Kapitel 49

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Ein lautes Knallen weckt mich aus meinem ziemlich unbequemen Schlaf. Ich bin mit dem Kopf auf meinem Mathe Heft eingeschlafen und draußen ist es schon dunkel geworden. Da es Sommer ist und es spät dunkel wird muss es also schon nach einundzwanzig Uhr sein. Von meinem Nervenzusammenbruch vorhin ist mein Blatt durchnässt, was allerdings weniger schlimm ist, da ich sowieso noch nichts aufgeschrieben habe.
Die letzten vier Tage habe ich nach der Schule immer damit verbracht, mir die einzelnen Themen für die Klausur in meinen Kopf zu schlagen, während die Kerle dabei geholfen haben, das neue Haus zu streichen. Ich fühle mich ein wenig schlecht, dass ich kaum helfen kann, vor allem da das ganze lernen nichts gebracht hat, die Klausur in einer Woche ist und das einzige Thema was ich nun kann Klammern auflösen sind. Ein Thema, welches man in der siebten Klasse lernt.
Ich gehe der Ursache des Geräuschs nach und finde einen Juli vor, welcher samt Umzugskarton die Treppe heruntergefallen ist. Ich sollte auch spätestens morgen mal anfangen die Kartons zu packen sonst werde ich nie damit fertig.
Lachend gehe ich auf ihn zu und setze mich neben ihn auf die Treppe.
„Alles gut bei dir?" ,fragt er und legt mir einen Arm um die Schulter.
„Ja schon, brauchst du Hilfe?" ich deute auf den Karton, welcher am Boden liegt und die anderen, die bereits in der Ecke stehen.
„Wenn du nichts zutun hast, gerne"
„Eigentlich sollte ich Mathe lernen aber ich verstehe sowieso nichts also kann ich es eigentlich direkt lassen" ,lache ich und helfe ihm, all die Sachen, die aus dem Karton gefallen sind, wieder einzuräumen.
Den restlichen Abend verbringen wir damit, Julis Zimmer auszuräumen. Wir reden über alles was passiert ist, sogar das mit Markus habe ich ihm anvertraut. Wenn es um solche Dinge geht, ist mein Bruder immer noch der beste Zuhörer. Er verurteilt mich nicht für Dinge, die ich tue oder sage und steht immer hinter mir, deswegen liebe ich ihn so.
„Nicht mehr viel, dann ist es geschafft!" ,sagt Juli erschöpft aber dennoch froh.
„Endlich, ich kann schon nicht mehr. Morgen ist dann mein Zimmer dran"
„Vielleicht sollten wir aber erstmal etwas essen bevor wir weitermachen" ,antwortet er und deutet auf das laute Knurren meines Magens.
Lachend verschwinden wir in der Küche und essen die Reste der kalten Pizza von heute Mittag. Zurzeit gibt es bei uns nur bestelltes Essen, ich denke das ist während eines Umzugs normal.
„Machst du auf?" ,frage ich als es klingelt. Juli nickt und begibt sich zur Tür. Es ist mittlerweile dreiundzwanzig Uhr, wer kann das schon sein?
Als ich mich umdrehe und in die glasigen Augen meines besten Freundes sehe bricht mein Herz beinahe. Sein Blick ist erfüllt von Schmerz und ich erkenne genau wie sehr er sich zurück halten muss, nicht auf der Stelle zu weinen.
„Ich lasse euch beide dann allein. Wir wollten ja eh eine Pause machen, wir machen einfach weiter wenn ihr fertig seid" ,sagt Juli und verschwindet aus der Küche.
Ich falle meinem besten Freund sofort um den Hals und spüre wie seine Atmung schwerer wird.
„Was ist passiert?" ,hauche ich in sein Ohr, woraufhin er mich nur fester an sich drückt und leise zu schluchzen beginnt.
So habe ich Markus noch nie erlebt. So aufgelöst und verzweifelt, wie er jetzt gerade ist hätte ich ihn mir nichtmal in meinen schlimmsten Träumen.
Mein Gefühl, dass es etwas mit Jacky zutun hat bestätigt sich, als wir uns auf auf die Hollywood Schaukel im Garten setzen und er zu erzählen beginnt.
„Ich war heute bei Jacky"
„Und? Wie es scheint ist es nicht so gut ausgegangen"
„Ganz und gar nicht Frieda. Wir waren kurz davor uns zu vertragen doch dann hat sich mein schlechtes Gewissen gemeldet und ich habe ihr von uns erzählt.."
Mein Herz macht einen kurzen Aussetzer. Er hat es ihr also erzählt? Damit hätte ich nicht gerechnet, ich dachte das würde unter uns bleiben. Naja und unter Elena und Juli. Wobei Elena es wahrscheinlich Marlon erzählt hat, also unter uns fünf. Jedenfalls dachte ich nicht, dass er es Jacky Erzählen würde.
„Sie hat in Ordnung darauf reagiert aber.." ,seine Stimme bricht für einen Moment, „Sie hat ebenfalls mit jemandem geschlafen.." Seine Augen füllen sich erneut mit Tränen doch er dreht sich kurz zur Seite und tut so, als wäre nichts.
„Ich weiß nicht, was ich machen soll" ,sagt er plötzlich als wäre jeder Schmerz verflogen.
„Ihr wart zu dem Zeitpunkt nicht zusammen also gibt es keinen Grund, nicht wieder mit ihr zusammen zu kommen.." ,antworte ich vorsichtig, aus Angst etwas falsches zu sagen.
„Ich weiß aber wieso hat sie das denn gemacht? Ich dachte sie liebt mich.."
„Du hast es doch auch gemacht obwohl du sie liebst, oder Markus?"
Er nickt langsam und lehnt seinen Kopf an meinen.
„Mit wem hat sie denn geschlafen?"
„Ich kenne ihn nicht. Sie sagt er sei ein guter Freund von ihrem großen Bruder und bisher war er für sie auch immer wie einer.."
„Na siehst du. Du hast mit deiner besten Freundin geschlafen um Jacky zu vergessen und Jacky hat mit ihrem besten Freund geschlafen um dich zu vergessen. Ihr seid wie ein und die selbe Person" ,sage ich in einem Ton, der ihn hoffentlich aufmuntert.
„Irgendwo hast du ja recht aber irgendwie habe ich gerade den Drang etwas anderes zutun als ihr das zu sagen.."
Noch bevor ich ihm antworten kann zieht er mich auf seinen Schoß und presst seine Lippen auf meine. Der Kuss fühlt sich wirklich verdammt gut an aber er entfacht nicht das selbe Feuer wie letztes Mal. Ihm scheint es genau wie mir zu ergehen, denn er löst sich nach ein paar Sekunden von mir und sieht mich beschämt an. Es herrscht eine unangenehme Stille, welche ich jedoch geschickt unterbreche und mein merkwürdiges Bauchgefühl an die Seite schiebe.
„Nein Markus, kein aber! Du bewegst deinen Hintern jetzt sofort zu Jacky und klärst das mit ihr" Ich klettere von seinem Schoß und ziehe ihn mit viel Mühe an den Händen hoch, sodass er vor mir steht.
„Du bist die beste, weißt du das eigentlich?" ,fragt er grinsend und zieht mich in eine feste Umarmung.
„Ja, das weiß ich und jetzt ab mit dir"
„Wir reden morgen oder so noch darüber, versprochen" ,grinst er und verschwindet.

Während ich Juli dabei helfe, die letzten Kartons einzuräumen, schweben meine Gedanken wieder nur bei Markus. Es ist merkwürdig, dass ich so viel über diesen Kuss gerade nachdenken muss. Wieso hat es sich plötzlich wieder so komisch angefühlt? Ist es mein schlechtes Gewissen gegenüber Jacky oder meine Angst, dass unsere Freundschaft darunter leiden könnte? Vielleicht ist es auch meine letzte gefürchtetste Vermutung, dass ich noch so sehr an Leon hänge und deswegen nicht das selbe bei einem Kuss mit einem anderen fühlen kann, wie bei ihm. Ich würde sogar zu Gott beten, dass es nicht so ist denn Leon und ich wohnen bald unter einem Dach und wir müssen uns wie Geschwister verhalten und da zählt miteinander schlafen nunmal definitiv nicht zu.
„Kannst du noch die letzte Schublade dahinten ausräumen? Ich muss dringend duschen" ,fragt mein großer Bruder.
„Es ist fast halb zwei Uhr nachts, weißt du oder?"
„Ja und? Mama ist noch im Haus am renovieren also kann ich auch um die Uhrzeit noch duschen"
„Ist ja gut" ,lache ich und schiebe den Karton zur Seite um an die Schublade zu kommen.
Diese Schublade ist randvoll mit irgendwelchen Dingen. Julis alte Schulsachen, Bücher, die er mit Sicherheit nie gelesen hat. Sogar meine Ausgabe von Stolz und Vorurteil hat er hier drinnen, die habe ich über Jahre hinweg gesucht. Seine CD's aus der Zeit, als er Selena Gomez vergöttert hat kann ich einfach nicht entsorgen. Das ist eine Ära in Julis Leben, mit der ich ihn für immer aufziehen werde. Als ich zwischen alten Matheheften Liebesgedichte finde, nehme ich meine Aussage von vorhin zurück. Er muss Stolz und Vorurteil definitiv gelesen haben. So wie diese Gedichte klingen, hat er es bestimmt mehrmals und in verschiedenen Sprachen von hinten nach vorne gelesen.
Seine Schulsachen aus der Grundschule und Mittelstufe werfe ich in den großen Müllsack neben mir, die Bücher packe ich in den Karton und seine selbstgeschriebenen Gedichte plus Selena Gomez CD's lege ich beiseite, sodass ich sie bei mir mit einpacken kann. Irgendwas muss ich ja gegen ihn in der Hand haben.
Ich öffne die Schublade erneut und nehme die weiße Tüte, die noch darin liegt heraus um ihren Inhalt ebenfalls einzuräumen.
Als ich einen Blick in diese Tüte werfe traue ich meinen Augen nicht und meine Hände beginnen sofort zu zittern. Wie konnte er nur?

Hey Friendsss!!
Ich war gestern ziemlich produktiv und habe ein paar Kapitel vorgeschrieben, die die nächsten Tage kommen werden.
Was meint ihr, hat Frieda so schockiert?☺️

Die Tränen, die du trocknetest. | dwkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt