~~Epilog~~

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Kristoffs Sicht:
Sofia und ich warteten mit den Kindern auf die Ärztin. „Ist Opa jetzt tot…?“ fragte Lars mit Tränen in den Augen. „Ich weiß es nicht Großer…“ gab ich zurück und musste schlucken. Mein Blick fiel durch die Scheibe in Papas Zimmer, aber vor lauter Personal konnte ich nichts erkennen. Sofia griff nach meiner Hand und drückte sie leicht. Auch ihre Augen waren feucht, trotzdem versuchte sie für mich und unsere Kinder stark zu sein. Einige Zeit später kam Dr. Saarinen zu uns. „Und…?“ fragte ich und sah sie ängstlich an. „Ihr Vater hatte einen Herzstillstand. Wir konnten ihn fürs erste zurückholen, aber er liegt jetzt im Koma.“ Erklärte sie mit ruhiger Stimme. „Heißt das er lebt?“ Klaras Stimme war voller Hoffnung und es zerriss mir das Herz, als die Ärztin antwortete: „So kann man das nicht sagen. Das Herz eures Opas hat aufgehört zu schlagen und jetzt übernimmt eine Maschine für ihn das Atmen.“ „Kann er das nicht mehr…?“ „Leider nicht.“ „Muss er jetzt für immer hier bleiben…?“ „Nein Maus. Der Opa möchte nicht für immer in diesem Zustand sein.“ „Wie lange denn?“ „Er möchte, dass die Geräte abgestellt werden, wenn sich nach 30 Tagen nichts ändert.“ „Warum nach 30 Tagen?“ fragte mein Sohn verwundert. „Ich weiß es nicht, aber das ist das, was er will. Vielleicht können wir ihn das ja mal fragen.“ „Ok…“ „Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“ „Ja… Können wir zu ihm?“ „Natürlich. Melden Sie sich bitte, wenn irgendetwas ist.“ „Danke Frau Dr. Saarinen.“ „Kein Problem.“ Sie verabschiedete sich und wir gingen zu meinem Vater. Es war schrecklich ihn so zu sehen, erst recht mit dem Wissen, dass die Maschine der einzige Grund für das monotone Piepsen im Raum war. Ich hoffte selbstverständlich, dass sich sein Zustand innerhalb der nächsten vier Wochen verbesserte, aber wenn dem nicht so sein sollte, musste ich seine Wünsche respektieren und ihn gehen lassen. Ganz egal wie schwer es mir auch fiel…

Papas Herzstillstand war nun 30 Tage her und nichts hatte sich getan. Wir pendelten seitdem zwischen unserem Haus und dem Krankenhaus hin und her. Gott sei Dank gab es in Finnland keine Schulpflicht, solange man dafür sorgt, dass der Unterrichtsstoff nachgeholt wird und darum würden wir uns definitiv nach der Beerdigung meines Vaters kümmern, aber jetzt stand uns erstmal etwas anderes bevor: Am liebsten hätte ich ihn natürlich so lange an der Beatmungsmaschine gelassen, bis er von selbst aufwacht, aber ich wusste, dass das nicht mehr passieren würde. Papa hatte Frieden mit dem Tod geschlossen und es würde ihn nur quälen, wenn ich seine Bedürfnisse übergehen würde. Nach dem Frühstück blieben wir mit den Kindern am Tisch sitzen. „Ihr wisst was heute für ein Tag ist oder?“ ergriff meine Frau das Wort. Lars und Klara schauten stumm zu Boden und nickten leicht. „Wir wissen, dass das schwer für euch ist… Für uns ist es ja auch nicht leicht. Ihr dürft aber niemals vergessen, dass Opa euch wirklich liebt ja? Ihr beide seid für ihn mit das wichtigste auf der Welt und ohne euch wäre er vielleicht nicht über Omas Tod hinweg gekommen.“ Plötzlich hob Klara den Kopf und fragte: „Muss er wirklich heute sterben? Können wir nicht noch warten?“ „Worauf willst du denn noch warten Maus?“ „Dass er wieder aufwacht!“ „Das wird er nicht…“ meinte Lars und sah seine kleine Schwester an. „Das weißt du doch gar nicht!“ „Wenn er leben wollen würde, wäre er schon längst wieder wach!“ „Hey, hört auf euch zu zanken. Das ist jetzt wirklich kein guter Zeitpunkt dafür.“ „Aber Lars lügt! Opa würde uns nie alleine lassen! Das hat er uns versprochen!“ schrie Klara und fing an zu weinen. Ich schluckte und nahm sie auf den Arm. „Ganz ruhig Süße… Natürlich will er uns nicht allein lassen, aber irgendwann muss jeder sterben… Er wollte noch warten, deshalb sollten wir auch 30 Tage warten, aber die sind jetzt um und wir tun ihm keinen Gefallen wenn wir jetzt noch länger warten ok?“ erklärte ich einfühlsam und drückte meine Tochter an mich. Wie gerne hätte ich uns allen, besonders den Kindern, diesen Schmerz erspart… „Papa und ich fahren gleich ins Krankenhaus, aber wir würden es verstehen, wenn ihr heute nicht mitkommen wollt. Ihr könnt ja solange zu…“ sagte Sofia, doch unsere Kinder riefen sofort dazwischen: „Nein! Wir wollen mit und uns verabschieden!“ „Seid ihr sicher?“ hakte Ich nochmal nach, doch sie blieben dabei und so fuhren wir zu viert ins Krankenhaus.
Die ganze Fahrt über war es still, erst als uns Dr. Saarinen auf der neurochirurgischen Station in Empfang nahm wurde das Schweigen gebrochen. Nach der Begrüßung ging sie mit uns zu Papa ins Zimmer. Dieser lag immer noch unverändert mit geschlossenen Augen im Bett. Wenn man von dem Schlauch in seinem Mund absah, konnte man fast denken, dass er einfach nur schlief. Ein kleiner Teil von mir hoffte natürlich immer noch, dass er auf einmal selbstständig atmen konnte, aber ich wusste, dass das nicht passieren würde. Dr. Saarinen stand neben der Beatmungsmaschine und wir auf der anderen Seite des Bettes. Ihr Blick war voller Mitgefühl, als sie erklärte: „Sobald die Medikamentenzufuhr abgestellt ist, werde ich extubieren. Wie in seiner Patientenverfügung steht, hat Herr Haber darum gebeten, die lebenserhaltenden Maßnahmen, die den Todeszeitpunkt nur hinauszögern würden, nach 30 Tagen einzustellen. Herr Haber hat verfügt, dass die Anweisungen seines von ihm bestimmten Stellvertreters zu respektieren sind, falls er nicht mehr in der Lage ist, eigene medizinische Entscheidungen zu treffen. Sein Wunsch war es, dass in seinen letzten Stunden nur Schmerzlindernde Maßnahmen ergriffen werden sollen. Sobald die Beatmungsmaschine abgestellt ist, wird er vielleicht nur noch wenige Minuten durchhalten. Es kann aber auch Stunden dauern. Ich werde die Beatmung jetzt abstellen.“ Sie drückte einen Knopf und das Gerät schaltete sich ab. Leicht nervös griff ich nach Sofias Hand und verschränkte unsere Finger miteinander. „Er ist mit Morphin sediert. Er wird also nichts davon spüren.“ Fügte die Ärztin hinzu, bevor sie den Tubus entfernte. Papas Atem stockte kurz, aber sonst passierte nichts. „Ich lasse sie jetzt mit ihm allein.“ Damit verließ sie den Raum und wir verteilten uns um das Bett herum. Ich setzte mich auf einen Stuhl und nahm seine Hand. „Danke Papa… Für alles…“ hauchte Ich und sah ihn mit Tränen in den Augen an. „Ich werde immer für meine Träume kämpfen, ganz egal was die anderen sagen… Und eines Tages wird man Krebs heilen können, das verspreche ich dir Opa…“ schluchzte Lars und kuschelte sich an ihn. Klara stand mit ihrer Mutter neben ihrem Bruder und sagte nichts. Mit ihren vier Jahren war sie verständlicherweise einfach viel zu überfordert mit der Situation.“ Wir werden dich nie vergessen Samu… „flüsterte meine Frau strich über seinen Arm. Ich war ihr sehr dankbar für ihre Unterstützung in der schwierigen Zeit und ich hoffte, dass sie das wusste. Keine Ahnung wie lange wir in dem Zimmer waren. Immer wieder schaute ich auf das EKG, welches die sinkende Herzfrequenz anzeigte, bis die Nulllinie verschwand und man nur noch Fragezeichen auf dem Bildschirm sehen und keine Vitalwerte mehr messen konnte. Wieder fing es an zu piepsen, aber diesmal kam keiner um ihn zu retten. Es war für uns alle keine leichte Aufgabe, aber wir mussten seinen Willen akzeptieren und so ließen wir ihn gehen. Bevor er ins Koma gefallen war hatte er ja schon von Mama gesprochen und so tröstete ich mich etwas mit dem Gedanken, dass die beiden nun nach zwei Jahren endlich wieder glücklich vereint waren.

Etwa eine Woche später war Papas Beerdigung. Alles lief genauso wie er es sich vor langer Zeit schon gewünscht hatte: Nach der berührenden Rede vom Pfarrer ertönte das Lied ‚Mandollinimies‘ von Hector aus dem Jahre 1972 in der Kapelle, dann wurde seine Urne direkt neben dem Grab meiner Mutter beigesetzt. Sofia und ich traten jeweils mit den Kindern vor um uns ein letztes Mal von ihm zu verabschieden, dann warfen wir ein paar Rosenblätter auf die Urne und traten zurück. Außer uns vier waren noch meine Schwiegermutter, mein Onkel, meine Tante und die Kinder meiner Tante vor Ort. Der Pfarrer hatte uns, nachdem sich alle von Papa verabschiedet hatten entlassen und wir gingen in ein Café, um die Trauerfeier ausklingen zu lassen. Obwohl die Umstände alles andere als gut waren war es alles in allem ein schöner Tag und ich wusste, dass Papa das genauso sieht, ganz egal wo er gerade war.

Lars Sicht:
19 Jahre waren inzwischen vergangen und ich hatte mein Medizinstudium erfolgreich mit einer Doktorarbeit abgeschlossen. Ich war sehr nervös und aufgeregt, denn heute begann meine Zeit als Assistenzarzt im Krankenhaus. Es handelte sich um das gleiche Krankenhaus, wie das, in dem mein Opa vor fast 20 Jahren gestorben ist, aber das machte mir nichts aus. Ich war schließlich hier um meine Träume zu verwirklichen! Auch wenn ich wusste, dass das sehr viel harte Arbeit für mich bedeutete, aber aufgeben kam definitiv nicht in Frage! Allein schon wegen meiner Familiengeschichte hatte ich ein persönliches Anliegen, dafür zu sorgen, dass Krebs in Zukunft nur noch ein Sternzeichen und ein Tier ist und ich werde nicht aufhören, bis ich dieses Ziel erreicht hatte. Genauso wie Opa es damals kurz vor seinem Tod gesagt hatte: Ich lasse mir von niemandem einreden, dass meine Träume zu hoch gegriffen sind.
„Schatz, du musst los, sonst kommst du an deinem ersten Tag noch zu spät.“ Holte mich die Stimme meiner Freundin aus den Gedanken. Ich sah sie lächelnd an und verschränkte unsere Finger miteinander. Wer weiß, ob wir jemals zusammen gekommen wären, wenn Opa mir nichts davon erzählt hätte, wie er Oma kennengelernt hat? „Was überlegst du?“ fragte sie ebenfalls lächelnd. „Gar nichts… Ich bin einfach nur überglücklich, dass ich meinem Opa damals von dir erzählt habe.“ „Deinem Opa? Ist der nicht gestorben, als wir in der Grundschule waren?“ „Ja. Ich hab ihm erzählt dass in meiner Klasse so ein kleines nerviges Mädchen ist und dann hat er Klara und mir erzählt, wie er unsere Oma kennen und lieben gelernt hat.“ „Hey, du warst aber auch ganz schön nervig mein Lieber.“ „Na so schlimm kann ich ja nicht gewesen sein, sonst wären wir ja jetzt nicht zusammen.“ „Du hast mich doch angesprochen. Am ersten Tag an der Uni, weißt Du nicht mehr?“ „Mara, wie könnte ich das je vergessen?“ lächelte ich und beugte mich über den Tisch um sie zu küssen. „Jetzt geh schon… Ich liebe dich.“ Hauchte sie gegen meine Lippen und erwiderte den Kuss. „Ich liebe dich auch!“ rief ich lächelnd und verließ das Haus. Ich wusste nicht ob es stimmte, aber in meiner Vorstellung waren Oma und Opa wieder miteinander vereint und beobachteten uns, von wo auch immer und ich hoffte die beiden wissen, wie dankbar ich ihnen für alles bin.

So, das war jetzt glaub ich das längste Kapitel, dass ich je geschrieben habe... Tut mir sehr Leid, aber ich hab es einfach nicht geschafft irgendwas zu kürzen 😅 Ich hoffe euch hat das Kapitel und die ganze Geschichte gefallen, auch wenn die Thematik für manche, unter anderem auch für mich selbst, nicht immer einfach war. Die nächste Geschichte ist schon in Arbeit, ich weiß aber noch nicht genau, wann das erste Kapitel online ist, aber das werdet ihr ja auf meinem Profil sehen 😊 Schreibt mir doch gerne eure Meinung / Verbesserungsvorschläge zu der Story in die Kommentare und bis bald 💕

The Story behind our Love (Samu Haber FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt