Doch niemals meinen König

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„Und was habt Ihr in den Wassern des Kheled-zâram gesehen?" Zwei große, kluge Augen wie bronzebrauner Turmalin, funkeln mich unentwegt an, währenddessen ich von meiner Reise erzähle. Natürlich einige der besonders aufregenden Abenteuer und schrecklichen Eindrücke wandelte ich kindgerecht ab oder ließ sie gänzlich außen vor. Jedoch die Erinnerungen an die verfallenen Wunder des alten Reiches unter dem Nebelgebirge, und die Herrlichkeit des Spiegelsees in seiner stillen Pracht, die selbst nach all den Jahren überaus imposant blieben, schmückte ich einer Geschichte angemessen noch reichlicher aus. Dennoch bei dem Bild der sieben Sterne, die aus dem Wasser emporstiegen, mein Haupt krönten und damit ein rätselhaftes Mysterium verkündeten, behalte ich weiterhin als Geheimnis. Bislang niemand erfuhr davon. Wer würde es mir auch glauben?

„Schönheit", raune ich geheimnisvoll und vor Aufregung holt die junge Prinzessin tief Luft. Selbst ihr Bruder, der bisher versuchte, so herrschaftlich unberührt wie möglich zu wirken, richtet sich gespannt auf. „Zuerst sah ich in ihm eine bodenlose Leere, wie das Nichts, das Ea umgibt. Eine schwarze Einsamkeit, die jedoch nicht vermochte mein Herz zu bedrücken. Aber dann funkelten plötzlich Sterne auf. Abermillionen. Mehr, als man selbst bei wolkenlosen Himmel am nächtlichen Firmament sehen kann. Sie ordneten sich zu bekannten und unbekannten Bildern. Fielen von glitzernden Schweifen begleitet hinab und verglühten mit einem letzten rot-schimmernden Leuchten in der Dunkelheit. Ich verlor mich in ihnen, schien losgelöst von allem Schrecklichen und Schönen dieser Welt in einer Weite zu schweben, in die kein sterbliches Wesen bis jetzt eintrat und wohl auch niemals eintreten wird."

Die Lippen von Ibûna zittern vor Ergriffenheit. „Und Durin sah sich einst von ihnen gekrönt?" Ich nicke zustimmend. „Kheled-zâram zeigt denjenigen, die mutig genug und reinen Herzens sind, den Sternenhimmel, die aber, die er als würdig ansieht, den Thron Khazad-dûms zu besteigen, erhalten von ihm die Krone der sieben Sterne, ein Stern, für jedes der Zwergenvölker."

„Ich würde so gerne einmal hinein sehen", eröffnet sie und wirkt so, als würde sie sich am liebsten gleich, sofort ein Pony schnappen und aufbrechen. Ich lache über diese herzerfrischende kindliche Begeisterung. „Oh, Hoheit, der Weg zum Schattenbachtal ist lang und voller Gefahren. Ich befürchte, noch ein wenig wachsen müsst Ihr, um vor allem ein Schwert führen zu können." Ihr kleiner Mund verzieht sich zu einer schmollenden Schnute. „Das kann ich bereits. Lórid hat mir zum letzten Geburtstag eines aus Holz geschenkt und Hauptmann Morrak hat mir gezeigt, wie ich es halten soll." Ich sehe ihren Bruder an und ein vielsagendes Lächeln können wir beide kaum unterdrücken. Sie ist so herzallerliebst und wie wohl geht es mir in ihrer Gegenwart.

Jedoch abrupt endet die von Verpflichtungen und Etikette losgelöste Stimmung, als sich die Tür zum Salon öffnet, in den wir uns mit Genehmigung Ihrer Majestät zurückzogen. Erschrocken springen wir von dem Bärenfell auf, das vor dem lodernden Kamin ausgebreitet liegt, um den Eintretenden zu begrüßen. Königin Idûna steht unerwartet dort, galant gekleidet in ein efeublattgrünes Kleid und mir fällt auf, noch nie sah ich sie die feuerrot-schwarzen Farben des Königshauses tragen.

Sofort knickse ich tief und auch Sohn und Tochter, erbieten ihr mit einem steifen Kopfnicken den nötigen Respekt. Ich vermute, dass sie diese förmliche Höflichkeit ihr gegenüber ebenso bemühen müssen, wenn sie ohne beobachtende fremde Augen aufeinandertreffen. Jedoch von einem kleinen Kind kann man dies unmöglich in aller Verhaltenheit verlangen, und so läuft die Prinzessin ihrer Mutter im nächsten Moment bereits laut plappernd entgegen.

„Amad, stellt Euch vor, Nathûna Astâ hat einmal in den Spiegelsee gesehen und Faien aus den Wäldern haben ihr geholfen, König Thorin zu retten, und im Nebelgebirge leben tatsächlich noch die Hûne, von dem mir Hauptmann Morrak erzählte. Ist das nicht unglaublich?!" Reserviert lächelnd schaut die Königin auf ihr aufgeregt umherspringendes Töchterchen hinab und trotz des warmen Feuers im Kamin, kriecht mir unverwandt eine Eiseskälte in die Glieder.

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