Der Bericht

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Keine Zeit verschwendeten wir damit nach der anstrengenden Übung ein erfrischendes Bad zu nehmen und uns umzuziehen, obwohl es bitternötig wäre, wie die gerümpfte Nase von Balin unverhohlen verdeutlicht. Der Kommandant der ausgesendeten Kundschafter dagegen dürfte sich kaum an dem unflätigen Auftreten stören, denn schmutzig und unangenehm riechend nach Pferdeschweiß und in Haaren und an Stiefeln verkrusteten Sumpfschlamm wurde er bereits in den Salon begleitet, um Bericht erstatten zu können.

Ausgezehrt erscheint er mir zudem. Die Wildnis im Umland der alten Festung bietet wenig an essbaren Pflanzen und jagdbaren Wildtieren. Schwarze Eichhörnchen, schnelle Hasen und Hirsche mit gewaltigen Geweihen begegneten mir einst dort und Proviant für nur einige Tage konnten sie aufgrund der dringend nötigen Heimlichkeit ihrer Mission mitnehmen. Daher Jassin, die ihn einließ, bitte ich flüsternd darum, ihm ein Bad sowie gutes Mahl vorbereiten zu lassen, die er nach Erledigung dieser letzten Pflicht des Auftrages genießen kann.

In Erwartung, gleichermaßen hinausgeschickt zu werden, denn brisant und eigentlich nicht für meine Ohren taugend ist das Erkundete, sehe ich Thorin an. Aber dieser interessiert sich wenig für die übrigen Anwesenden und mich, die vor Wochen, als er den Befehl gab die Kundschafter auszusenden, ebenfalls zugegen waren. Angespannt schreitet er auf den Kommandanten zu, der sich vor dem König verbeugt. Bröckchen von getrocknetem Schlamm rieseln dabei aus dem langen, zu zwei dicken Strängen geflochtenen Bart.

„Verzeiht mir die unpassend späte Störung, Majestät", ersucht er mit unüblich rauer Stimme. Ich kenne ihn. Unter Vilís Befehl steht er schon einige Jahrzehnte, verdiente sich in diesen Rang und Ehre. Hart ist er, furchtlos, loyal und widerstandsfähig. Perfekt geeignet als Anführer der Sondertruppe, die allesamt aus vertrauenswürdigen und altgedienten Kriegern bestand. Viel wird er erlebt haben und die Tage und Wochen in der Wildnis griffen wohl seine Gesundheit an. Ich werde Thorin über Balin darum bitten, dass Oin nach ihm sehen soll.

Dieser indes nimmt die Entschuldigung zwar entgegen, aber winkt das nachzusehende Vergehen als nicht verärgernd ab. „Was habt ihr entdeckt?", fragt er begierig, denn für übertriebenen Anstand und Höflichkeit hat er weder Zeit noch Geduld. Der Kommandant richtet sich wieder auf. Unter Mühe und sogar Schmerzen, wie mir scheint.

„Wir begaben uns auf den Weg zur Festung Annúminas, so, wie Ihr befehligt habt, Majestät", beginnt er zu erzählen, nachdem er in einem der gemütlichen Sessel Platz nahm, den Thorin ihm endlich anbot. Auch ihm wird die abgezehrte und vermutlich verletzte Erscheinung nicht entgangen sein. „Aber wir mussten sie nicht betreten, denn bereits von weitem war erkennbar, dass sich die, die wir suchten, dort aufhalten."

Eine großartige Nachricht ist dies, aber keiner der Abwesenden lässt sich die Euphorie darüber anmerken. Zu unpräzise ist die Auskunft noch. „Aus den Schatten der umliegenden Wälder heraus, konnten wir sehen, wie sich mehrere Zwerge, die sich von Aussehen und Kleidungsstil allen Sippschaften zuordnen ließen, innerhalb wie außerhalb der zerfallenen Stadtmauern bewegten. Meist waren es Männer, aber auch einige Frauen und Kinder befanden sich unter ihnen. Jedoch erweckten diese den Anschein, nicht freiwillig dort zu sein."

Der Kommandant unterbricht und nimmt das Weinglas, das Jassin inzwischen brachte, dankend entgegen, um begierig zu trinken. Thorin gesteht ihm die Pause zu. Ein Hustanfall quält die angegriffene Stimme danach. Ausgetrocknet schien seine Kehle. Auch Wasser war während der Reise knapp, denn ungewöhnlich heiß ist der Sommer dieses Jahr und das Bett vieler Flüsse und Bäche verdörrt. „Wir beobachteten, wie eine der Frauen versuchte zu fliehen, als sie zusammen mit weiteren in Begleitung mehrerer Bewacher in den Wald geschickt wurden, um dort Wurzeln, Beeren und Kräuter zu sammeln. Jedoch schnell wurde sie wiedereingefangen und brutal unter den Augen der Anderen bestraft."

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