Kapitel 2

4.4K 150 17
                                    

Da die Freunde von Juli und Joschka immer noch in unserem Garten hocken muss unser Gespräch warten. Doch anstatt mich in mein Zimmer verkriechen zu können, wie ich es gerne getan hätte zwingt meine Mutter mich zu kontrollieren, ob die Jungs neben dem Bier und den Zigaretten etwas essbares zu sich genommen haben. 
„Und wenn nicht, schreibst du mir von jedem auf, was für eine pizza derjenige will" ,sagt sie während sie mir einen Block und einen Stift in die Hand drückt.
Ich tue es wirklich nicht gerne aber das und noch viel mehr, bin ich ihr und meinen Brüdern schuldig.

„Das glaube ich jetzt aber nicht.." Joschkas Augen weiten sich als er mich sieht. „Was führt Miss Perfect denn zu uns nach draußen?" ,meldet sich nun auch Juli zu Wort. Man könnte denken, dass die beiden Zwillinge sind, so wie sie gegenseitig ihre Sätze beenden. Früher haben Joschka und ich das auch getan, wir wussten immer was der andere gerade denkt. Julis Worte verletzen mich ein wenig aber ich kann ihn verstehen und ehrlich gesagt, habe ich nichts anderes verdient.
„Sei nicht so gemein zu ihr" ,ermahnt der blonde Junge neben meinem Bruder ihn mit einem leichten Stups auf den Oberarm. Ich glaube, sein Name ist Markus. Wenn ich mich nicht irre, ist er der Torwart in deren Fußballmannschaft.

„Mama fragt, ob ihr was gegessen habt" ,sage ich kurz angebunden. Sie schütteln alle ihren Kopf und ich schwöre darauf, dass ich den Magen des rothaarigen besten Freundes meines Zwillingsbruders hören kann.
„Gut, Mama bestellt Pizza. Was möchtet ihr?"
Nachdem mir jeder seinen Wunsch mitgeteilt hat und auch die beiden Kleinsten unter ihnen sich endlich entschieden haben verschwinde ich in der Küche um meiner Mutter den Zettel mit den Bestellungen zu bringen. Die Namen der Kleinsten kann ich mir komischerweise merken, seit ich sie kenne. Nerv und Klette.

„Liebes kannst du bitte die Pizzen entgegen nehmen, wenn es klingelt? Ich habe dir übrigens auch eine bestellt. Du musst schließlich auch mal wieder was essen" lächelnd nicke ich um ihre Frage zu beantworten.
„Ich gehe duschen und dann verschwinde ich ins Bett, ich habe morgen Frühschicht und du weißt ja wie mein Chef ist.." augenrollend dreht sie sich in Richtung Badezimmer.
„Könntest du bitte darauf achten, dass alles ordentlich ist, wenn die Jungs nach Hause gehen? Du weißt ja wie deine Brüder sind"
„Ja mache ich Mama, gute Nacht"
„Gute Nacht Frieda" sie drückt mir noch einen Kuss auf die Wange und verschwindet dann hinter der Badezimmer Tür.

Es klingelt an der Tür. Ich hasse es so sehr die Tür zu öffnen, wenn ich die Person nicht kenne, welche die Klingel betätigt hat. Ich wirke immer ziemlich selbstsicher und arrogant auf alles und jeden aber das ist nur eine Fassade, die sich irgendwann gebildet hat.
Ich nehme also allen Mut zusammen und öffne dem Pizzaboten die Tür. Dankend nehme ich die Pizzen an und drücke ihm das Geld in die Hand bevor ich die Tür vor seiner Nase schließe, ohne auf das Rückgeld zu achten.

„Da ist Paprika drauf. Ich hasse Paprika!" der kleine Nerv schaut empört auf seine Pizza.
„Weil das meine Pizza ist du Idiot" Klette verpasst ihm einen Schlag auf den Hinterkopf und tauscht dann die beiden Pizzen aus.
„Die sind nicht geschnitten. Frieda, würdest du.." noch bevor Joschka seine Frage beenden kann verschwinde ich in der Küche und hole den Pizzaschneider.
„Dankeschön" Leon, der Anführer ihrer Gruppe nimmt ihn mir aus der Hand und beginnt seine Pizza zu schneiden.

Es war echt lieb von meiner Mutter mir auch etwas zu essen zu bestellen doch leider kriege ich mehr als ein Stück nicht herunter. Mein Magen muss so klein geschrumpft sein, dadurch dass ich eine Woche lang kaum gegessen habe, dass jetzt nichts mehr hinein passt. Ich entscheide mich dazu, es später noch einmal zu versuchen und lasse die Pizza in der Küche stehen.

Als ich endlich höre, wie der letzte sich verabschiedet mache ich mich auf den Weg nach draußen, wo ich nur noch meine beiden Brüder und den rothaarigen auffinde, welche gerade dabei sind alles aufzuräumen.
„Lasst nur, ich mache das schon" ,sage ich und versuche mir ein Lächeln aufzusetzen.
Nickend verschwinden Juli und Joschka im Haus. Der beste Freund meines Zwillingsbruders formt ein leises ‚Danke' mit seinen Lippen und verschwindet dann durch die Ausfahrt zu seinem Motorrad.

Beim aufräumen fällt mir auf, dass die Jungs sich wirklich benehmen wie Schweine. Anstatt ihre Zigarettenstummel in den Aschenbecher zu legen wie jeder normale Mensch liegen sie teilweise sogar auf dem Tisch verteilt. Es ist ein komisches Gefühl zu wissen, dass mein großer Bruder raucht. Das letzte mal als wir über das Thema geredet hatten, sagte er mir wie abartig er es fände und dass er niemals damit anfangen würde. Auf dem Platz wo der Bruder des Anführers gesessen hatte, liegt noch eine Zigarettenschachtel, er muss sie hier vergessen haben. Ohne groß nachzudenken nehme ich mir eine Zigarette aus seiner Schachtel, stecke sie mir in den Mund und zünde sie an. Ich habe lange nicht mehr geraucht aber ich muss sagen, dass es wirklich gut tut. Julis Worte von gerade eben nagen immer noch an meinem Selbstbewusstsein, vor allem weil er es vor all seinen Freunden sagen musste.

„Du rauchst?" ich erschrecke als ich Julis Stimme hinter mir höre. „Ab und zu" anstatt mich wie erwartet anzubrüllen oder zu beleidigen setzt er sich auf den Stuhl gegenüber von mir und zündet sich ebenfalls eine Zigarette an.
„Du bist erst sechzehn, lass das lieber" sagt er während er den Rauch in seiner Lunge hält.
Schulterzuckend schaue ich ihn an.
„Du bist Fußballspieler, du solltest auch nicht rauchen"
„Die halbe Mannschaft raucht. Das ist was anderes"
„Kein Wunder, dass ihr jedes Spiel verliert. Eure Ausdauer muss ja richtig kaputt sein" ich konnte mir diesen Spruch einfach nicht verkneifen und auch Juli  scheint ihn witzig zu finden.
„Wo hast du die überhaupt her?"
„Marvin hat sie hier liegen gelassen, ich dachte mir es wird nicht schlimm sein, wenn bloß eine fehlt"
Mein Bruder schaut mich verwirrt an, „Wer ist Marvin?"
„Dein Freund? Der Typ der vorhin hier gesessen hat?" ich deute mit meinem Zeigefinger auf den Stuhl, auf dem ich gerade sitze, doch Juli versteht immer noch nicht.
„Man der Bruder von eurem ‚Anführer'" ,sage ich belustigt und bilde mit meinen Fingern zwei Anführungszeichen in der Luft, da ich dieses Anführerzeug für Kinderkram halte.
Juli schlägt sich die Hand an die Stirn, als wenn er endlich verstanden hat wen ich meine.
„Ach du meinst Marlon!"
„Ja Marvin, Marlon. Ist doch alles das gleiche" ,lache ich während ich die Zigarette im Aschenbecher ausdrücke und hinein fallen lasse.

Nachdem wir ein wenig darüber gelacht haben, dass ich ihn Marvin genannt hatte, kehrt eine unglaublich unangenehme Stille ein, die ich mit viel Mühe und Mut durchbreche.
„Es tut mir leid Juli.." noch bevor ich überhaupt zu Ende sprechen konnte, fließt mir die erste Träne über die Wange.
„Es tut mir alles so unfassbar leid. Ich hätte damals auf dich hören sollen. Du hattest mit allem recht, er hat mir mein Herz gebrochen, genau wie du es gesagt hast. Ich habe versagt, als Schwester und als Tochter. Ich habe euch alle im Stich gelassen, weil ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt war. Vor allem dich hätte ich in der letzten Woche so sehr gebraucht doch wegen meiner eigenen Dummheit, bist du nicht für mich da gewesen!" schluchzend versuche ich die Wörter so verständlich wie möglich auszusprechen.
Mein großer Bruder schaut mich mit großen Augen an, ich glaube er ist ratlos und es hat ihm zum ersten Mal so richtig die Sprache verschlagen.

Yessss Kapitel 2.
Ich weiß nicht so richtig was ich sagen soll, außer dass ich die Beziehung zwischen den Geschwistern jetzt schon liebe.🥳

Die Tränen, die du trocknetest. | dwkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt