Flucht

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Erleichtert seufze ich auf und ziehe sie wieder an mich. Es tut gut meiner Schwester endlich mal wieder nahe sein zu können. In letzter Zeit haben wir uns immer mehr voneinander distanziert, ohne dass ich es wirklich gemerkt hätte. Aber dass ich jetzt, in dieser hochgradig gefährlichen Situation, glücklich bin, einfach weil Thea bei mir ist, zeigt mir, wie wichtig sie mir eigentlich ist.

Irgendwann biegt der Wagen offenbar auf eine unbefestigte Straße ab. Auf jeden Fall werden wir kräftig durchgeschüttelt. Ich vermute, dass wir uns langsam aber sicher unserem Zielpunkt nähern und mache mich fertig für den Kampf. Psychisch heißt das vor allem alles, was mich ablenken könnte ganz weit nach hinten zu schieben. Nur der Gedanke an Theas Flucht darf bleiben, alles andere ist für den Moment egal. Zeitgleich löse ich mich vorsichtig von meiner Schwester und bemühe mich, so leise wie möglich meine Muskulatur warm zu dehnen. Thea ist etwas irritiert und erkundigt sich einige Minuten später, was ich da treibe.

„Ich versuche unsere Chancen auf ein Überleben so weit zu maximieren, wie das unter diesen Umständen möglich ist.“

Bevor ich noch mehr sagen kann, hält der Wagen an und der Motor wird ausgeschaltet. Offenbar ist es jetzt so weit. Ich knie mich erneut neben meine Schwester und hauche ihr einen Abschiedskuss auf die Haare.

„Hör zu Speedy. Du bleibst in Deckung, bis ich dir sage, dass du rennen sollst, okay?“

Meine Stimme ist ruhig und distanziert.

„Ja. Und dann renne ich, so schnell ich kann. Ich drehe mich nicht um und ich warte nicht auf dich.“

Ich kann hören, dass sie jetzt wo es ernst wird den Tränen nahe ist. Sie hält sie so weit wie möglich zurück, aber sie schimmern trotzdem unter Oberfläche durch. Ich bin mir nicht sicher, ob sie genauso gut wie ich weiß, dass mein Versprechen, diese Aktion zu überleben eine Lüge war, oder ob es die Kälte in meiner Stimme ist, die ihr so zusetzt. Wie auch immer, jetzt ist nicht die Zeit über dieses Thema nach zu denken. Ich kann hören wie sich jemand an der Heckklappe zu schaffen macht. Ich schiebe Thea hinter mich und gehe in Angriffsposition. Die Knie leicht gebeugt, bereit zum Sprung.

Zu meinem Glück werden die Türen relativ langsam geöffnet, so dass sich meine Augen schon mal an die Helligkeit gewöhnen können. Sobald die Türen offen sind, habe ich jedoch die Szenerie im Blick und einen Plan im Kopf. Direkt gegenüber des Wagens stehen zwei Männer mit Maschinengewehren im Anschlag, rechts und links des Wagens stehen, zwei weitere, die ihre Waffen locker umgehängt haben. Offenbar haben sie gerade die Türen geöffnet. Donnor kann ich nirgendwo entdecken.

Noch bevor einer von den Vieren reagieren kann, habe ich bereits dem ersten das Gewehr abgenommen. Ich ramme ihm meinen Ellenbogen von unten gegen die Nase, während ich mich bereits seinem Nachbarn zuwende. Dieser versucht noch auf mich zu schießen, wird jedoch von mir gehindert, in dem ich ihm die Hand breche, die den Abzug betätigen müsste. Damit habe ich die beiden akut gefährlichen außer Gefecht gesetzt, stehe dafür aber zwischen den anderen. Diese haben mittlerweile ebenfalls nach ihren Waffen gegriffen und ich beeile mich, dem ersten von ihnen einen Tritt in die Magengegend zu verpassen, so dass er zusammen klappt. Dann stürze ich mich auf den Letzten. Er ist für den Moment der einzige halbwegs kampffähige Mann im Umkreis und so beschließe, dass das jetzt der ideale Moment für Thea seien sollte um ab zu hauen.

„Speedy, re…!“

Den Rest bringe ich schon nicht mehr heraus, weil mein Gegner mir einen Tritt in die Rippen verpasst, der sich gewaschen hat. Aber glücklicherweise versteht meine Schwester auch so. Sie springt aus dem Transporter und flüchtet in den umgebenden Wald. Ich befasse mich derweil wieder mit meinem Gegenüber. Er ist ziemlich resistent, aber letztendlich reicht ein gut gezielter Schlag an die richtige Stelle des Schädels auch bei ihm aus, um ihn auszuschalten. Als ich mich schon auf die Suche nach Donnor machen will, höre ich plötzlich einen Knall und fühle ein sengendes Brennen an meinem linken Oberarm. Ich wirbele herum und stehe im selben Moment Auge in Auge mit ihm.

Ich hasse RegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt