Das Verlangen nach Vergeltung

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Oin hebt vorsichtig meinen rechten Arm, prüft, ab wann er mir Schmerzen bereitet. Kaum höher als über die Brust kann ich ihn drücken, dann bereits blockiert das Gelenk ein Weiterkommen und Muskeln und Sehnen beginnen zu brennen. Den Frust darüber vermag ich weder ihm noch Thorin und Dwalin gegenüber zu verbergen, die die Untersuchung mitverfolgen. Allerdings zufrieden scheint der kundige Heiler, der schon so manch schreckliche Kriegswunde sah, mit der bisherigen Genesung innerhalb der zwei Tage, nachdem ich erwachte.

„Kannst du deine Finger bewegen?", fragt er und, wenn auch unter ziehenden Schmerzen, gelingt mir dies ohne Probleme. Er nickt erleichtert. „Du musst den Arm noch eine lange Zeit schonen. Ich lege ihn dir dazu jedoch nur in eine Schlinge, hoffend darauf, dass du meiner Anweisung folgst." Er sieht mich ermahnend an, denn zu gut kennt er das Zwergentemperament, mit dem auch ich bedacht wurde. Zu groß ist mir allerdings das Risiko, dass der Arm kampfunfähig bleibt, so dass ich ihm dies natürlich zusichere.

„Ich würde mir auch noch gerne die Wunden auf deinem Rücken ansehen und den Verband wechseln", sagt Oin schließlich und sieht auffordernd zu den beiden anwesenden Herren hinüber. Unschicklich wäre es, wenn sie währenddessen hierblieben, denn entkleiden muss ich mich dafür. Jedoch zumindest Thorin verharrt davon gänzlich unberührt. Das Recht hat er natürlich, ebenfalls die Verletzungen in Augenschein zu nehmen, die seiner Dienerin angetan wurden. Als Beweis fungieren sie zudem, um die Täter durch sein Urteil mit Strafe zu belegen. Dwalin gleichwohl, der sich bereits zum Gehen abwendete, mustert ihn unter Einwänden. Keine Ermächtigung steht ihm zu. Nur die meine.

„Bleibt", flüstere ich daher, an beide gewandt, auch wenn die Bitte nur Dwalin gilt. Oin runzelt die Stirn in Missfallen, jedoch die Erlaubnis akzeptiert er dennoch ohne Kritik darüber hinaus. Sowohl mein Herr wie ebenso mein Schützer sahen mich bislang in allerhand verfänglichen Situationen, von manchen hat er Kenntnis, von den meisten gleichwohl nicht. Solange ich es gewähre, dass sie Verletzungen und damit Einhergehendes sehen, kann er ihre Anwesenheit nicht rügen.

Langsam entkleide ich mich, halte jedoch einen Teil des Unterkleides vor meine Brust, als Oin beginnt die Lagen um Lagen des Verbandes zu lösen. Der Stoff klebt trotz verwendeter Salben und Öle unangenehm an den heilenden Wunden. Mitunter wieder aufgerissen werden sie, als er vorsichtig die letzte Bahn entfernt und ich versuche, ein allzu lautes Stöhnen ob der widerwärtig stechenden Schmerzen zu unterdrücken.

Der Heiler kennt den Anblick der Zerstörung einst vollkommen unversehrter Haut. Allerdings Dwalin wie auch Thorin, scheinen bislang davon nur durch seine Erzählungen in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Ihre Blicke verhärten sich in nur einem Wimpernschlag. Der aufkommende Zorn in ihnen brennt mit einer ebensolch zerstörerischen Kraft, die verdeutlicht, dass der Verursacher meiner Schmerzen kaum mehr eine Aussicht haben wird seiner gerechten Strafe zu entrinnen.

„Sie sind bereits erstaunlich schnell und gut verheilt", berichtet Oin und säubert behutsam die Wunden mit einem kräutersudgetränkten Tuch. Viele sind es und erstrecken sich kreuz und quer über den gesamten Rücken. Die Schläge mit dem Riemen wurden kräftig und voller Wut ausgeführt. „Aber du wirst dennoch von einigen Narben zurückbehalten." Für immer werden sie mich zeichnen und an die Schande erinnern, dass ich sie nicht in der Schlacht, sondern in der Niederlage erlitt.

Thorin schnauft erbost. Die Verschandelung des Eigentums eines Königs ist ein übles Vergehen, das grässliche Strafe nach sich zieht. Gleichwohl nützlich kann uns der Übeltäter noch sein, denn weiß er doch allerhand über die in den Vorfall verstrickten Machenschaften eines hohen und dem Königshaus immer wieder Schaden zufügen wollenden Amtsträgers. Ihn ebenfalls verurteilen können wir vielleicht durch seine Aussage. Daher unterrichte ich den König und seinen General über den Umstand der Verbandelung und der Vermutung, dass weder das unbemerkte Eindringen der Nachtzwerge in den Berg noch die zahlreichen Entführungen vollkommen ohne Beteiligung der Verräter vonstattengingen. Jedoch glaube ich, dass die Verschleppung von Fili dabei eher zufällig geschah.

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