Kapitel 38

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Ein paar Minuten später durften wir das Zelt verlassen und im offenen Bereich auf unsere Erziehungsberechtigten warten. Schon bald tauchten Kiaras und Popes Eltern auf. Sie trösteten sich gegenseitig und standen einander nahe. Zu meiner Überraschung tauchten auch meine Eltern auf. Woher wissen sie überhaupt, wo ich bin? "Jade, was machst du denn hier?", fragte mich meine Mutter. "Wieso seid ihr hier?", lautete meine Gegenfrage. "Na ja, du musst ja morgen zu deinem Vorstellungsgespräch an dieser Uni, deshalb wollten wir dich gleich abholen."

Als meine Mutter diese Worte aussprach, blieb mir die Luft weg. Wie kann sie es wagen, hier dieses Thema überhaupt anzusprechen. Das Einzige, für das sie sich interessiert, ist das Ansehen der Familie. Sie scherte sich ein Dreck um mich und meine Gefühle. Wütend sprang ich aus Jj's Armen und lief auf meine Mutter zu. Gerade zuvor wurden ihr die aktuelle Lage von der Polizei mitgeteilt und trotzdem kam nichts von ihr. Nicht ein einziger Funken Sorge. "Ein scheiss mache ich", sagte ich laut. Der Blick meiner Mutter wurde eiskalt. "Wie kannst du es wagen". "Ich werde nicht zu diesem scheiss Vorstellungsgespräch gehen und auch sonst nie studieren. Akzeptier das doch einfach". Im hinteren Augenwinkel konnte ich Jj ausmachen, wie er sich ebenfalls erhob. "Du wirst unsere Familie nicht beschmutzen, nur weil du endlich mal Freunde gefunden hast." Das war eindeutig zu viel. "Verschwinde". In der nächsten Sekunde wurde mir eine Ohrfeige verpasst. Ich konnte es nicht fassen. Dieser Mensch, genannt Mutter hatte mir tatsächlich eine runtergehauen. "Ich will dich nie wieder in meinem Haus sehen", waren die letzten Wort, welche meine Mutter zu mir sagte, bevor sie endgültig verschwand. Wie ein Schosshündchen liess mich auch mein Dad im Stich und verschwand ebenfalls.

Erst als sie um die Ecke verschwunden war, konnte ich wieder richtig atmen. Jetzt war es also definitiv. Nach Hause konnte ich nicht mehr. Erschöpft lehnte ich mich an eine Wand und liess mich sinken, bis ich schliesslich ganz auf dem Boden sass und meine Knie an meinen Körper zog. Überfordert fuhr ich mir durch die nass geschwitzten Haare. Plötzlich spürte ich das allzu bekannte zucken. Bitte nicht jetzt. Doch mein Körper wollte nicht hören. Die Tränen flossen bedeutungslos über mein Gesicht während meine Hände unkontrolliert zu zittern begannen. Dazu fühlte es sich noch so an, als hätte man mir eine dicke Schicht Watten auf die Ohren gelegt. Ich nahm Bewegungen neben mir wahr, doch darauf reagieren konnte ich nicht. Jemand kniete sich vor mich, doch alles war verschwommen. Ich wollte einfach nur, dass alles aufhört. Dass es aufhört, weh zu tun.

Wie eine Verrückte hielt ich meinen Kopf gesenkt und presste meine Hände an meine Ohren. Aus den in Watten gepackten Geräuschen wurden quälend laute und schrille Töne. Mit den Augen fest zusammengepresst hoffte ich auf Erlösung.

Was mich wieder zurück ins hier und jetzt brachte waren Lippen auf meinen. Sie fühlten sich vertraut an, ein gutes Gefühl. Mit den Augen geschlossen versuchte ich, dass dieser Moment für eine Ewigkeit so bleibt. Und für kurze Zeit war das auch wahr, doch dann entfernten sie sich. Ich schlug die Augen auf und sah einen blonden Haarschopf vor mir. Entgegen blickte mir Jj's besorgtes Gesicht. Verwirrt sah ich ihn an. "Geht's wieder?", fragte er ungewöhnlich mitfühlend. Ich nickte schnell und rappelte mich so schnell wie möglich auf. Wenn ich etwas hasste, dann war das schwach auszusehen. Doch um tatsächlich aufstehen zu können brauchte ich die Hilfe von Jj's Händen stützend um meine Hüften.

Kiara kam sofort auf mich zu gerannt und schloss mich fest in ihre Arme. "Mach so was nie wieder", flüsterte sie mir ins Ohr. "Na ja, kontrollieren kann ich das nicht". Als Kiara mich aus ihrer festen, aber tröstenden Umarmung befreit hatte, holte ich einmal tief Luft. Dies diente dem Zweck des Beruhigen.

"Auf Befehl vom Deputy dürft ihr alle nach Hause gehen". Ein Mann mit der Aufschrift FBI auf seiner Weste, kam auf uns zu. Nachhause spottete meine innere Stimme. Ich konnte nicht mehr nach Hause.

Kiara und Pope machten sich mit ihren Familien auf den Weg. Kiara's Mutter blieb jedoch noch kurz stehen und blickte zu mir nach hinten. "Willst du bei uns übernachten Jade?" Überrascht sah ich sie an. Doch meine Antwort fiel anders aus. "Nein, alles gut, ich finde schon irgendwas", sagte ich und lächelte der Mutter zu. Diese nickte kurz und stieg dann wie die anderen Familienmitglieder ins Auto. Auch Pope war mit seinen Eltern bereits verschwunden. Wir alle waren komplett fertig und brauchten Schlaf.

Jj's Anwesenheit spürte ich präsent hinter mir. Ich drehte mich zu ihm um. "Alles okay?", fragte ich ihn. Er hielt sein Blick auf den Boden gerichtet. Seine Anspannung aber konnte man von weiter Ferne aus sehen. "Ich werde ihn umbringen". Sofort wusste ich, dass er Shoupe meinte. "Das kannst du nicht". "Keine Sorge ich finde schon ein Weg. Dieser Dreckskerl hat es verdient zu sterben". Jj wollte es zwar nicht zugeben, doch ich wusste, dass er innerlich zusammenbrach. Er wollte nicht, dass ich ihn von einer ganz anderen Seite kennenlerne. Das Gefühl war mir nur allzu bekannt. Schliesslich war ich genau gleich, was diese Gefühlszone betraf. "Ich weiss es ist schwierig für dich aber", wollte ich ihn weiter besänftigen. "Halt deine Fresse, du hast doch keine Ahnung", schrie Jj mich auf einmal an. Ich schreckte auf und machte prompt einen Schritt nach hinten. Entsetzt starrte ich den tobenden Jungen vor mir an. Wie er sich durch die Haare fuhr und keine Sekunde stillstand. "Was stehst du noch hier? Verschwinde einfach" wurde ich von Jj verscheucht. Mein gerade entstandenes Gefühlschaos wirbelte auf. Enttäuschung gewann die Oberhand. "Du hast kein Recht so mit mir zu reden", sagte ich laut und sah ihn an. Jj's Blick war in den Boden verwurzelt. Ich schnaubte laut auf. "Alles klar, ich bin weg. Aber komm nachher ja nicht wieder angekrochen, um dich zu entschuldigen, du Mistkerl". Diesmal war ich die, welche mit jedem Wort lauter wurde. Nicht eine Reaktion. Sofort machte ich kehrt und lief in schnellen Schritten davon. Hinter mir hörte ich Jj auf etwas einschlagen, doch ich zwang mich, nicht zurückzusehen.

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