Wir folgten einem Traum

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Durch den Schmerz der Wunde und einem fernen Rufen entkomme ich endlich dem grauenhaften Traum. Der schwere Alb jedoch verweilt noch auf der Brust und erdrückt das Herz, dass sich mit schnellen Schlägen gegen ihn erwehren will. Mit aller Macht hält er mich gefangen in dieser nebelhaften Welt zwischen Schlaf und Wachsein. Orientierungslos wandle ich umher, versuche, dem Schrecken des Geträumten zu entkommen. Wenn man in ihnen verletzt wird, so wird gesagt, dann steht ein Leid bevor, dass jedoch bedeutungsvolle Erfahrung in sich birgt. Dennoch einzuordnen vermag ich nicht, wie es dazu kam. Ort, Situation und vor allem Thorins Verhalten ist mir unbekannt, gleichwohl fühle ich, es war kein bloßer Traum, doch weigere ich mich, es Vision zu nennen, währenddessen die Schattenwunde in meiner Mitte brennt.

Das Nachdenken vermag es endlich Alb und letzten Schleier des Schlafes zu vertreiben. Indes klarer werden alle Sinne und nun werde ich mir auch dem Rufen und leisem Schluchzen gewahr, dass das in Morgenzwielicht gehüllte Zimmer erfüllt. Ungeachtet dessen brennt selbst die wenige Helligkeit in den Augen und nur mit hastigem Blinzeln wird das Bild vor mir ersichtlicher. Ich erzittere in seinem Angesicht.

Die Herrin Dís legte sich auf die Brust ihres Bruders, ruft ihn immer wieder beim Namen und weint bitterlich dabei. Ihre Hände krallen sich in das Leinen seines Hemdes, das bereits deutliche Spuren ihrer Tränen trägt. In entsetzlich Panik gerate ich. Nein, oh Mahal bitte, das ... das darf nicht sein! Bitte, lasst dies Unglück nicht über uns gekommen sein!

Ich greife nach Thorins Hand. Gewohnt feueressenwarm ist sie. Nicht totenkalt. Nicht fieberheiß. Ich besehe mir seine Haut. Von einem gesunden Schimmer von Bronze und Gold wird sie überzogen. Verschwunden sind all die dunklen Zeichen der dämonischen Macht. Letztendlich gestärkt von diesen Wundern, getraue ich mir aufzuschauen, um ein ebensolches in seinem Angesicht zu suchen.

Ich finde es dort. In einem leichten Lächeln, das seine Züge noch lebendiger wirken lässt als die gesundete Gesichtsfarbe und in offene Augen, frei jedes Fieberglanzes. Verständlicherweise weiterhin kraftlos hebt er schwerfällig seine Hand und streicht beruhigend über den blonden Schopf seiner Schwester, die allerdings daraufhin abermals hervorbrechende Tränen vergießt, gleichwohl sich ein erleichtertes Lachen unter die Seufzer mischt. Nicht aus Trauer weint sie, sondern ob der Freude seines Erwachens.

Eine Schwere fällt plötzlich von meinem Herzen, die mich nun, da sie verschwand, erst spüren lässt, wie sehr ich unter ihr litt. Wie sehr sie stach und brannte und jede Empfindung minderte. Auch ich schluchze nun auf. Frei der Last seines drohenden Todes, denn die Zuversichtlichkeit, dass er der Dunkelheit der Vergiftung entkam, ist geradezu spürbar. Ohne Zweifel, aber um Gewissheit bittend, sehe ich zur Zimmerecke, in der Mandos bisher abwartend verweilte. Verschwunden ist der Totenwächter. Mit leeren Knochenhänden kehrte er endlich in seine Hallen zurück. Erhörte mein Flehen. Verschonte das kostbare Leben. Was auch immer ihn hinaustrieb, Mondlichtsilberwasser oder der Sud aus Athelas, niemals werde ich es erfahren, jedoch wichtig ist dies sowieso nicht.

Zurück zu Thorin sehe ich. Der Blick verschwommen durch Tränennässe. Dennoch erkennbar ist, wie sein lebendiges Lächeln nun mir gilt. Die Hand, die ich noch immer umgreife, zieht mich mit schwachem Ungestüm näher. Meinen Kopf bette ich auf seine Schulter. Kräftig ist sie. Warm. Die Muskeln unter der Haut indes entspannt. Deutlich spüre ich das Blut durch die große Ader an seinem Hals pulsieren. Gleichmäßig. Friedvoll. Voller Leben und so rein. Befreit von allem Verderbten. Der Geruch nach regenfeuchtem Stein, intensiver dort denn sonst wo, so herrlich vertraut.

„Ich fürchtete Euch verloren", schluchze ich leise, mir erneut bewusst werdend, was dies für mich, für uns, bedeutet hätte. Thorin umfasst daraufhin mit blasser Stärke meine Mitte, drückt den zitternden Körper näher an sich. Trösten will er. Mir verdeutlichen, dass er hier ist, dass er lebt. Jedoch erst der sanft gehauchte Kuss auf meine Wange, vermag gänzlich zu beruhigen.

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