtstunden ruhelos auf dem Flur vor unseren Gemächern umherwandeln.

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