Kapitel 57

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„Möchtest du ein Stück laufen?" ,fragt Maxi, welcher plötzlich vor mir steht und mir seine Hand hinhält. Ich ergreife sie, er zieht mich hoch und zusammen laufen wir aus dem Teufelstopf, Leons Blicke kleben förmlich an uns beiden.
„Setz dich" ,sagt er als wir an einer Bank vorbei kommen. Ich gehe seiner Bitte nach und er lässt sich neben mich fallen, seine Hand auf meinem Oberschenkel.
„Ich weiß wie weh es tut, glaub mir.." ,beginnt er, „aber er hat dich nicht verdient Josi"
Mein Kopf schießt sofort in seine Richtung, „Was meinst du damit?"
Maxi dreht sich noch ein wenig mehr in meine Richtung und schaut mich an, „Ich bin nicht blind, ich sehe wie du ihn und vor allem wie du sie ansiehst"
Wäre es nicht dunkel würde er vermutlich sehen, wie meine Wangen sich rot färben und mir die Tränen in die Augen schießen.
„Du brauchst nicht weinen, es ist alles gut. Das ist normal, ich verstehe dich.." auch seine Stimme klingt bedrückt, als hätte er einen Knoten im Hals.
„Wie meinst du das?" ,frage ich vorsichtig um nicht bedrängend zu wirken.
„Melina.." ,seine Stimme klingt schwach.
Ich schaue ihn einfach nur fragend an, „Melina? Ist das deine Ex Freundin?"
Er nickt leicht, „Ja, sie war meine erste große Liebe"
„Was ist passiert?"
Dieses Thema scheint ihm sehr schwer zu fallen denn er atmet einmal tief durch und zündet sich eine Zigarette an bevor er zu erzählen beginnt.
„Schonmal was von Gonzo Gonzales gehört?" ,fragt er.
Ich nicke. Genau erinnere ich mich nicht aber er war einer der viele ‚Feinde' meiner Brüder und ihrer Mannschaft. Vanessa hat sich in ihn verliebt, dadurch zerbrach die Mannschaft und am Ende haben sie sich doch wieder vertragen. Trotzdem hat er für ganz schönes Chaos gesorgt.
„Vor ungefähr zwei Jahren hatten wir Tag der offenen Tür an unserer Schule und obwohl wir dachten, dass der Streit von damals besiegelt und Kinderkram sei kam Gonzo und provozierte Leon. Natürlich ging Leon direkt darauf ein, du kennst ihn ja. Wie auch immer, das alles endete in einer großen Schlägerei und da wir den Besuchern ein schlechtes Bild von unserer Schule vermittelten mussten wir als Entschädigung eine Theateraufführung mit den Leuten aus dem Theaterkurs aufführen.." ,er atmet noch einmal tief durch, „dort lernte ich Melina kennen. Sie musste meine Freundin spielen und ich glaube die vielen Einzelproben und vor allem die Kussszenen haben mich dazu gebracht, mich in sie zu verlieben.."
„Du musstest sie küssen?" ,frage ich verwirrt. Ist das normal für eine Schule?
„Wir alle mussten ein Mädchen küssen" ,antwortet er.
„Ihr alle? Auch Nerv?!"
„Ja, auch Nerv. Er musste Klette küssen, sie fand es ganz lustig, er hingegen hat danach so getan als müsse er sich übergeben und ist fast nicht zur Vorstellung gekommen. Die Hexe hat ihn allerdings voller stolz doch dorthin geschleppt"
Diese Vorstellung bringt mich zum Lachen.
„Was war es denn für ein Stück, dass ihr euch küssen müsst?" ,frage ich. Ich muss einfach weiter nach Haken, das interessiert mich.
„Es ging um Vampire. Es gab den Anführer der Vampire, sein Name war Darkside, gespielt von Jonas aus meiner Klasse. Er war überzeugt von der Ewigkeit und der Kunst des ewigen Lebens. In seiner Fabrik, in der er wohnte, gab es noch sechs weitere Vampire. Blossom, Düsentrieb, Terry, Marry, Jeckyll und Hyde, gespielt von Melina, Leonie, Theresa, Marie und zwei kleinen Jungs, die niemand kannte, ich glaube es waren die Cousins von Theresa.."
Ich unterbreche seine Erzählung, „Moment. Marie? Joschkas Marie?"
Ich erinnere mich an eine Marie von der Joschka erzählt hatte, allerdings waren sie nie zusammen und seine Verknalltheit, oder wie man es nennen mag war nichts ernstes.
„Genau, außerdem Markus' Leonie und Rabans Theresa und meine.."
„Melina. Ist schon okay" Ich beende seinen Satz, da ich nicht möchte, dass er hier gleich auch noch in Tränen ausbricht.
„Danke. Jedenfalls habe ich mich in sie verliebt und dachte, sie wäre die Liebe meines Lebens. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht doch irgendwann wollte sie feiern gehen, da es mir nicht so gut ging habe ich ihr gesagt sie solle alleine gehen.." nun rollt ihm eine Träne über die Wange, welche ich mit meinem Daumen wegwische.
„Was sie nicht wusste war, dass Marlon und Markus an dem Abend im gleichen Club waren und gesehen haben, wie sie mit Jonas auf der Toilette verschwand. Klar hätten sie auch etwas anderes machen können aber zum Ende hin haben die beiden gesehen, wie sie und Jonas sich geküsst haben. Ab dem Zeitpunkt war es für mich beendet" Maxis Stimme klingt wieder ein wenig besser als vorher, seine Trauer scheint sich in Wut zu verwandeln.
„Das tut mir wirklich leid für dich Maxi, ich wusste nicht.."
„Ist okay, ich bin drüber hinweg aber verstehst du jetzt, wieso ich dich verstehen kann?"
Ich nicke und ohne groß darüber nachzudenken umarme ich ihn einfach.
„Für was war das jetzt?" ,fragt er grinsend als ich mich von ihm löse.
Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet, „Ehrlich gesagt, also ähm.."
Er beginnt zu lachen, „Ist schon okay, hättest du es nicht getan, hätte ich es gemacht"
Dieser Satz lässt mein Herz warm werden, er ist so liebevoll, wie Leon es niemals sein könnte.
Leon. Das Stichwort für mich, in Tränen auszubrechen. Ich kann nichts dafür, kann es nicht kontrollieren doch ich fange einfach an zu weinen. Diese Bilder von ihm und seiner neuen Schmerzen sehr und das alles, obwohl wir einfach nur miteinander geschlafen haben und es von Anfang an klar war, dass da nie mehr laufen wird.
Maxi nimmt mich in den Arm und streichelt behutsam meine Haare, „Es wird alles gut. Ich weiß, das bringt nichts aber er hat dich wirklich nicht verdient. Du verdienst alles aber nicht dieses Arschloch, glaub mir" seine Worte berühren mein Herz und ich höre auf der Stelle auf zu weinen.
„Ich danke dir Maxi, von ganzem Herzen"
„Für was?"
„Maxi du bist für mich da, dafür danke ich dir"
Er lächelt mich wortlos an und zieht mich noch einmal in eine feste Umarmung.

Nachdem wir noch eine Weile auf der Bank gesessen und die Sterne beobachtet haben, unterbricht Maxi die Stille wieder.
„Darf ich dich etwas fragen?"
„Natürlich"
„Es ist etwas persönlich.." er kratzt sich nervös am Hinterkopf und ich bekomme ein wenig Angst vor seiner Frage.
„Schieß los"
„Was ist genau zwischen dir und Juli passiert? Ihr zwei wart wie beste Freunde nur eben als Geschwister und plötzlich kam dieser riesige Krach"
Als ich den Namen meines Bruders höre zieht sich mein Magen zusammen. Ich habe ihn den ganzen Tag ausgeblendet und jetzt kommt alles wieder hoch.
Ich beschließe jedoch Maxi trotzdem davon zu erzählen, da ich mit niemandem bisher darüber geredet habe, vielleicht hilft es ja um damit klarzukommen.
„Weißt du, ich hatte früher eine sehr schwierige Zeit. Ich wurde in der Schule gemobbt, sie alle wollten mich sterben sehen. Diese Zeit habe ich in meinem Tagebuch festgehalten und niemandem davon erzählt, ich glaube es war mir peinlich. Irgendwann hat meine Mama die Narben an meinen Armen und Beinen gesehen, mein Tagebuch gefunden und es meinem Therapeuten gezeigt. Daraufhin wollte er mich einweisen lassen und ich hatte so einen heftigen Streit mit meiner Mutter, bei dem ich fast einen Riesen Fehler begangen hätte. Nach vielen Therapiestunden und Gesprächen in der Familie hat sich das alles gebessert, auch mein Ex Freund hat dazu beigetragen, dass es mir besser ging. Ich habe mein Tagebuch nicht mehr gebraucht und es daraufhin auch vergessen.." ich muss mich wirklich beherrschen nicht schon wieder zu weinen.
„Das tut mir wirklich leid, ich wollte nicht, dass du wieder weinst" Maxi wischt mir meine Tränen weg und nimmt mich erneut in den Arm, löst sich aber wieder von mir damit ich fortfahren kann.
„Ist schon gut Maxi. Jedenfalls habe ich Juli dabei geholfen seine Umzugskartons zu packen und dabei in einem seiner Schubladen mein Tagebuch gefunden. Er hat mir das genommen, was mir vielleicht geholfen hätte besser mit der ganzen Scheiße abzuschließen Maxi. Dieses Buch war mir eine Zeit lang wichtiger als alles andere, klar habe ich es selbst vergessen aber hätte er es mir nicht weg genommen und versteckt hätte ich es niemals vergessen. Vor allem nach der Trennung oder bei der Sache mit Leon hätte es mir sicherlich geholfen dort noch einmal rein zu schreiben oder einfach zu lesen, wie es mir früher ging und wie gut ich es jetzt eigentlich habe aber.."
„Bitte beruhige dich, alles wird gut" Seine Stimme wirkt ein wenig überfordert und besorgt. Ich selbst habe nichtmal bemerkt, dass ich angefangen habe viel schneller als vorher zu sprechen und kaum noch Luft zu holen.
Ich weiß nicht was, aber irgendwas lässt nun alles in mir brechen und ich beginne zu schluchzen wie ein Hund.
„Ich hasse ihn Maxi, ich hasse meinen Bruder so sehr dafür" ,bringe ich noch heraus bevor Maxi mich zum dritten oder vierten Mal an diesem Abend in seine Arme zieht.
Er schaut mich an und wird unruhig, „Du zitterst.."

Die Sache mit den Vampiren wäre dann also auch geregelt..😅

Die Tränen, die du trocknetest. | dwkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt