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Als wir an meinem neuen Zuhause standen, klopfte ich vorsichtig an. Ich wusste, dass ich eine Mitbewohnerin haben sollte. Keine Reaktion. Ich holte meinen Schlüssel, denn ich bei der Anmeldung abholen musste raus und schloss die Tür auf.

"Bunt." Bemerkte Brain. Und grinte vor sich hin. Aber er hatte recht. Wie auf einem Trip. Rosa, Rot, Blau, Grün und ein paar Brauntöne. Als wären mehrere Farbeimer explodiert.

Ein Bett war leer. Und zum Glück auch das meiste von der Wand. Die helle, Cremefarbende Wand dahinter sah man kaum noch. Wurde nur von mir wahrgenommen, weil meine Seite ziemlich clean war.

"Dann wünsche ich einen angenehmen Aufenthalt. Wir werden uns wohl öfter sehen. Er schaute den langen Flur entlang und dann wieder zu mir. Er verbeugte sich kurz galant und lief davon. Ich schaute ihn hinterher. Und er lief irgendwann in ein Zimmer an Ende des Flures. Hat er tatsächlich sein Zimmer im gleichen Flur? Was für ein Zufall. Verdammt! Dann werde ich ihn wohl wirklich öfter begegnen.

"Hi!" Schrie mich eine grelle Stimme von der Seite an. Eine sehr schlanke Blondine, mit einem echten Engelsgesicht stand vor mir. Und strahlte mich über beide Ohren an.

"Bist du meine neue Genossin?" Ich nickte. Sie hüpfte freudig an mir vorbei und setzte sich an den knallgelben Tisch neben ihrem Bett.

"Endlich! Alleine ist voll öde! Wir werden sicher gut klar kommen. Siehst nett aus. Asiatin?" Gott war die laut und direkt. Ich nickte nur. Kam ja eh nicht dazu, zu antworten.

"Cool. Ich bin Russin. Na ja. Meine Mutter ist halbe. Mein Vater Ganzer. Klingt irgendwie komisch. Ich bin aber hier geboren." Dann sprang sie auf und nahm meine Hand. Schüttelte sie wie ein Shake.

"Freut mich! Ich bin Paige." Was hat sich die Uni bloß gedacht?! Sie ist ... anstrengend.

"Hast du auch einen Namen?" Ach darf ich endlich?

"Lynn." Sagte ich schnell, bevor ich nicht dazu komme. Wer weiß wie viel Zeit einen bleibt, bevor sie wieder anfängt einen zu tote zu quatschen.

"Total schön! So wie du! Ich liebe eure Haut und Haare so rein und glatt. Ich hätte gern auch so schönes Haar. Meines ist immer so krisselig." Hilfe!

"Wie ..." Jetzt stoppte ich sie. Irgendwann ist genug.

"Darf ich auspacken? Und du kannst inzwischen etwas Luft holen. Muss anstrengend sein, ohne klar zu kommen. Aber nimm ruhig, genug für alle da." Sprach ich ziemlich sarkastisch. Sie schaute verwirrt. Diese Chance nutze ich, um in meine Ecke des Zimmers zu gehen. Ich schaute mich um und hoffte, dass wir wenigstens eine Toilette hatten. Ich weiß, dass die Duschen nur gemeinsam genutzt werden. Da natürlich getrennt von den Jungs. Reicht ja, dass sie mit uns Tür an Tür leben.

Und tatsächlich war hinter der Tür, die wir offenließen, noch eine Tür. Das muss das WC sein. Ich lief dort hin und atmete erleichtert. Wäre eklig auch das mit Tausenden teilen zu müssen. Es hätte ihr drin sogar platz für eine Dusche. Aber dieser Platz belegte man lieber mit Schränken. Aber auch gut.

"Welcher Teil des Schrankes ist deiner? Will jetzt nicht neugierig sein!" Rief ich ins Zimmer. Und wie Speedy Gonzales stand sie in Sekunden vor der Tür. Mensch hat die eine Energie!

"Oben. Ich bück mich ungern. Das muss man sich verdienen." Kicherte sie. Sollte das unanständig gewesen sein? Versuchte sie gerade wirklich Zweideutigkeit? Wenn war der jetzt nicht besonders gut. Aber ich versuchte einen kleinen Lacher rauszupressen. Sie schien plötzlich nicht zu wissen, wie sie mit mir umgehen sollte. Ich ignorierte das erst mal.

Als ich im Bad auch alles verstaut habe und das Bett bezogen, packte ich das wichtigste in den Schreibtisch und meine Klamotten in den Kleiderschrank. Dann hatte ich erst mal kein Bock mehr. Dann dachte ich: Gut, jetzt darf sie gerne quasseln!

"Und? Ist hier immer so viel los?" Sie schien zu überlegen und starrte mich kurz an. Komisch, jetzt ist sie wieder so still. Leider wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Vielleicht hat sie mir das übel genommen. Ich kann aber auch echt gemein sein.

"Sorry, falls ich dich irgendwie verletzt haben sollte. Deine Energie hat mich etwas ... überfordert."

"Nein! Ist ok. Viele haben damit ein Problem. Ich müsste mich eher entschuldigen." Sie schien es echt ernst genommen zu haben.

"Irgendwann gewöhne ich mich dran. Sei wie du bist. Ich habe auch nervige Eigenarten an mir. Keiner ist unfehlbar." Lächelte ich und hoffte, sie würde mir meinen Sarkasmus entschuldigen.

"Lynn. Hört sich echt toll an. Weißt du, dass der Name ursprünglich aus Deutschland kommt, auch wenn er nicht danach klingt. Althochdeutsch.

Angelsächsisch. Daher genau. Oft wurden auch Männer so genannt und er ist häufig ein Nachname. Daher hast du einen außergewöhnlichen Namen. Ich finde eher, er klingt nach Asien und passt zu Frauen. Weiß ja nicht was die Deutschen sich gedacht haben. Wie sie ihn wohl aussprechen?" Wieder redete sie wie ein Buch. Aber ich ließ sie. Das war wohl ihre Art.

"Verzeih. Wieder ... ich rede echt zu viel. Du kannst ruhig immer was sagen, wenn ich nerve." Ich schüttelte den Kopf.

"Natürlich. Aber nicht weil du nervst. Schön das du so lebensfroh bist, davon könnte ich mir echt eine Scheibe abschneiden. Viele sehen mich als wilder Griesgram. Hexe. Mein Spitzname in der Schulzeit." Lachte ich etwas merkwürdig. Ja, das waren Zeiten. Viele kamen mit meiner Zielstrebigkeit und Einsiedlerdasein nicht klar. War immer die Beste. Das hat mich dann noch zur Streberin gemacht. Aber ich konnte einfach alles, ohne viel dafür zu tun. Ich habe dann manchmal mit Absicht Sachen versaut. Fragen falsch beantwortet. Tests falsch ausgefüllt, einfach, damit ich nicht die Außenseiterin war, für die ich gehalten wurde. Hat aber nicht geklappt und irgendwann war es mir egal und nutzte meine Fähigkeiten, um mir immer ein Vorteil zu verschaffen. Zum Glück. Wer weiß, ob ich sonst hier gelandet wäre, wenn ich alles hingeschmissen hätte, nur weil andere neidisch waren.

Yes Sir! - Teach me!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt